Norderstedt. Abendblatt-Kolumnist Jan Schröter erinnert sich an „Traumschiff“-Erfinder Wolfgang Rademann, der im Alter von 81 Jahren gestorben ist

Wolfgang Rademann begegnete ich erstmals vor 16 Jahren, anlässlich eines Planungsgespräches für einen Fernsehfilm. Als TV-Produzent war Rademann bereits eine Legende. Trotzdem kam ich in gebremster Erwartung zum Treffen. Als Drehbuchautor gehört es zum Berufsalltag, euphorischen Produzenten bei der Preisung grandioser Projekte zu lauschen, die später kommentarlos im Nichts versacken. Man futtert auf Spesen, hechelt die aktuellen Branchengerüchte durch und versichert sich gegenseitig, mit diesem geplanten, gemeinsamen Film garantiert sämtliche Preise abzuräumen. In der Folge dann, wie gesagt: In aller Regel nichts.

Diesmal war es anders. Wolfgang Rademann hatte seine Idee vom Film, und die wollte er besprechen, Punkt. Branchengeläster war dafür überflüssig, Filmpreise Nebensache. Er wusste, was er konnte. Und für die Menschen, die das konnten, was ihm fehlte (vielleicht auch bloß, weil er sich nicht damit beschäftigen wollte), besaß er feines Gespür. Und das Vertrauen, diese Menschen ihren Job erledigen zu lassen, ohne ständig dazwischen zu funken. „Sie schreiben das Buch, ich lese, wir besprechen es und fertig – uns quatscht niemand sonst rein“, beschied er mir. Und so wurde es dann tatsächlich auch durchgezogen. Nicht bloß dieses eine Mal.

Rademann empfing Regisseure und Autoren

Rademann war ein Arbeiter von außergewöhnlicher Kondition. Traf ich ihn zur Drehbuchbesprechung, saß er meist schon den ganzen Tag am selben Tisch im Hotel (in Hamburg: „Atlantic“, in Berlin: „Kempinski“) und empfing im Halbstundentakt Regisseure, Schauspieler, Autoren. Benötigte selbst als 80-Jähriger dabei kaum eine Pause, verlor nie den Faden, fand immer die richtigen Notizen. Und obwohl nach der halben Stunde garantiert schon der Nächste auf der Matte stand, fand sich stets auch die Zeit für ein paar persönliche Worte. Denn Rademann interessierte sich für die Menschen, mit denen er arbeitete. In seinem Umfeld fanden sich viele, die seit Jahrzehnten zur „Rademann-Welt“ gehörten. So unstet der Mann bezüglich seines Aufenthaltsortes lebte (Rademann war ständig irgendwo unterwegs, schlimmer als jeder Außenminister), desto größere Treue und Loyalität bewies er im Umgang mit Freunden, Künstlern, Mitarbeitern. Humor besaß er sowieso. Als ich mein erstes Drehbuch fürs legendäre „Traumschiff“ abgab, erkundigte ich mich vorsichtig, ob ich nicht vielleicht auch mal beim Dreh auf dem Dampfer mitfahren dürfte? Rademann grinste und berlinerte mein Anliegen ab: „Wat denn, als Autor haben Sie doch Fantasie – da jenüjen een paar Prospekte!“

Den Humor konnte ihm auch die Krankheit nicht rauben, zum Glück. Bei unserem letzten Treffen ging es ihm schon einige Zeit nicht gut, man sah es auch. Wir redeten über ein Drehbuch (Traumschiff „Kuba“, Drehbeginn nächsten Monat). Dann beschrieb er ein Erlebnis aus dem Frühjahr. Motivsuche in der Südsee. Er hatte ein wichtiges Medikament vergessen. Im fernen Deutschland wurde eine Studentin engagiert und mit den Pillen in den nächsten Flieger gesetzt. „Da steht det junge Ding am nächsten Tag bei uns uff de Tropeninsel und ruft in einer Tour überwältigt: Hier komm ick bestimmt nie wieda her! Hier komm ick nie wieda her!“ Und darüber lachte er von Herzen, ausgiebig und laut, obwohl es ihm sicher weh tat.

Mit Wolfgang Rademann ist einer der letzten Menschen gestorben, der mir noch Postkarten geschrieben hat. Das ist leider nicht das Einzige, was mir von ihm fehlen wird. Der kommt nämlich nie wieda her. Schade.