Norderstedt. Abendblatt-Serie zur Oberbürgermeisterwahl in Norderstedt am 5. November: Was wollen die acht Kandidaten für die Stadt?

In drei Folgen beantworten die acht Oberbürgermeister-Kandidaten
im Hamburger Abendblatt Fragen zu den wichtigsten Norderstedter Themen. Im ersten Teil geht es um Verkehr.

Frage 1: Querspange durch die Garstedter Feldmark und ein Autobahnanschluss: Läuft dann der Verkehr in Norderstedt wieder flüssiger und Dauerstaus sind Geschichte?

Frage 1

Anette Reinders: Vermutlich wird dann der Verkehr auf der Niendorfer Straße flüssiger laufen – wenn gerade kein Stau auf der A 7 ist. Grundsätzlich können die Verkehrsprobleme, die wir auch auf der Ulzburger Straße und der Poppenbütteler Straße haben, aber nur mit neuen Mobilitätskonzepten gelöst werden.

Reimer Rathje: Eine Querspange soll den Friedrichsgaber Weg/die Niendorfer Straße in Verbindung mit einem A-7-Anschluss in Höhe Hasloher Weg entlasten. Solange die Autos auf der A 7 aber täglich bereits ab Quickborn gen Süden im Stau stehen, kann der innerstädtische Verkehr nicht auf die A 7 abfließen. Im Gegenteil: Die Autofahrer möchten die A 7 im Stau verlassen, sodass wir den Verkehr in die Stadt holen, anstatt dass er auf die A 7 abfließt. Die Querspange ist dann eine Entlastung für die A 7 und nicht für die Niendorfer Straße.

Sven Wojtkowiak: Ich möchte einen Generalverkehrsplan unter Einbeziehung der Umlandgemeinden und Hamburg, der alle Verkehrsbewegungen auswertet und notwendige Maßnahmen aufzeigt. Bislang wurde die Notwendigkeit der Querspange und eines Autobahnanschlusses nicht belegt. Wir sollten nicht unnötig Natur und damit Freiräume für Mensch und Tier zerstören. Ich möchte in der Verkehrspolitik Lösungen, die auf breite Zustimmung stoßen und keine Ein-Stimmen-Mehrheiten. Dank wilhelm.tel sind wir wahrscheinlich die Stadt mit der besten Breitbandverkabelung. Lassen Sie uns endlich ein interaktives Ampelsteuerungssystem einführen!

Thomas Thedens: Vermutlich nein. Das würde die Fahrzeuge in weiten Bereichen innerstädtisch auch nicht reduzieren. Wir brauchen ein Verkehrskonzept mit Hamburg und dem Umland, bei dem die Bürger auch mitmachen und nicht mehr alle mit dem Auto zur Arbeit fahren.

Elke Christina Roeder: Soweit mir bekannt ist, wurden hier Verkehrszählungen und Gutachten zurate gezogen, die zu dem Ergebnis geführt haben, dass beide Projekte zu keiner nennenswerten Entlastung führen. Dies ist natürlich im Rahmen einer Verkehrsplanung in regelmäßigen Abständen zu hinterfragen.

David Hirsch: Um den Kfz-Verkehr an verschiedenen Stellen Norderstedts zu verflüssigen, bedarf es eines verkehrlichen Gesamtkonzepts. Nach meiner Vorstellung kommt die Querspange durch die Garstedter Feldmark darin nicht vor, da sie verkehrlich zwar helfen, dafür aber das für mich höhere Gut des Naturreservats durchschneiden würde. Ich setze auf eine Veränderung der Ampelschaltungen zur Verflüssigung sowie auf bauliche Veränderungen wie Kreisverkehre oder kreuzungsfreie Lösungen. Beim Autobahnanschluss sagt mir jeder: Der Zug ist abgefahren, weil es dafür auch den Bund sowie die Stadt Quickborn braucht. Hier möchte ich nochmals ran.

