Kreis Segeberg. Viele Einsätze, hohe Belastung – die Gewerkschaft der Polizei fordert landesweit 600 zusätzliche Planstellen bis 2020. Das kostet allerdings.

An der Basis der Landespolizei rumort es gewaltig. Immer mehr Aufgaben bedeuten immer mehr Überstunden. Das führe zu Überlastung, Frust, Demotivation und hohem Krankenstand, fasst Sebastian Kratzert, Vorsitzender der Regionalgruppe der Gewerkschaft der Polizei (GdP) und Dienstgruppenleiter im Polizeirevier Elmshorn, die Stimmung unter den Kollegen zusammen. „Die Polizei steht vor einer Zerreißprobe.“

Darum forderte die GdP jetzt während einer Regionalkonferenz, dass bis 2020 landesweit zusätzlich 500 Polizeibeamte für den Vollzugsdienst und weitere 100 Planstellen für die Polizeiverwaltung eingestellt werden müssten. Finanziert werden solle dies über höhere Steuern oder eine Extra-Steuer für die Polizei, sagte GdP-Landesvorsitzender Manfred Börner. „Wenn es teuer wird, bitte ich die Bevölkerung zur Kasse. Das erwarte ich von der Landesregierung.“

Flüchtlingskrise binde viel Polizeiarbeit

Vor allem die komplette Organisation der Flüchtlingskrise, die die Polizeiverwaltung im Sommer 2015 von der völlig überforderten Ausländerbehörde übernommen habe, binde enorm viel Polizeiarbeit, sagte GdP-Regionalleiter Kratzert. 500 der insgesamt 7500 Beamten in Schleswig-Holstein, das 2015 etwa 50.000 Flüchtlinge aufgenommen hat, seien mittlerweile mit dieser Aufgabe betraut. Dazu kämen Sondereinsätze wie die G7-Gipfel in Lübeck und München, die Terrordrohung beim Länderspiel in Hannover, fremdenfeindliche Anschläge und Straftaten und eine steigende Zahl von Einbrüchen, Cyberkriminalität und Kinderpornografie.

„Und das alles on top zum normalen Grundrauschen.“ Durch den Abbau von zuletzt 122 Polizeistellen gebe es keine Reserven mehr. So wendeten die Beamten der Polizeidirektion Segeberg 2015 bei 123 Einsätzen 36.905 Stunden für Sondereinsätze auf, 2010 waren es 17.478 Stunden.

Früher habe es drei Hundertschaften für diese Sondereinsätze gegeben, sagt Peter Kroll, Leiter der Polizei in Barmstedt. Heute sei nur noch eine Hundertschaft vorhanden. „Jetzt sind wir praktisch überall im Einsatz, nicht nur in Schleswig-Holstein, sondern auch in Niedersachsen und Mecklenburg-Vorpommern“, sagt Kroll. Planbare Wochenenden gebe es für die Kollegen nicht mehr. „Die Belastungen haben deutlich zugenommen. Darunter leidet immer öfter das Familienleben.“ Die Folge dieser zum Teil Rund-um-die-Uhr-Belastung sei „der höchste Krankenstand bei der Polizei seit Jahren“, so GdP-Landeschef Börner.

Hohe Belastung wird andauern

Immerhin habe die Landesregierung die Zulagen für solche Einsätze zu ungünstigen Zeiten auf 3,50 Euro die Stunde verdoppelt. „Aber wir brauchen einen Plan der Landesregierung für mehr Polizeibeamte.“ Nur noch Baden-Württemberg gebe bundesweit weniger für die innere Sicherheit aus. 500 neue Stellen könnten sofort umgesetzt werden, ist Börner überzeugt. Neue Lehrerstellen würden ja jetzt auch geschaffen. Diese Mehrausgaben könnten über Steuern finanziert werden. „Wir wollen aber keinesfalls angelernte Hilfspolizisten, wie sie im Saarland und in Baden-Württemberg diskutiert werden.“ Eigentlich hätte der Innenminister Stefan Studt diese Forderung der Polizeigewerkschaft vor Ort kommentieren sollen. Doch er sagte aus Krankheitsgründen kurzfristig ab. So war es an Ministerialdirigent Jörg Muhlack aus dem Innenministerium, darauf einzugehen. Er zeigte Verständnis für die Polizeibeamten. „Diese hohe Belastung wird andauern und möglicherweise noch ansteigen“, sagte er. Niemand wisse, wie viele Flüchtlinge dieses Jahr hierherkämen. Die Landesregierung habe bereits Personal umverlagert zu Lasten der Verkehrsüberwachung und der Präventionsarbeit. Zudem gebe es tarifliche Verbesserungen und höhere Zulagen. Die Bürger müssten sich aber darauf einstellen, dass die Polizeiarbeit sich künftig auf Schwerpunkte konzentrieren müsse. Die Polizeiarbeit habe sich grundsätzlich gewandelt. Heute sei nicht an jeder Ecke ein Schutzmann notwendig. „Wer das fordert, muss wissen, dass das nicht 500, sondern 2400 neue Stellen bedeuten würde.“ Doch in diese Richtung denke die Opposition, deutete Axel Bernstein aus Wahlstedt an, innenpolitischer Sprecher der CDU im Landtag. „Wir wollen mehr Polizeipräsenz auf der Straße und mehr Ortsnähe.“ Kleine Dienststellen müssten erhalten bleiben. „Dafür brauchen wir 1200 zusätzliche Polizeistellen in den nächsten drei Wahlperioden“, sagte er. Er sei aber gegen Steuererhöhungen. Sie böten keine Gewähr, dass das Geld wirklich für innere Sicherheit ausgeben wird. „Wir haben kein Einnahmeproblem. Schleswig-Holstein hat nie so viele Steuern eingenommen wie heute.“