Itzstedt. Dank straffer Verwaltungsabläufe und kreativer Lösungen klappt die Unterbringung von Asylsuchenden im Amt Itzstedt.
Sie träumen von einem besseren, vor allem auch friedlichen Leben in Deutschland – und das gerne in einer Großstadt. Was viele Flüchtlinge nicht wissen: Die Bundesrepublik ist weitaus weniger urban als angenommen, sondern in vielen Regionen sehr ländlich geprägt. So wie im Amt Itzstedt mit seinen sieben Gemeinden. Das Amt weisteine Bevölkerungsdichte von 174 Einwohnern pro Quadratkilometer auf. Wenn Asylbewerber von einer der Erstaufnahmeeinrichtungen in ein Dorf umquartiert werden, ist das deswegen in den meisten Fällen zunächst ein herber Kulturschock.
Torge Sommerkorn kennt das von seiner täglichen Arbeit als Leiter des Ordnungsamtes in Itzstedt. Wie in jeder zuständigen Behörde sind auch hier die Anforderungen stark gestiegen – aber eben bisher auch bewältigt worden. „Momentan stehen wir verhältnismäßig gut da. Wir haben straffe Verwaltungsabläufe geschaffen. Aber es war eine enorme Kraftanstrengung. Leider mit Kollateralschäden, denn in dieser Abteilung mussten wir bei anderen Bereichen Abstriche machen“, sagt Sommerkorn. Gerade die Bearbeitungsdauer für andere Vorgänge habe gelitten.
Zum Jahreswechsel konnte er alle zugewiesenen Personen unterbringen, insgesamt waren es 216. Zum Vergleich: 2013 lag die Quote bei 38. Die Abteilung konnte diese Fälle quasi nebenbei mit erledigen, heute ist das anders. 16 Mitarbeiter gibt es im Ordnungsamt, einige sind ausschließlich mit der Immobiliensuche beschäftigt. Momentan hat die Verwaltung 65 Objekte angemietet – vor einem Jahr waren es nur 9. Darunter ist auch das Haus Adele, ein ehemaliges Seniorenwohnheim in Itzstedt mit Platz für 17 Personen, gerade einmal zwei Fußminuten von Sommerkorns Büro entfernt. „Das war unser erstes größeres Objekt. Hieraus konnten wir viele Erfahrungen gewinnen.“
Vier ehrenamtliche Helferkreise mit 80 Mitgliedern sind aktiv in Nahe, Seth, Sülfeld und Tangstedt. „Unser großes Plus ist, dass wir dem Ehrenamt von vornherein eine große Bedeutung zugewiesen haben“, so Torge Sommerkorn. „Niemand kann Flüchtlinge besser in der Nachbarschaft integrieren als die Nachbarn selbst.“
Parallel wurden drei halbe Stellen geschaffen für Kräfte, die Unterkünfte einrichten sollen, es ist sozusagen ein neuer Beruf, der „Außendienst Asyl“, entstanden. Dass hier bisher ausschließlich Frauen tätig sind, hat sich so ergeben, aber auch bewährt. Sommerkorn: „Sie haben einen anderen Blick auf die Dinge.“
Kreativität ist gefragt. Als das Amt kürzlich von der Auflösung des traditionsreichen Hotels Tomfort in Langenhorn erfuhr, wurden über eine Spedition zwei Lkw gemietet (siehe auch Artikel rechts). Alles, was irgendwie nützlich erschien, luden die Helfer ein. „Wir haben zwar viele Spender, gehen aber auch verwaltungsuntypische Wege“, sagt Sommerkorn.
Trotzdem mangelt es noch an Gerechtigkeit unter den Amtsgemeinden. Seth nimmt aktuell 87 Prozent mehr Menschen auf, als es gemessen an seiner Einwohnerzahl müsste. Das rund dreimal so große Tangstedt liegt dagegen bisher nur bei 43 Prozent. „Seth hat eine sinkende Einwohnerzahl und dadurch einen gewissen Leerstand. Deswegen waren wir in der Lage, dort viel zu akquirieren, es ist dort einfacher als in Tangstedt, Kayhude und Nahe“, sagt Torge Sommerkorn.
Zwei Großprojekte sollen Abhilfe schaffen. In Nahe wird für 1,576 Millionen ein Flüchtlingsheim im Gewerbegebiet Kronskamp entstehen, in Tangstedt verdoppelt die Gemeinde für 950.000 Euro ihre Anzahl an Schlichtwohnungen. An beiden Standorten könnten dann schon Ende 2016 zusammengezählt rund 100 Personen leben.
Sommerkorn rechnet damit, dass die Zahl der anerkannten Asylbewerber steigen wird – genauso wie die Zahl der Abschiebungen. Wer bleiben darf, benötigt aber trotzdem ein Dach über dem Kopf. Die Unterkunft in Nahe wird daher so konzipiert sein, dass die Wohnungen auch langfristig von Familien genutzt werden könnten.
Dennoch sind die Dörfer irgendwann an der Belastungsgrenze angekommen. Derzeit leben 230 Asylbewerber im Amt, dazu kommen 30 Anerkannte oder Obdachlose. „Wenn wir die Zahlen aus 2015 spiegeln, könnten wir das als Verwaltung nicht bewältigen“, warnt Torge Sommerkorn. „Nach jetziger Prognose sollen wir bis Ende 2016 330 Flüchtlinge aufgenommen haben. Aber es gab im letzten Jahr insgesamt neun verschiedene Prognosen.“