Christian Waldheim: Diese zwei Maßnahmen alleine werden nicht ausreichen, um das Verkehrsproblem in Norderstedt zu lösen. Vielmehr bedarf es eines nachhaltigen Gesamtverkehrskonzeptes, welches eine Vielzahl von Maßnahmen für alle Verkehrsteilnehmer inklusive des ÖPNV beinhalten muss. Ein Gesamtkonzept wird aber nur dann Erfolg haben, wenn Planungen, Abstimmungen und Umsetzungen im Einklang mit den umliegenden Gemeinden und Hamburg erfolgen. Ein Alleingang Norderstedts kann nicht zum Erfolg führen.

Jens Kahlsdorf: Eine Idee, die zu prüfen wäre. Allerdings wäre das nur ein kleiner Teil der Lösung. Neben dem Ausbau für die wachsenden Quell- und Zielverkehre in Norderstedt (zum Beispiel durch Neubau Garstedter Dreieck) sind auch große Lösungen notwendig wie zum Beispiel eine Ostumgehung Hamburgs.

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Frage 2: Fluglärm – dagegen kann Norderstedt allein sowieso nichts ausrichten. Oder etwa doch?

Frage 2

Anette Reinders: Vom Fluglärm sind nicht nur die Norderstedter betroffen, deshalb macht es Sinn, gemeinsam aufzutreten. Besonders die Randzeiten, also zwischen 6 und 7 Uhr morgens sowie ab 22 Uhr abends, nerven viele – mich übrigens auch. Hier sollten wir zunächst ansetzen und zum Beispiel nur leisere Maschinen in diesen Zeiten zulassen und/oder die strikte Einhaltung des Nachtflugverbots einfordern. Eine weitere Maßnahme könnte ein flugfreier Tag oder Wochenende sein, an dem nicht über Norderstedt gestartet und gelandet wird.

Reimer Rathje: Norderstedt ist auf die aktive Mithilfe des Landes angewiesen. Hamburg verteidigt die Gesundheit ihrer Bürger, indem sie die Flugsicherung anweist, Starts nur gen Norderstedt zu gestatten, zuzüglich Landungen in der Nacht. August 2017: 7041 Flugzeuge über Lenas Kopf in Norderstedt, aber nur 18 (!) über Toms Kopf in Alsterdorf. Jetzt ist unsere Landesregierung gefragt! Norderstedt alleine kann nicht genug Druck aufbauen gegen einen Stadtstaat. Und eines ist klar: Der Wind ist nicht ausschlaggebend!

Sven Wojtkowiak: Wir werden weiterhin mit Fluglärm leben müssen; in der Lärmschutzkommission werde ich mich für eine Einhaltung der derzeitigen Bestimmungen insbesondere des Nachtflugverbotes einsetzen. Zusätzlich bespreche ich dieses Thema am Montag mit dem FDP-Verkehrsminister Bernd Buchholz; das bringt mehr, als fünf Jahre in der Stadtvertretung zu sitzen wie Herr Rathje, ohne die Initiative zu ergreifen.

Thomas Thedens: Norderstedt hat eine Stimme in der Fluglärmkommission. Damit werden wir keine Mehrheiten schaffen können. Trotzdem gilt es, Gespräche mit den Verantwortlichen zu führen und die Rechtslage bezüglich der Flugrouten zu prüfen. Wenn Rechtsmittel möglich sind, kann man diese natürlich auch einsetzen.

Elke Christina Roeder: Natürlich will sicher kein Norderstedter den Flughafen als solches infrage stellen. Dennoch gilt es, in einen Dialog mit dem Flughafen und der Hamburger Politik zu treten, um mittelfristig eine Verbesserung für die hiesigen Menschen zu erzielen.

David Hirsch: Auch die Fluglärmreduzierung ist ein dickes Brett. Ich möchte mich mit der Ungerechtigkeit der Abwicklung von mehr als 70 Prozent der Starts und Landungen über Norderstedt aber nicht abfinden und deshalb den Sitz der Stadt Norderstedt in der Fluglärmkommission selbst wahrnehmen, das Thema also zur Chefsache machen.

