Norderstedt. Konzerte, Kneipe, Kochen und politische Kultur – für das alles und noch mehr steht seit 20 Jahren das Soziale Zentrum.

Manchmal nimmt sich Anna-Louise Zehl, Pressesprecherin des Sozialen Zentrum e.V., ein Taxi, um in das etwas abgelegene Veranstaltungszentrum des Vereins in der Straße In den Tarpen zu kommen. Nicht selten wird sie von den Fahrern ausgefragt, was denn das SZ überhaupt sei. Dabei gibt es den Verein nun bereits seit fast 20 Jahren (siehe Artikel unten). Seit 2010 ist Anna-Louise Zehl dabei. Sie kümmert sich vor allem um Website, Flyer und Facebook, steht bei den regelmäßigen Kneipenabenden aber auch gern selbst hinterm Tresen des SZ.

Randi Richter, 36, und Tobias Ramert sind hingegen fast Urgesteine des Vereins. Richter wurde jüngst in den Vorstand gewählt und kümmert sich um die finanziellen Belange. Ramert engagiert sich in der Interventionistischen Linken (IL), einer politischen Gruppe, die im SZ Raum zum Diskutieren und Organisieren findet. Aktuell steht das Thema Flüchtlinge auf der Agenda. Ziel sei es, auch Flüchtlingen einen Rahmen zu bieten, die Räume im SZ zu nutzen, erklärt der 34-Jährige. So beteiligt sich die IL auch an dem Anfang des Jahres neu gegründeten Bündnis „Norderstedt ist weltoffen“.

2010 hat das SZ seine neuen Räume bezogen. Die Lage mitten im Gewerbegebiet, so sind sich die Mitglieder einig, sei nicht optimal. Vor allem die schlechte Anbindung durch den öffentlichen Personennahverkehr macht es abends und nachts schwierig, zum SZ und wieder wegzukommen. „Ein Nachtbus wäre gut, vielleicht auch eine Fahrradstation“, sagt Randi Richter. Es gibt aber auch Vorteile: Niemand fühlt sich genervt, wenn Konzerte und Partys veranstaltet werden. Auch das Grundstück im Gewerbegebiet bietet viele Möglichkeiten.

Neben dem Veranstaltungszen­trum – bestehend aus Containern – gibt es auf dem Gelände ein Wohnprojekt, eine WG. Mit den Mieteinnahmen finanziert sich der Verein, der zurzeit knapp 30 Mitglieder hat. So ist es möglich, bei den Veranstaltungen nur geringe Eintrittsgelder zu nehmen oder sie komplett auf Spendenbasis laufen zu lassen. „Es soll wenig Schwellen geben, um hier mitzumischen“, erklärt Ramert. Das gilt auch für die regelmäßigen Plena; bei diesen Treffen werden Veranstaltungen geplant oder einfach nur die nächste Putzaktion organisiert – Prinzip Selbstverwaltung ganz praktisch eben. „Hier geht alles Hand in Hand, es gibt eigentlich keine Hierarchie,“ ergänzt Zehl.

Schüler nutzen die Räume gern, um dort ihren 18. Geburtstag zu feiern

Das SZ ist anerkannter Kulturträger der Stadt Norderstedt. „Ein Ort der Begegnung und der Freiräume, um Projekte und Ideen umzusetzen“, formuliert es Tobias Ramert. Hier sitzt ein Zwölfjähriger auch mal neben einem 60-Jährigen, junge Bands können Erfahrung auf der Bühne sammeln. „Wir kommen wieder, weil es einfach nett bei euch ist“, bekommt er häufig von Musikern und anderen Besuchern zu hören. Schüler nutzen die Räumlichkeiten gerne, um dort ihren 18. Geburtstag zu feiern. Manchmal entwickelt sich aus der Party aber auch ein stärkeres Interesse für den Verein. „Wir wollen selbst gestalten und Dinge in die Hand nehmen“, sagen die Mitglieder. Und so stellen sie Jahr für Jahr kleine und große Veranstaltungen auf die Beine. 2014 stampften sie sogar mehrere neue Events aus dem Boden, zum Beispiel das Open Hair Festival. An jenem Tag drehte sich alles ums Thema Haare, es wurde gefärbt, rasiert und frisiert. Nebenbei gab es Livemusik und leckeres Essen. Das Paket kam so gut an, dass es in diesem Jahr eine Neuauflage des Open Hair Festivals geben wird.

Beim antirassistischen Fußballturnier steht der Spaß im Vordergrund

Bereits etabliert ist das antirassistische Fußballturnier, das 2015 schon zum zehnten Mal auf dem Sportplatz der Moorbekschule ausgetragen wird. Anmelden können sich Teams, deren Kicker mindestens zehn Jahre alt sind. Es gibt immer tolle, kreative Pokale, unter anderem auch einen Fairness-Pokal zu gewinnen. Natürlich steht dabei der Spaß und weniger die sportliche Höchstleistung im Vordergrund.

Suppen-Klause, Blues-Kneipe, Open Hair Festival

Wer das Soziale Zen­trum Wer das Soziale Zentrum einmal kennenlernen möchte, ist auf den Veranstaltungen willkommen oder kann auch gerne auf einem der offenen Plena vorbeischauen, die jeden ersten und dritten Montag im Monat stattfinden. Das SZ freut sich Das SZ freut sich über Spenden und neue Mitglieder. Dringend benötigt wird derzeit eine neue Musikanlage. Die nächsten Veranstaltungen finden Sie auf den nächsten Seiten.

