Bad Segeberg. Radfahren war Migrantinnen in ihrer Heimat verboten, in Bad Segeberg erfahren sie ein neues Lebensgefühl, das ihnen viel Spaß macht.

Die 24-jährige Syrerin Rawan strahlt: Einen Fahrradhelm hat sie über ihr Kopftuch gestülpt, ihre Augen leuchten und signalisieren den Stolz, mit dem sie auf ihrem Fahrrad sitzt und in der Turnhalle der Traveschule ihre Runden um den geschmückten Weihnachtsbaum dreht. Sie freut sich, dass ihr die Gelegenheit gegeben wurde, Fahrradfahren zu lernen; denn das ist Mädchen und Frauen in ihrem Heimatland verboten.

Seit Februar 2014 lebt Rawan in Bad Segeberg, nachdem sie dem Krieg in ihrem Heimatland entflohen ist. Hier genießt sie Freiheiten, die für sie alles andere als selbstverständlich sind. Fahrradfahren zu können ist eine solche Freiheit, denn einfach auf ein Rad zu steigen und von einem Ort zum anderen zu radeln, ist für Frauen wie Rawan in vielen islamischen Ländern undenkbar. Dass sie nun ihr Gleichgewicht halten kann, dass sie weiß, worauf es im Straßenverkehr ankommt, wie wichtig ein Fahrradhelm und gut sichtbare Kleidung sind, hat sie dem Kurs „Fahrradfahren für Frauen mit und ohne Migrationshintergrund“ zu verdanken.

Folgeprojekt geplant

Bereits vor Jahren hatte die Gleichstellungsbeauftragte der Stadt Bad Segeberg die Idee, einen Radfahrkursus für Migrantinnen ins Leben zu rufen.

Erst in diesem Jahr konnte der Plan dank der Unterstützung weiterer Kooperationspartner umgesetzt werden.

Jeweils 1,5 Stunden dauerten die acht Trainingseinheiten, die von den Frauen begeistert angenommen wurden.

Für das kommende Jahr ist ein Folgeprojekt geplant, für das bereits Sponsorengeld eingeworben werden konnte. Weitere Infos gibt die Stadt Bad Segeberg.

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Anlässlich des Programms „Soziale Südstadt“ hatte die Segeberger Gleichstellungsbeauftragte Beate Mönkedieck in Kooperation mit der Kreisverkehrswacht, der Traveschule, der Migrationsberatung und dem Quartiersmanagement das Fahrradprojekt für Migrantinnen initiiert. Finanzielle Mittel dafür gab es aus dem Verfügungsfonds des Programms.

„In ihren Herkunftsländern haben die Frauen kaum oder gar nicht die Möglichkeit gehabt, Fahrradfahren zu erlernen oder selber Fahrrad zu Fahren“, weiß Beate Mönkedieck, die sich mit Harald Poppe und Birgit Lehmann zwei Fachleute der Straßenverkehrswacht an die Seite geholt hatte, um den Frauen das nötige Rüstzeug für mehr Mobilität und damit auch mehr Freiheit an die Hand zu geben. Weitere ehrenamtliche Frauen unterstützen das Projekt. Manche übernahmen die Kinderbetreuung – andere, wie Sadaf Haschemi, 29, übersetzen die Anweisungen der Fahrradexperten. Sie selbst lebte in Kabul, bevor sie nach Deutschland kam. Gemeinsam mit ihrem Mann Erfan engagiert sie sich, anderen Frauen nach ihrer Flucht die Integration in Deutschland zu erleichtern.

„Durch den Kursus lernen die Frauen nicht nur Fahrradfahren. Der Kursus hilft auch, kulturelle und sprachliche Barrieren abzubauen und stärkt das Selbstbewusstsein der Frauen“, ist die Gleichstellungsbeauftragte überzeugt. Für die Frauen bedeutet das Fahrradfahren jedoch noch viel mehr. Sadaf Haschemi: „In Afghanistan, aber auch in Syrien und anderen Ländern waren überall Taliban oder die Leute vom IS. Die Frauen haben viel zu viel Angst gehabt, sich auf ein Rad zu setzen. Hier erleben sie eine neue Freiheit, die sie so nicht kannten.“