Christian Waldheim: Nein, Norderstedt alleine kann da nichts machen, sondern ist auf die Unterstützung der Landesregierung angewiesen. Es entsteht der Eindruck, als würde der Flughafen die Probleme der in Hamburg betroffenen Stadtteile zu Lasten Norderstedts abwälzen. Norderstedt sollte sich mit den umliegenden Gemeinden abstimmen, um den einzelnen Stimmen in der Fluglärmschutzkommission in Summe mehr Gewicht zu geben.

Jens Kahlsdorf: Wenn andere Kandidaten behaupten, „da geht nichts“, wird das Thema doch erst zur Herausforderung. Seit 2014 wird das Flachstartverfahren angewendet, das zusätzlichen Lärm erzeugt. Laut Flughafenchef Eggenschwiler ist Hamburgs Wirtschaftssenator Horch bereits am Verhandeln. Hier gilt es, die Kräfte in der Lärmschutzkommission zu bündeln gegen die Einsparversuche der Airlines. Mit mir als OB wird es Lösungen über mein Netzwerk geben. Die WiN hat sich 2013 nur für Fluglärm wählen lassen und nicht einen einzigen Antrag dazu bis heute gestellt.

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Frage 3: Zu viel Gift in der Luft auf der Ohechaussee: Sind Sie für Fahrverbote, um die Stickstoff-Belastung zu senken?

Frage 3

Anette Reinders: Fahrverbote lösen die Luftprobleme nicht dauerhaft, schaffen nur kurzfristig Abhilfe. Deshalb muss langfristig dafür gesorgt werden, dass weniger Verkehr mit weniger Emissionen unsere Straßen und unsere Luft belastet. Ganz emissionsfrei fährt man mit dem Fahrrad durch unsere Stadt, deshalb ist der Ausbau der Radwege eine vordringliche Maßnahme. Auch der Ausbau des ÖPNV, zum Beispiel durch Schnellbusse zur U-Bahn, kann dazu beitragen, dass mehr Menschen für die täglichen Wege auf ihr Auto verzichten.

Reimer Rathje: Eine Lösung ist dringend geboten. Fahrverbote in der Ohechaussee verdrängen den Verkehr jedoch in andere Straßen. Das Land/der Bund müssen in Abstimmung mit Norderstedt für die B 432 eine andere Antwort finden.

Sven Wojtkowiak: Nein, sie belasten vor allem diejenigen, die sich modernere Fahrzeuge nicht leisten können. Wichtig ist, den Verkehr zum Laufen zu bringen, um den Schadstoffausstoß zu verringern. Hier wird ein abgestimmtes Baustellenmanagement helfen!

Thomas Thedens: Nein. Wir müssen insgesamt die Verkehre reduzieren, um damit auch die Stickoxidbelastung zu reduzieren. Wie gesagt, wir brauchen ein Verkehrskonzept, mit dem insgesamt weniger Fahrzeuge auf Norderstedter Straßen fahren.

Elke Christina Roeder: Statt auf Fahrverbote würde ich hier lieber auf die Optimierung des Verkehrsflusses setzen. Im Rahmen einer Verkehrsplanung wären auch die Ampelschaltungen zu überarbeiten. Daneben würde ich weiter am Ausbau des ÖPNV und des Radverkehrs arbeiten.

David Hirsch: Wenn sie in diesem Bereich nachweislich helfen: ja. Deshalb ist das verkehrliche Gesamtverkehrskonzept aber so notwendig, da bei Fahrverboten die Verkehre anders geführt werden müssen. Verkehr habe ich zu meinem Top-Thema gemacht.

Christian Waldheim: Ein Fahrverbot sollte nicht in Betracht gezogen werden. Norderstedt ist vor allem eine Transitachse der Berufspendler. Daher ist es meiner Ansicht nach besser, durch ein intelligentes und nachhaltiges Gesamtverkehrskonzept dafür Sorge zu tragen, dass die Verkehrsbelastung durch den Berufsverkehr reduziert wird.