5. Juni: 5. Juni: Punk-Konzert (mit Todeskommando Atomsturm, Kackschlacht + Support).

27. Juni: 27. Juni: Antira-Turnier (10. Großes Fußballevent gegen Rassismus in Norderstedt).

8. August: 8. August: Open Hair Festival (Rund ums Haar, Stände, Essen, Livemusik und mehr).

29. August: 29. August: Sommerfest im Sozialen Zentrum (Stände, Flohmarkt, Kinderprogramm, Open-Air-Konzert).

Regelmäßige Veranstaltungen: Jeden 1. DonnerstagJeden ersten Donnerstag im Monat: Suppen-Klause ab 19 Uhr – mit wechselnden Gerichten (vegan).

Jeden 3. DonnerstagJeden dritten Donnerstag im Monat: Kino-Klause ab 19 Uhr.

Jeden 1. SonnabendJeden ersten Sonnabend im Monat: Blues-Kneipe. Kontakt:Kontakt sz@inferno.nadir.org; In de Tarpen 8, 22848 Norderstedt; www.soziales-zentrum.de. za k

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Viele Besucher, die sonst nicht ins SZ kommen oder es noch nicht kennen, nutzen das Klamotten-Café, um die Räume und den Verein einmal kennenzulernen. Es findet zweimal im Jahr, im Frühling und im Herbst, statt. Zwei Wochen vor der Veranstaltung werden Norderstedter aufgerufen, Klamotten zu spenden, die dann wiederum gegen Spende abgegeben werden. „Es gibt auch Besucher, die ausschließlich wegen des Kuchens und der Kekse kommen“, weiß Anna-Louise Zehl aus Erfahrung. Selbstgebackenes gibt es nämlich noch dazu. Was an Kleidung übrig bleibt, wird an größere Projekte weitergereicht.

Norderstedter Vereine sind aufgerufen, sich am Sommerfest zu beteiligen

Das größte Event feiert das SZ immer im August: Zum jährlichen Sommerfest kommen auch schon mal 250 Besucher auf das Gelände. Der schöne Garten verwandelt sich dann in eine kleine Festivalwiese mit Bühne, Ständen, Flohmarkt und Zelten. Für Kinder wird ein eigenes Programm organisiert. In diesem Jahr wird mit dem Sommerfest auch das 20-jährige Bestehen des Vereins gefeiert. Auch Norderstedter Vereine sind aufgerufen, sich beispielsweise mit eigenen Infoständen oder Aktionen zu beteiligen. Denn die SZler wollen innerhalb der Stadt bekannter werden. „Sommerfest im Sozialen Zentrum statt des Sozialen Zentrums“, lautet daher der Leitspruch.

„Man muss erst mal einiges dafür tun, um sich untereinander kennenzulernen. Das geht manchmal nur langsam voran“, weiß Tobias Ramert. Doch wer die besondere Atmosphäre im SZ einmal gespürt hat, kommt sicher wieder vorbei.

Die wechselhafte Geschichte des SZ

Die Geschichte des Sozialen Zentrums in der Stadt Norderstedt beginnt bereits Anfang der 90er-Jahre:

1992: Erste Besetzung des ehemaligen Mütterzentrums (Alte Dorfstraße 30), es entsteht das Häuserplenum Norderstedt.

1993: Zweite Besetzung zweier Reihenhäuser an der Bahnhofstraße im Stadtteil Friedrichsgabe, die zum damaligen Zeitpunkt seit mehr als 20 Jahren leer stehen.

1995: Vom provisorischen Betrieb zum Vertrag: Die Stadtvertretung verfasst im März den Beschluss, dem Häuserplenum das Haus der ehemaligen Puppenbühne (Ulzburger Straße) zur Verfügung zu stellen. Nachdem ein halbes Jahr später von Seiten der Stadt kein Vertragsangebot kommt, beginnt das Häuserplenum am 25. August mit dem provisorischen Betrieb des Sozialen Zentrums. Schon eine Woche später hat der eigens gegründete Verein „Soziales Zentrum e. V.” einen Fünf-Jahres-Vertrag mit der Stadt Norderstedt abgeschlossen.

2000: Weiterer Fünf-Jahres-Nutzungsvertrag zwischen dem Soziales Zentrum und der Stadt.

2003: Keine Vertragsverlängerung: Christdemokraten und Norderstedts Bürgermeister Hans-Joachim Grote argumentieren, den Platz für den Umbau der Ochsenzoll-Kreuzung zu benötigen.

2005: Nach Protestaktionen, Demons­trationen und der Besetzung der Gebäude erfolgt schließlich die Übergabe an die Stadt. Abriss unter Polizeischutz am 31. Dezember.

2006 bis 2009: Aktionen als offene Gruppe: Plena-Treffen im Infoarchiv und an „Exil-Standorten“ wie dem Linken Laden im Hamburger Schanzenviertel. Für Konzerte und Infoveranstaltungen werden Räume angemietet. Im Dezember 2008 stellt der Verein ein Konzept für ein neues Zentrum vor, woraufhin Bürgermeister Grote Unterstützung zusichert.

2010: Das Wohnprojekt In de Tarpen 8 wird bezogen; erste Konzerte und Plena finden statt.

2011: Abriss des baufälligen Hinterhauses; im November werden Container aufgestellt, die wieder genug Raum für eigene Veranstaltungen bieten.

2012 bis 2015: Verschiedene Gruppen organisieren sich, Veranstaltungen leben neu auf, Räume werden auch an Privatleute für Partys vermietet. Das Soziale Zentrum feiert 20-jähriges Bestehen. zak

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