Henstedt-Ulzburg. Mehr als tausend junge Menschen trafen sich in Henstedt-Ulzburg, um die 17 Jahre alte Quickbornerin und ihre Familie zu unterstützen

Immer wieder blickt Kirsten Seeger hoch zu dem zehn Quadratmeter großen Plakat, das am Kran eines Abschleppwagens hoch über dem Real-Parkplatz in Hen­stedt-Ulzburg hängt. „Kim möchte leben“ steht darauf, darunter ist überdimensional das lächelnde Gesicht von Kim Seeger zu sehen. „Ich bin überwältigt“, sagt ihre Mutter Kirsten. „Die Unterstützung ist einfach unglaublich.“ Die Quickbornerin steht mittendrin in einem Pulk von Autos mit grummelnden Motoren und gewienertem Lack. „Cruisen gegen den Krebs“ heißt das Motto des Treffens, das Kim helfen soll, ihre schwere Krankheit zu überstehen. Die 17-Jährige, die auf dem Plakat zu sehen ist, liegt im Hamburger Universitätsklinikum Eppendorf. Sie hat Blutkrebs.

Die Familie bangt um Kim Seeger: Vater Peter, Mutter Kirsten, Bruder Kai und Schwester Nina (v.l.)
Die Familie bangt um Kim Seeger: Vater Peter, Mutter Kirsten, Bruder Kai und Schwester Nina (v.l.) © Wolfgang Klietz | Wolfgang Klietz

700 Cruiser sind am Sonnabendabend aus ganz Norddeutschland mit ihren aufwendig hochgerüsteten Autos angereist. Breite Reifen, glitzernde Felgen und eine originelle Lackierung – das ist für einen Cruiser Pflicht. Doch an diesem Abend geht es nicht nur darum, aufgerüstete Autos zu bestaunen, zu fotografieren und im Internet zu verbreiten. Die zumeist jungen Menschen wollen Kim helfen, die voraussichtlich einen Knochenmarkspender brauchen wird, um zu überleben.

Bei der Tombola auf dem Parkplatz soll genügend Geld zusammenkommen, um das Blut potenzieller Spender typisieren lassen zu können und damit möglicherweise den Lebensretter für Kim oder einen anderen Leukämie-Patienten zu finden. Das Geld kommt der Deutschen Knochenmarkspenderdatei (DKMS) zugute.

Christian Michel und seine Freunde verkaufen 3000 Lose zum Stückpreis von zwei Euro. Die attraktivsten Preise sind ganz nach dem Geschmack der Cruiser: Hauptgewinne sind ein Wochenende mit einem Audi R 8 oder einem VW Golf GTI. Dazu gibt es jede Menge Gutscheine. Viele Unternehmen aus dem Gewerbepark und den umliegenden Gemeinden haben gespendet. Die Schlange vor dem Auto mit dem Losverkauf ist lang.

Polizei kontrollierte Autos der Cruiser

Die Polizei prüfte am Joy stichprobenartig die Autos der Cruiser
Die Polizei prüfte am Joy stichprobenartig die Autos der Cruiser © Wolfgang Klietz | Wolfgang Klietz

„Die Veranstalter sind sehr bemüht, dass alles ordentlich läuft“, sagt Birgit Cornehls vom Polizeirevier Kaltenkirchen, die sich mit zwölf Kollegen rund um die Parkplätze postiert hat. Weitere Streifen sind in der Region unterwegs und beobachten die Cruiser. Die Polizei kontrolliere stichprobenartig die Autos. „Wir prüfen, ob die Vorschriften eingehalten werden“, sagt sie. Birgit Cornehls weiß, dass nicht alle Cruiser sich an die Regeln halten. Immer wieder kommt es bei Treffen zu illegalen Rennen. An diesem Abend bleibt es in Henstedt-Ulzburg ruhig.

Kirsten Seeger steht immer noch unter dem großen Plakat inmitten der hochgerüsteten Autos. Sie filmt die Szenerie für ihre Tochter und sagt: „Ich habe eine Gänsehaut.“ Viele Cruiser kennen Kim – die kleine Schwester von Kai Seeger, der dem Henstedt-Ulzburger Cruiser-Club Team Riderz North (TRN) angehört und die Szene um Unterstützung gebeten hat. Auch die Freiwillige Feuerwehr Quickborn unterstützt die Aktion auf dem Real-Parkplatz. Kims Freund ist Feuerwehrmann und arbeitet eng mit ihrem Bruder Kai zusammen.