Jens Kahlsdorf: Nein. Trotzdem müssen Alternativen gefunden und den Bürgern schmackhaft gemacht werden, um die Belastung zu senken, selbst wenn die Schadstoffe bislang nur selten die Grenzwerte erreichen. Am 26. Oktober hatten wir vom Alster Business Club ein Infoevent zur E-Mobilität als Ergänzung zur „Story im Ersten“ in Norderstedt angeboten, das gut besucht wurde.

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Frage 4: Eine U-Bahn, die bis zur Stadtgrenze nach Meeschensee fährt: Wie realistisch ist das für Sie?

Frage 4

Anette Reinders: Der Ausbau der U-Bahn ist eine Vision, für deren Realisierung man sicher Jahre, wenn nicht mehr als ein Jahrzehnt veranschlagen muss. Aber jede Reise beginnt bekanntlich mit dem ersten Schritt, deshalb müssen wir heute schon für morgen denken.

Reimer Rathje: Eine U-Bahn-Verlängerung ist überfällig und genießt höchste Priorität. Das Verkehrsproblem können wir nur in Zusammenarbeit mit den Umlandgemeinden lösen. Wir müssen den Pendlern aus Henstedt-Ulzburg und Kaltenkirchen das Umsteigen auf den ÖPNV erleichtern, um den Durchgangsverkehr zu reduzieren.

Sven Wojtkowiak: Die Verlängerung der U-Bahn nach Norderstedt-Mitte war ein Erfolg für die Stadt. Die Weiterführung der U-Bahn über Friedrichsgabe nach Henstedt-Ulzburg ist sinnvoll und kann Pendlerverkehre auf die Schiene verlagern. Die Realisierung ist eine langfristige Aufgabe für die nächsten 20 Jahre.

Thomad Thedens: Die Idee ist sicherlich gut. Sie könnte auch in das Gesamtverkehrskonzept passen und dazu beitragen, die Mobilität der Bürgerinnen- und Bürger außerhalb der Kfz-Nutzung zu erhöhen. Die Kostenseite ist natürlich zu prüfen, ob das so auch machbar ist.

Elke Christina Roeder: Einen weiteren Ausbau der U-Bahn halte ich zwar für wünschenswert, aber schlicht für nicht finanzierbar und würde lieber darauf setzen, die AKN in Norderstedt zu elektrifizieren (Akkubetrieb). Damit können wir die Lärmminderung und den Ausbau der Taktung für die Menschen günstiger erreichen.

David Hirsch: Dieses Verkehrsprojekt ist ein vielleicht langwieriges, aber keinesfalls unrealistisches Projekt. Ich finde die U-Bahn-Verlängerung essenziell, um die Kfz-Pendlerverkehre vom Norden her zu reduzieren und sie in ein kostenloses P+R-Parkhaus mit attraktiver Umsteigemöglichkeit in ein schnelles Verkehrsmittel Richtung Norderstedt nach Hamburg leiten zu können.

Christian Waldheim: Diesen Ansatz halte ich für sehr realistisch, stellt es doch eine Maßnahme im Rahmen eines Verkehrskonzeptes für Norderstedt dar. Inwieweit ein Interessenausgleich zwischen AKN und Hamburger Hochbahn bei einer Umsetzung notwendig sein wird, ist bei den Planungen zu prüfen.

Jens Kahlsdorf: Den Bau der U-Bahn bis Norderstedt-Mitte (rund 400 Mio. DM) verdanken wir der Kreativität der damaligen städtischen Angestellten der Stadtwerke und gerade noch gültigen Bonner Förderprogrammen. Auch bei einer Verlängerung der U-Bahn setze ich auf die Expertise der Mitarbeiter und bin mir sicher, dass wir dann auch dieses sehr kostenintensive Projekt umsetzen können.

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