Norderstedt. Radstation in Norderstedt-Mitte hat mit dem Probebetrieb begonnen. 450 kostenpflichtige Stellplätze und eine Fahrradwerkstatt.

Alexander Ditz ist am Freitag gerade dabei, Radreifen in allen gängigen Zoll-Maßen auf die Bügel an der Wand zu hängen, als die Norderstedterin Marie-Pierre Ficheux in die Werkstatt der Radstation tritt. „Ich wollte mein Rad abholen. Ist es fertig?“ Zweiradmechaniker Ditz zeigt auf die halb ausgepackten Kartons mit Reifen. „Die sind gerade erst gekommen. Vorher konnte ich ihren Reifen nicht reparieren. Aber wenn Sie in einer halben Stunde wieder da sind, ist das Rad fertig.“

Das Radhaus neben dem Rathaus ist im Probebetrieb. Die Norderstedter haben sich an der Glasfront des Gebäudes bereits die Nasen platt gedrückt. Jetzt stehen die ersten Räder in den Stahlbügeln im Inneren des Hauses. 450 Räder haben auf zwei Etagen Platz. „Momentan sind wir relativ euphorisch, was den Markt für die Norderstedter Radstation angeht“, sagt Andreas Pehlgrim, der die Station für den Betreiber, die Arbeiterwohlfahrt Hamburg Dienste GmbH, leitet. „Wir sind ohne Ankündigung in den Probebetrieb gegangen. Und jetzt haben wir bereits 16 Verträge mit Norderstedtern abgeschlossen.“

Sicher, trocken, frei von Taubenkot

Vierzehn Radler haben gleich eine Jahreskarte für das in Norddeutschland bislang einzigartige Fahrrad-Parkhaus gekauft. Für 70 Euro Jahresgebühr können die Radler nun ihre Räder in der Radstation auf Stahlbügeln lagern. Trocken und per Kamera überwacht – Vandalismus, Diebstahl und Taubenkot auf dem Sattel sind ausgeschlossen. Zwei der ersten Kunden haben sich für eine Prepaid-Karte entschieden, auf die man beliebig Guthaben speichern kann. Wer will, kann sein Rad auch einfach nur einen Tag lang in der Radstation abgeben. Das kostet lediglich 70 Cent.

450 Stellplätze in zwei Etagen bietet die Radstation in Norderstedt Mitte. Die Räder werden übereinander auf Stahlbügeln gelagert
450 Stellplätze in zwei Etagen bietet die Radstation in Norderstedt Mitte. Die Räder werden übereinander auf Stahlbügeln gelagert © HA | Andreas Burgmayer

Marie-Pierre Ficheux kehrt nach eine halben Stunde zurück. Alexander Ditz hatte zuvor das Rad der Norderstedterin in der kleinen Werkstatt der Radstation fachgerecht repariert. Der Schlauch des Hinterrades hatte ein Loch und wurde ersetzt. „Ich finde 99 Prozent aller Löcher in den Schläuchen“, sagt Ditz. Beim Montieren fiel Ditz auch auf, dass die 8-Gang-Schaltung des Rades völlig verstellt war und regelte auch das: 21,90 Euro kostete der Service komplett. Abgerechnet wird nach den Vorgaben des Verbandes des deutschen Zweiradhandles (VDZ). „Die Werkstatt mitten in Norderstedt finde ich hervorragend“, sagt Ficheux. „Ich bin viel mit dem Rad in der Stadt unterwegs und hatte bislang alle Reparaturen selbst gemacht.“

Andreas Pehlgrim ist überzeugt, dass die Werkstatt der Norderstedter Radstation bald genauso brummen wird wie die der Radstation in Hamburg-Bergedorf. Dort betreibt die Awo seit 2012 eine Station mit 500 Stellplätzen, 300 davon (60 Prozent) sind fest vermietet, die Werkstatt ist zu 100 Prozent ausgelastet und beschäftigt zwei Fach- und zwei Hilfskräfte. „In Norderstedt haben wir mit Alexander Ditz und Pierre Schmidt zwei Gesellen fest angestellt. Wenn wir im Februar in den Vollbetrieb gehen, werden wir zwei Stellen für Hilfskräfte schaffen“, sagt Pehlgrim. Das ist die Zielsetzung der Awo-Tochtergesellschaft: Jobs für Menschen zu schaffen, die Pech im Leben hatten oder aus anderen Gründen benachteiligt sind. Langzeitarbeitslose, Menschen mit Behinderungen oder Handicaps finden hier eine Chance.

Ab Frühjahr gibt es auch E-Bikes zur Miete

"Ich spüre 99 Prozent aller Löcher im Schlauch auf", sagt der Zweiradmechaniker Alexander Ditz © HA | Andreas Burgmayer

In der Radstation werden auch alle gängigen Zubehörteile rund ums Fahrrad verkauft, also Schlösser in allen Qualitäten, Schläuche, Reifen oder Ventile. Mit dem Start der Radsaison im kommenden Jahr wird die Station auch Leihräder anbieten, darunter zehn E-Bikes. „Räder verkaufen werden wir nicht. Wir wollen da niemandem auf die Füße treten“, sagt Pehlgrim. Die Reparaturwerkstatt sieht er nicht als Konkurrenz zum Fahrradhandel in der Stadt, sondern als Ergänzung. „Werkstattleistungen spielen dort keine Hauptrolle. Und wir können das ohne lange Wartezeiten erledigen.“

So werden Sie Kunde

Die Radstation liegt über der U-Bahn-Station Norderstedt-Mitte am Jörg-Peter-Hahn-Platz (Zufahrt über die Rathausallee).

Geöffnet ist sie montags bis freitags von 7 bis 18 Uhr. Ab kommendem Jahr ist auch der Betrieb am Wochenende geplant.

Wer sein Rad parken will, muss sich unter Vorlage des Personalausweises anmelden. Kunden erhalten dann eine Chipkarte, mit der sich die Tür des Parkhauses jederzeit öffnen lässt.

Kraft braucht man, um sein Rad auf die obere Reihe der Stahlbügel zu hieven. Die meisten Stellplätze befinden sich im 1. Stock. Eine Treppe führt nach oben, das Rad wird auf einer Schiene entlang der Treppe mitgeschoben.

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Pehlgrim bezeichnet das für 1,8 Millionen Euro von der Stadt Norderstedt gebaute Radhaus als wegweisend und ein Aushängeschild für Norderstedt. „Das ist schon außergewöhnlich, wie diese Stadt im Vergleich zu anderen Kommunen den Radverkehr fördert.“ Außergewöhnlich ist allerdings auch, dass es jetzt kostenpflichtige Radstellplätze in Norderstedt-Mitte gibt, gleichzeitig aber nach wie vor kostenlose Tiefgaragenstellplätze für alle Autofahrer. Die Fraktion der Grünen in der Stadtvertretung hat bereits angekündigt, das Thema Parkraumbewirtschaftung auf dem schnellsten Weg auf die politische Agenda zu setzen.