Die Fitzners aus Blunk haben zwei Jugendliche Flüchtlinge aus Eritrea aufgenommen und machen gute Erfahrungen damit.

Ihre Namen sind gleich, beide haben das gleiche Heimatland, beide hatten den gleichen Grund, um auf die Flucht zu gehen. Aber jeder hat seinen eigenen Lebens- und Fluchtweg. Erst im Kreis Segeberg haben sich ihre Wege gekreuzt, hat sie das Schicksal zusammengeführt: Filimon und Filimon, der eine 14, der andere 15 Jahre alt, stammen aus Eritrea und haben sich auf eine waghalsige Flucht begeben, weil sie der Zwangsmilitarisierung und damit einem drohenden Schicksal mit einer sehr unwägbaren Überlebenschance entgehen wollten. Der Kriegsdienst wird sie so schnell nicht wieder einholen: Die beiden Jugendlichen leben in völliger Abgeschiedenheit auf dem Resthof der Familie Fitzner weit ab vom Dorf Blunk in der Nähe von Bad Segeberg. Heike, 46, und Norman Fitzner, 47. haben sich entschlossen, den beiden jugendlichen Flüchtlingen, die ohne jeglichen familiären Anhang in Deutschland angekommen sind, ein vorübergehendes Zuhause zu geben.

Das Ehepaar ist damit einem Wunsch des Kreisjugendamtes zuvorgekommen: Das sucht, wie berichtet, Gastfamilien für unbegleitete minderjährige Flüchtlinge. Der Aufruf des Jugendamtes erfolgte erst in der vergangenen Woche, die Fitzners aber haben Filimon und Filimon bereits am 2. Oktober bei sich aufgenommen. Es war eine Entscheidung, die nach reiflicher Überlegung getroffen wurde. Einbezogen in den Überlegungsprozess waren natürlich auch die eigenen Kinder Lea, 18, die eine Ausbildung zur Altenpflegerin macht, sowie Malin, 16, und Janes, 11, die beide in Bad Segeberg zur Schule gehen.

Familie Fitzner hat schon früher Gastschüler bei sich aufgenommen

Der Prozess des Nachdenkens dauerte nicht lange: Schon dreimal hatte die Familie für jeweils ein Jahr Gastschüler aus dem Ausland beherbergt und jedes Mal waren die Erfahrungen gut. „Das Leben mit Jugendlichen aus anderen Ländern erweitert unseren Horizont und bereichert das Familienleben“, sagt Heike Fitzner, die in Bad Segeberg als medizinisch-technische Assistentin arbeitet. „Wir haben uns die weite Welt praktisch ins Haus geholt.“

Aus den USA, Finnland und Indonesien kamen die Gastschüler – jetzt also zwei pubertierende Jungs aus Eritrea. Beide sitzen mit am Esstisch in der Diele und verfolgen das Gespräch. Verstehen können sie kaum etwas. Einzelne Worte vielleicht, mehr noch nicht. Sie machen einen ruhigen und aufgeschlossenen Eindruck, kommunizieren mit Gesten, lachen mit den Gastgeschwistern, streicheln die beiden Hunde Fips und Katy, die ebenso zur Familie gehören wie zwei Schweine, die nicht zum Schlachten gehalten werden, vier Pferde, Hühner, Meerschweine und Wellensittiche. Außerdem gibt es da noch die Bienenvölker. Ländlicher geht es kaum.

Der eine Filimon, der älterere von beiden, sei ruhiger, der andere lebhafter, sagt Vater Norman, der als Auslieferer für Möbel Kraft tätigt ist und den Liefer-Lkw abends mit nach Hause nehmen kann. Für jeden steht ein Zimmer zur Verfügung, aber Filimon und Filimon haben sich entschlossen, zusammen in einem Zimmer zu übernachten. So kann das Heimweh ein wenig gemildert werden. Der eine von beiden hat in Eritrea zusammen mit seiner Mutter und sechs Geschwistern gelebt, der Vater ist verstorben. Filimon gelang die Flucht über Äthiopien, Sudan, Libyen und Italien nach Deutschland. Ein Jahr war er unterwegs, bevor er im Aufnahmelager Boostedt einquartiert wurde. Die Brüder sind noch unterwegs, werden aber, so hofft der ältere der beiden Filimons, bald auch eintreffen.

Die beiden Jugendlichen helfen vorbildlich im Haushalt mit

Der jüngere Filimon ist zusammen mit seiner Mutter auf die Flucht gegangen. Der Vater und der Bruder blieben zunächst in der Heimat. Aus Geldmangel aber musste die Mutter ihre Flucht im Sudan unterbrechen. Sie schickte ihren Filimon allein weiter, blieb aber bis heute per Handy im Kontakt mit ihm. Zum Vater und zum Bruder gibt es derzeit keinen Kontakt. Er hoffe, dass die Mutter bald nachkommen werde, sagt Filimon. Die Wörter kommen einzeln, den ganzen Satz müssen sich die Gesprächspartner zusammenstellen. Denn noch beherrschen sie die deutsche Sprache eher rudimentär. „Sie machen aber Fortschritte“, sagt Heike Fitzner, die sich hauptsächlich noch per Handzeichen mit ihren beiden Jungs verständigt. Beide Filimons besuchen die Gemeinschaftschule am Burgfeld in Bad Segeberg und lernen dort in einer Klasse, die extra für Flüchtlinge zusammengestellt wurde, die deutsche Sprache. Zur Schule fahren sie mit dem Bus, die Haltestelle liegt etwa zwei Kilometer vom Resthof der Fitzners entfernt an der Kreisstraße, die nach Blunk führt. Über einen asphaltierten Wirtschaftsweg gehen sie zu Fuß zur Haltestelle und zurück. Für die Aktivitäten am Nachmittag steht Heike Fitzner zur Verfügung: Sie fährt den einen Filimon zum Fußballtraining, den anderen zu seinem Keyboardunterricht, beides in Bad Segeberg.

Wie gestaltet sich das Zusammenleben mit zwei Jugendlichen, die aus einer völlig anderen Kultur stammen? Das Ehepaar Fitzner winkt ab. Das sei überhaupt kein Problem. In Sachen Haushaltshilfe sind die beiden sogar vorbildlich: Geschirrspüler ein- und ausräumen, auftragen, abtragen – kein Problem. Sie seien höflich, nett, ruhig und sehr sauber. Sogar der Staubsauber werde regelmäßig in die Hand genommen. „Es sind fast normale Jugendliche“, sagt Heike Fitzner, die sich freut, dass sich ihre Kinder mit den beiden Gastkindern sehr gut verstehen. „Zusammen lachen die beiden Filimons sehr viel.“ Alle zusammen sitzen oft am Tisch und spielen, auch gemeinsames Fernsehen steht auf dem Familienplan. Reiten dürfen die beiden natürlich auch.

700 Euro bekommen die Fitzners pro Filimon für ihre Bereitschaft, sie in ihre Familie aufzunehmen. Unterstützung finden sie beim Kreisjugendamt, mit dem es einen regen Austausch gibt. „Wir fühlen uns eigentlich gut betreut.“ Für den einen Filimon gibt es bereits einen vom Amt bestellten Vormund, der andere wird auch bald einen bekommen.

Wer unbegleitete minderjährige Flüchtlinge aus Syrien, Afghanistan oder Eritrea aufnehmen will, bekommt Informationen beim Kreisjugendamt unter Telefon 04551/951 600. Schriftliche Bewerbungen sind per E-Mail an jugend@kreis-se.de möglich, per Post an Kreis Segeberg, Hamburger Straße 30,
23795 Bad Segeberg.