Norderstedt. Stadt und Sponsoren haben Angebot aufgelegt, das junge Migranten aus den Unterkünften holen und am kulturellen Leben beteiligen soll.
Raus aus den Unterkünften, rein ins neue Leben – nach diesem Motto haben die Stadt, die Kulturstiftung Norderstedt und der örtliche Rotary Club die Kulturkarte für junge Flüchtlinge aufgelegt, die ab 1. Februar in den Unterkünften verteilt wird. Asylbewerber bis einschließlich des 17. Lebensjahres können kostenlos Konzerte des Musikvereins und der städtischen Musikschule sowie das Stadt- und Feuerwehrmuseum besuchen, wenn sie ein Passfoto in die kleine Karte kleben.
Außerdem berechtigt die Plastikkarte dazu, an bestimmten Kursen teilzunehmen. Dafür hat das Willkommen-Team gemeinsam mit den Anbietern ein Programmheft in drei Sprachen erarbeitet. Auf Deutsch, Englisch und Arabisch erfahren die Jugendlichen, wie sie ihre Freizeit sinnvoll und gewinnbringend gestalten können.
Multikulturelles Fußballturnier für Toleranz
„Inzwischen leben 162 Kinder und Jugendliche in unseren Unterkünften, und die Zahl der Familien, die zu uns kommen, wächst“, sagt Susanne Martin vom Norderstedter Willkommen-Team. Die gehen zwar zur Schule oder lernen in speziellen Kursen des DaZ-Zentrums (Deutsch als Zweitsprache) Deutsch. „Doch sie haben kaum Privatsphäre und wenig Möglichkeiten, sich zum Lernen zurückzuziehen. Da ist es gut, wenn sie Alternativen haben, die einen Einblick in unsere Kultur vermitteln und zugleich die Integration fördern“, sagt Rüdiger George, Leiter der städtischen Musikschule. Die Stadt Norderstedt finanziert das kulturelle Angebot für die jungen Migranten mit 10.000 Euro in diesem und im nächsten Jahr. Die Rotarier steuern 2000 Euro bei, die Kulturstiftung hat 1500 Euro aus dem Erlös der Tombola des Opernballs zugesagt, und ein einzelner Spender, der anonym bleiben will, unterstützt den Start ins Norderstedter Kulturleben mit einer vierstelligen Summe.
Mit diesem Kapital haben die Initiatoren ein Paket mit 13 Angeboten geschnürt und dabei überwiegend auf schon bestehende Kurse zurückgegriffen. Artistik, Kochen, Kunst, Musik, Natur, Tanzen und Theater gehören zum Programm, das bis auf einen Kursus jungen Norderstedtern und jungen Flüchtlingen offensteht – Ziel ist, dass die Jugendlichen aus den Kriegs- und Krisengebieten Kontakte zu den Jugendlichen knüpfen, die hier leben. Zudem verbessern sich bei den gemeinsamen Aktivitäten auch die Deutschkenntnisse.
Wer Handstand und Flick-Flack lernen, den Hula-Hop-Reifen gekonnt kreisen lassen oder mit Bällen jonglieren will, sollte sich bei der Artistenschule anmelden. Der ehemalige Zirkusartist Abdeslam Kourchi wird mit den Jugendlichen Kraft, Beweglichkeit und Geschicklichkeit trainieren und mit ihnen menschliche Pyramiden bauen. „Außerdem spricht er Arabisch, ein weiterer Vorteil“, sagt Susanne Martin. Möglicherweise werden die Nachwuchsartisten ihr Können zeigen, wenn es beim Kulturzirkus im Juli im Stadtpark heißt „Manege frei“. Die Artistenschule öffnet am Montag, 1. Februar, für die Sechs- bis Elfjährigen von 15.30 bis 16.30 Uhr, für die Älteren von 16.30 bis 18 Uhr im Musikschul-Kubus am Eingang zum Stadtpark. Im Stadtmuseum kochen die Teilnehmer das typisch deutsche Gericht „Himmel und Erde“, rund um die Kunst geht es im Kunsthaus Glashütte, ein ganzes Wochenende können die Jugendlichen in die Welt afro-brasilianischer Rhythmen eintauchen oder sich beim kreativen Kindertanz/Hip-Hopp/Streetdance austoben.
Speziell an junge Flüchtlinge wendet sich der Kursus „Grünzeug: Deutsch lernen in der Natur“, in dem die Teilnehmer von März bis Oktober in zwei Hochbeeten gärtnern und nebenbei ihr Deutsch verbessern. Wer fleißig Einträge in seiner Kulturkarte sammelt, wird, so Rüdiger Martin, mit einer kleinen Überraschung belohnt. „Was wir noch brauchen, sind Kümmerer – Menschen, die die jungen Flüchtlinge in den Unterkünften abholen und zu den Kursen begleiten“, sagt Susanne Martin; denn: Die Hemmschwelle, ohne die Familie rauszugehen, sei oft groß – zumal, wenn die Menschen durch Krieg oder Flucht traumatisiert sind. Solche Angebote hätten bei den Asylsuchenden oft keine Priorität, zudem setze „eine gewisse Lethargie ein“, wenn sie länger in den Unterkünften leben. Wer als Kulturpate fungieren will, braucht Zeit und Lust, denen zu helfen, die hier Schutz suchen. Kulturkarte und Kulturprogramm sind, so Susanne Martin, der erste Baustein. Das Willkommen-Team möchte eine multikulturelle Rock-Pop-Gruppe und einen Chor ins Leben rufen. Das DaZ-Zentrum plane ebenfalls Kreativangebote.
Wer junge Flüchtlinge ins Kulturleben begleiten möchte, meldet sich beim Willkommen-Team unter 040/63 86 12 61 und 0162/746 14 80 oder per E-Mail unter willkommen-team@norderstedt.de. Anmeldungen für die Kursangebote nimmt die Musikschule unter 040/53 59 51 64 und per E-Mail unter musikschule@norderstedt.de entgegen.