Norderstedt. So viele Flüchtlinge werden voraussichtlich Ende des Jahres in Norderstedt leben. Die Stadt sucht mit Hochdruck nach Standorten.

Das neue Jahr beginnt wie das alte Jahr endete“, sagt Sozialdezernentin Anette Reinders. „Wir müssen schauen, dass wir die Unterbringung und Betreuung der Flüchtlinge bewältigen.“ Auf ihrem Schreibtisch versucht sie im Wust der Listen über die angekommenen und zu erwartenden Flüchtlinge, über die im Bau befindlichen und zukünftig dringend nötigen Unterkünfte den Überblick zu behalten. „Und es ist ja nicht so, dass wir nicht auch noch ein paar andere Aufgaben hier hätten.“

Doch auch wenn die Flüchtlingszahlen nun im Winter leicht rückläufig sind, muss die Dezernentin weiter unter Hochdruck nach zusätzlichen Unterkunfts- und Betreuungskapazitäten Ausschau halten. Norderstedt hat im vergangenen Jahr 625 Menschen aus Krisengebieten aufgenommen – 150 weniger als es der Verteilungsschlüssel des Kreises verlangt. Diese Menschen kommen in diesem Jahr noch zu den über 600 neu zu erwartenden Flüchtlingen hinzu. Am Ende des Jahres 2016 werden also knapp 1400 Flüchtlinge in der Stadt leben. „Und die Kapazitäten reichen für die Unterbringung noch nicht aus“, sagt Anette Reinders.

Jedes verfügbare Grundstück, jedes leer stehende Bürogebäude kommt infrage

Maximal 1190 Schlafplätze stehen bei voller Auslastung der bestehenden und der bis Frühjahr neu aufgebauten Unterkünfte zur Verfügung. Maximal 220 Menschen können an der Lawaetzstraße wohnen, 100 am Harkshörner Weg, 50 am Kiefernkamp, 190 am Buchenweg, 160 Menschen in der Schule Fadens Tannen, 60 auf dem Feuerwehrgelände an der Stormarnstraße, 60 am Wilden Moor, 150 im umgebauten ehemaligen Verwaltungsgebäude der Firma Grace und 200 in den noch zu bauenden Holzhäusern am Müllberg an der Oadby-and-Wigston-Straße. An der Stormarnstraße würden als nächstes Unterkünfte entstehen. „Hier hat uns das Wetter aufgehalten“, sagt Anette Reinders. Danach würden Anfang März die Unterkünfte am Wilden Moor aufgestellt und die zusätzlichen Wohnhäuser am Buchenweg, Mitte März würden die Arbeiten für die Siedlung am Müllberg beginnen.

Bagger bereiten am Montag den Bau zusätzlicher Häuser für die Unterbringung von Flüchtlingen am Buchenweg vor
Bagger bereiten am Montag den Bau zusätzlicher Häuser für die Unterbringung von Flüchtlingen am Buchenweg vor © HA | Andreas Burgmayer

„Wir sind mit Hochdruck auf der Suche nach weiteren Standorten für den Bau von Unterkünften“, sagt Reinders. Auch der Umbau von leer stehenden Gebäuden sei nach wie vor ein Thema. Verwaltungsintern würden derzeit einige Projekte vorbereitet. Wichtig ist Reinders, die Kleinteiligkeit der Einrichtungen beizubehalten. „Natürlich gibt es auch in den bestehenden Unterkünften Konflikte. Doch nicht in dem großen Ausmaß, wie in den weitaus größeren Flüchtlingsheimen in anderen Städten“, sagt Reinders. Die Kleinteiligkeit sei ein Faktor für die in Norderstedt immer noch positive Grundstimmung gegenüber den Flüchtlingen. Der Bau möglichst kleiner Einrichtungen sei auch wichtiger als die Ausgewogenheit in der Verteilung der Unterkünfte über die Stadtteile, so Reinders. „Ich denke, wir werden kurzfristig eine Sondersitzung des Sozialausschusses ansetzen, um die nötigen Maßnahmen so schnell wie möglich auf den Weg zu bekommen“, sagt Reinders.

Die Betreuung der Flüchtlinge ist die andere große Herausforderung für die Stadt und die eingesetzten Träger. Die Arbeiterwohlfahrt kümmert sich mit 2,5 Stellen um die Einrichtungen im Norden (Lawaetzstraße, Harkshörner Weg, Kiefernkamp), die Diakonie mit drei Stellen um die Einrichtungen in Mitte und im Süden (Buchenweg, Fadens Tannen, Stormarnstraße, Wildes Moor) und die Caritas mit 2,5 Stellen um das Ex-Grace-Verwaltungsgebäude und die entstehende Einrichtung am Müllberg. Acht Betreuer also, die jeweils für 150 Menschen zuständig sind. Viel zu viele, wie die Awo schon mehrfach beteuert hat. 80 Menschen pro Betreuer seien anzustreben. Die Stadverwaltung sieht das anders. Durch die wertvolle Hilfe durch die etwa 300 Freiwilligen des Willkommen-Teams könne es bei 120 Menschen pro Betreuer bleiben. Dazu müssten Awo und Caritas je eine halbe und die Diakonie eine ganze Stelle mehr bekommen , insgesamt zehn Betreuerstellen also. Statt 480.000 Euro müssten dann etwa 600.000 Euro an Betreuungskosten bezahlt werden. Finanziert wird das über die vom Land bewilligte Betreuungspauschale von 2000 Euro je Flüchtling. „Von diesem Geld müssen wir alle Betreuungs- und Integrationskosten tragen, auch in den Folgejahren“, sagt Reinders. Bei 1400 erwarteten Flüchtlingen hätte Norderstedt 2,8 Millionen Euro zur Verfügung. „Damit kann man schon eine Menge anfangen“, sagt Reinders. Wie genau der künftige Betreuungsschlüssel in den Einrichtungen aussehen wird, darüber muss der Sozialausschuss noch abschließend beraten.

Wichtig sei es in diesem Jahr, den Flüchtlingen zunehmend Perspektiven in der Arbeitswelt aufzuzeigen. „Wir müssen gerade die jungen Männer in Ausbildungen bekommen. Dazu wollen wir enger mit der Arbeitsagentur und dem Berufsbildungszentrum zusammenarbeiten“, sagt Reinders. Größtes Hindernis sei nach wie vor die Sprache. Es bestehe hoher Bedarf an Sprachkursen, denn die Sprachkompetenz ist die Voraussetzung für die Aufnahme einer Ausbildung.

Die öffentliche Sitzung des Sozialausschusses beginnt am Donnerstag, 21. Januar, um 18.30 Uhr im Sitzungsraum 1 des Rathauses.