Norderstedt. Das Norderstedter Schöffengericht verurteilt den 36-jährigen Handelsvertreter wegen Veruntreuung zu einer Freiheitsstrafe.

Amir J. umgab sich mit schönen Dingen: Perlen, von seinem damaligen Norderstedter Arbeitgeber „Di Perle“ als „Juwelen der Natur“ bezeichnet, waren sein Metier. Mit ihnen handelte er, aber sein Gemüt konnten auch die schönsten Zuchtperlen und aus ihnen gefertigte Armbänder, Halsketten und Colliers nicht aufhellen. Der in Sri Lanka gebürtige Mann mit deutschem Pass litt an Depressionen, die er am besten mit Pokerspielen überwinden konnte. Weil er dafür Geld benötigte, behielt der selbstständige Handelsvertreter den Erlös aus dem Schmuckverkauf für sich. Da die Firma, für die er den Perlenschmuck in England verkaufte, ihren Sitz in Norderstedt hat, musste sich der Krefelder vor dem Schöffengericht Norderstedt wegen Untreue verantworten.

Für den 36 Jahre alten Amir J. war es ein ewiger Kreislauf, aus dem es für ihn aus eigener Kraft offenbar kein Entrinnen gab. Immer häufiger ging es ihm schlecht. Er schloss sich in sein Zimmer ein, war für niemanden zu sprechen und kam nur heraus, um in Spielcasinos zu pokern.

Das war vor zwei Jahren in England, wo er damals lebte und für seinen Auftraggeber „Di Perle“ die Schmuckstücke für ein vereinbartes Monatshonorar von 2500 Euro veräußern sollte. In 16 Fällen behielt er die Einnahmen für sich. Nach dem Ende seiner Tätigkeit gab er auch die verbliebenen Schmuckstücke und Kreditkarten nicht zurück. Der Firma entstand dadurch ein Schaden von rund 56.000 Euro. Beim Finanzamt liefen zusätzlich 4000 Euro Steuerschulden auf.

Dem Angeklagten war klar, dass er sich nicht richtig verhielt – auch als er sich an den Spieltisch setzte, wusste der gelernte Bankkaufmann, dass es ein Fehler war. Aber er konnte nicht anders. „Wenn ich deprimiert war, habe ich vollkommen dicht gemacht, dann brauchte ich das Pokern zum Ablenken.“ Er war spielsüchtig, gibt er vor Gericht zu.

Amir J., der in Krefeld sein Abitur machte und noch heute bei seinen Eltern lebt, lässt vor Gericht keine Zweifel aufkommen, dass er sich schuldig fühlt. Er macht einen zerknirschten Eindruck, gibt sich zurückhaltend und ist sehr gesprächig. Sein jetziger Arbeitgeber, so erklärt er, wisse von seiner damaligen Tat und sei bereit, ihn auch dann weiterzubeschäftigen, wenn er verurteilt werde – allerdings nur dann, wenn die Strafe zur Bewährung ausgesetzt werde. Der Angeklagte ist inzwischen im Management eines holländischen Unternehmens tätig, verdient 1600 Euro netto im Monat, bekommt zusätzlich 10.000 Euro Bonuszahlung im Jahr, muss aber 470 Euro monatlich als Wiedergutmachung an das Norderstedter Schmuckunternehmen zahlen. Dazu wurde er bereits in einem Zivilprozess in Abwesenheit verurteilt.

Ob er seine persönlichen Probleme jetzt im Griff habe, will Richterin Dagmar Goraj wissen. Amir J. nickt: „Ich bin dabei, Karriere zu machen, deshalb reiße ich mich zusammen.“ Früher sei er nicht zur Arbeit gegangen, wenn es ihm schlecht gegangen sei. Heute reiße er sich zusammen.

Der ebenfalls aus Krefeld angereiste Pflichtverteidiger weist auf die seiner Ansicht nach schlechte Kommunikation zwischen seinem Mandanten und dem Norderstedter Arbeitgeber hin und plädiert für eine „milde“ Straße. Die Staatsanwältin hält dem Angeklagten zugute, dass er nicht vorbestraft und zudem geständig sei. Sie plädiert für ein Jahr und sechs Monate Freiheitsstrafe auf Bewährung.

Das Schöffengericht verhängt schließlich eine Freiheitsstrafe von einem Jahr und vier Monaten mit einer zweijährigen Bewährungszeit. Die erhebliche psychische Belastung habe sich auf Amir J. nachteilig ausgewirkt. „Sie müssen an den Kern des Problems heran“, sagt Richterin Dagmar Goraj, die dem Verurteilten die Auflage macht, eine Therapie zu beginnen. Ein Bewährungshelfer soll das Erfüllen der Auflage überwachen.