Kim Seeger ist an Leukämie erkrankt
Kim Seeger ist an Leukämie erkrankt © Kai Seeger | Kai Seeger

Über die sozialen Netzwerke im Internet erfährt Kim in ihrem Krankenbett im UKE alle Neuigkeiten. Seit kurz nach Ostern wird sie dort behandelt. Schon einmal haben sie und ihre Familie das zermürbende Auf und Ab, das Hoffen und Bangen der Krankheit durchlitten: Im Alter von elf Jahren erkrankte Kim an Knochenmarkkrebs in der Hüfte und musste ein Jahr lang stationär im UKE mit 29 Chemotherapien behandelt werden, bis sie wieder gesund war.

Mehr als 9000 Menschen liken Facebookseite

Noch ist offen, wie Kim diesmal geheilt werden kann. „Es gibt drei Möglichkeiten“, sagt ihre Mutter. „Leichte Chemotherapie, schwere Chemotherapie oder eine Transplantation.“

„Für uns als Familie ist das alles sehr schwer“, sagt Kims 15-jährige Schwester Nina. Sie ist

An den Kran eines Abschleppwagens wurde ein Plakat mit dem Porträt von Kim montiert
An den Kran eines Abschleppwagens wurde ein Plakat mit dem Porträt von Kim montiert © Wolfgang Klietz | Wolfgang Klietz

begeistert, dass ihr Bruder, der TRN und die Feuerwehr seit vier Wochen so intensiv für „Kim möchte leben“ arbeiten. Bislang hatte sie kaum Kontakt zu den Cruisern, jetzt hilft der Club ihr in schweren Stunden weiter: „Die Jungs kümmern sich sehr um mich.“ Auch die Kontakte über Facebook tun Kim und der Familie gut, sagt Nina. Zur Gemeinschaft von „Kim möchte leben“ gehören inzwischen mehr als 9150 Follower.

Am späten Abend beginnt im Henstedt-Ulzburger Gewerbegebiet ein weitere Veranstaltung für Kim. In der Diskothek Joy heißt das Motto „Tanzen gegen den Krebs“.

Joy-Geschäftsführer Joel Claussen kennt Kim von den Partys in seiner Disco, und er hat sie auch vor wenigen Tagen im Krankenhaus in Hamburg besucht. 90 Minuten sprach er am Krankenbett mit dem Mädchen und ihren Eltern. „Sie war guter Stimmung“, sagt Claussen. „Aber körperlich ist sie geschwächt.“

Kim kann die Party live auf dem Tablet verfolgen

Die Party im Joy kann Kim live auf einem Tablet beobachten, das Claussen ihr mitgebracht hatte. Auf das Gerät werden sämtliche Aufnahmen der Kameras im Joy übertragen.

Joey Claussen, Geschäftsführer der Diskothek Joy, spendete einen Teil der Einnahmen
Joey Claussen, Geschäftsführer der Diskothek Joy, spendete einen Teil der Einnahmen © Wolfgang Klietz | Wolfgang Klietz

Claussen spendet einen Teil der Eintrittsgelder der fast 300 Gäste, die bis zum frühen Morgen in der Diskothek feiern. Außerdem hat er Spendendosen aufgestellt. Auch ein Preisaufschlag auf mehrere Getränke kommt in den Spendentopf. Diese Einnahmen sollen Kims Familie direkt zugutekommen. „Sie sind sehr eingespannt und kommen im Moment nur wenig zum arbeiten“, sagt Claussen.

Kims Schwester Nina kann das Engagement so vieler Menschen für ihre Schwester kaum fassen. Eines steht für sie fest: „Ich weiß, dass Kim siegen wird.“

Für die Aktion „Kim möchte leben“ sind in den kommenden Wochen weitere Veranstaltungen geplant: Bei der Freiwilligen Feuerwehr Henstedt-Ulzburg beginnt am Sonntag, 1. Mai, um 11 Uhr eine Typisierungsaktion der DKMS. Die Aktion dauert bis 16 Uhr. Treffpunkt ist die Wache an der Maurepasstraße 28.Für Sonnabend, 30. April, ist von 10 bis 16 Uhr eine weitere Typisierung bei BMW Stüdemann am Merkurring 116 in Hamburg geplant.