Henstedt-Ulzburg. Weil sie ihre beiden Kinder jahrelang schwer misshandelt hat, wird eine Mutter zu einer Bewährungsstrafe von zehn Monaten verurteilt.
Jahrelang quälte eine Mutter aus Henstedt-Ulzburg ihre beiden heute elf und 13 Jahre alten Töchter mit Schlägen, Tritten, kräftigem Ziehen an den Haaren oder den Ohren. Sie schubste die Kinder gegen Wände und Möbel und schreckte auch vor anderen Gewalttätigkeiten nicht zurück.
Dafür erhielt Cordula A. (Name geändert) nun als Angeklagte in einem Jugendschutzverfahren vor dem Amtsgericht in Norderstedt die Quittung: Jugendrichterin Claudia Naumann verurteilte die bisher nicht vorbestrafte 41-Jährige, die in einer Arztpraxis arbeitet, wegen Misshandlung von Schutzbefohlenen, gefährlicher Körperverletzung und Freiheitsberaubung zu einer Freiheitsstrafe von zehn Monaten auf Bewährung.
Gegenstand des Strafverfahrens waren sieben gravierende Tätlichkeiten, insgesamt soll die Henstedt-Ulzburgerin ihre Kinder aber deutlich häufiger misshandelt haben. Nachdem die Richterin die Anklage vorgelesen hatte, erklärte die Beschuldigte trotzig: „Ja, das stimmt alles so, nur getreten habe ich nie.“
Ältere Tochter musste viel Grausamkeit ertragen
Bei der jüngeren der beiden Töchter ging es hauptsächlich um einen Vorfall aus dem April 2014. Die Mutter riss das Kind aus dem Bett, warf es zu Boden und zerrte an den Haaren. Die Ältere musste wesentlich mehr Grausamkeiten und Brutalitäten erleiden, wurde von der Mutter sogar mehrmals auf den Boden geworfen und gewürgt, wie die Tochter einer Polizistin erzählte.
Beide Kinder vertrauten sich im Sommer 2014 ihrem leiblichen, inzwischen neu verheirateten Vater an, der das Jugendamt und die Polizei einschaltete. Die Kinder leben nun beim Vater, die ältere Tochter allerdings nur am Wochenende, da sie ein Internat besucht, wo sie wegen einer posttraumatischen Belastungsstörung und diverser Ängste therapiert wird.
Laut Anklage erhielt das ältere Mädchen häufig aus nichtigen Anlässen brutale Schläge: Im Jahr 2012, der Zeitpunkt lässt sich nicht mehr genau bestimmen, schlug ihr die Mutter wegen vergossener Milch so heftig auf die Nase, dass sie blutete. Im Urlaub in Griechenland im Sommer 2013 warf die Angeklagte ihrer Tochter ein Buch auf die Nase, wieder mit dem Ergebnis, dass sie blutete. Im Winter 2013 bewarf die Angeklagte ihre Tochter mit Büromaterialien wie Büchern, Stiften, Aktenordnern und traf sie mit einer Blechdose schmerzhaft am Kopf. Außerdem trat sie der Tochter zu verschiedenen Gelegenheiten gegen den Brustkorb.
Kind musste in einen Blumentopf urinieren
Im Juli 2014 riss die Angeklagte im Streit heftig an den Haaren der Tochter, warf das Kind an die Wand des Kinderzimmers und schloss es dann über Stunden im Zimmer ein – ohne Essen und die Möglichkeit, auf die Toilette zu gehen. In seiner Not urinierte das Mädchen in einen Blumentopf.
Nachdem die Angeklagte zunächst nicht Stellung zu den Gründen ihres Verhaltens nehmen wollte, gelang es der Richterin mit geschickten Fragen, die brutale Mutter aus der Reserve zu locken. Von Weinkrämpfen geschüttelt, erzählte sie, wie sie im Kinderzimmer ausrastete: „Ich griff mir alles, was herumlag, Ranzen, Ordner, Bücher, Stifte und warf es durch die Gegend, wobei ich auch das Kind traf“. Die Tochter habe sich auf ihr Bett geflüchtet, die Arme schützend vor ihren Körper gehalten und gefleht: „Mama, hör auf.“
Sie sei dann zur Besinnung gekommen und habe gemeinsam mit der Tochter aufgeräumt. Beide Kinder gaben bei ihrer polizeilichen Vernehmung an, wiederholt unter Todesängsten gelitten zu haben, wenn ihre Mutter derartige Wutanfälle bekam.
Die Richterin konfrontierte die weinende Angeklagte mit weiteren Vorfällen, die die Kinder gegenüber der Polizei geschildert hatten. So warf die Angeklagte ihre Töchter, weil sie sich gestritten hatten, an einem Herbstabend im Nachthemd und barfuß vor die Haustür. Dort mussten sie nach eigenen Angaben circa eine Stunde frierend ausharren, bis die Mutter sie hereinholte.
Tochter wurde als „fette Sau“ beschimpft
Die jüngere Tochter wurde wegen ihrer Leibesfülle mehrmals von der Angeklagten und deren Lebensgefährten als „fette Sau“ beschimpft. Ihren Kindern erzählte die Beschuldigte immer wieder, dass es normal sei, dass Eltern ihre Kinder schlagen. Die Angeklagte, die beteuert, wie sehr sie die Kinder liebe und vermisse, zitiert ihre ältere Tochter, die eines Tages gesagt habe: „Mama, ich habe dir so viele Chancen gegeben, damit du aufhörst, mich zu schlagen.“ Erschüttert verliest die Richterin aus dem Polizeiprotokoll die Frage einer Polizistin: „Meinst du, dass es deiner Mama leidtut?“ Die Antwort der Tochter lautete: „Nein, sie hat sogar gelacht.“
Nach Auskunft der Angeklagten bekam ihr Lebensgefährte nur im Urlaub den einen Vorfall mit und habe versucht, sie zu beruhigen. Sonst sei sie meistens allein mit den Kindern gewesen, der Mann beruflich unterwegs. Sie habe immer gearbeitet und sei spät zu Hause gewesen. Ihre Mutter habe die beiden Kinder an den Nachmittagen gehütet.
„Ich war so überfordert“, brach es aus der Frau heraus, „ich wollte alles perfekt machen, aber es wurde das Gegenteil.“ Die Richterin rechnete der Angeklagten nicht nur ihr Geständnis hoch an, denn das ersparte ihren Töchtern die Zeugenaussagen vor Gericht. Auch dass die Frau, die nach eigenen Angaben selbst Gewalt in ihrer Kindheit erfuhr, mit einer Therapie an sich arbeitet, wurde ihr zugutegehalten.
Ihre Töchter hat die Henstedt-Ulzburgerin seit mehr als einem Jahr nicht mehr gesehen, obwohl sie ihnen einen Brief schrieb, in dem sie sich bei ihren Kindern für die Brutalität und die Misshandlungen entschuldigte.
Die Kinder wollen die Mutter dennoch nicht sehen. Strafverschärfend wirkte nach Ansicht der Norderstedter Richterin, dass besonders die ältere Tochter durch die Gewalttaten der Mutter gravierende Schäden davongetragen hat.
Neben einer zweijährigen Bewährungsfrist wird der Angeklagten auferlegt, 1000 Euro an den Kinderschutzbund zu zahlen.