Allgemeiner Deutscher Fahrrad-Club zeichnet Norderstedt im aktuellen Fahrrad-Klimatest mit Aufholer-Preis aus. Baudezernent Thomas Bosse will Attraktivität des Radverkehrs weiter steigern.
Norderstedt. Gerade erst hatte die Stadt den „Pannenflicken“ für den fahrradunfreundlichen Knoten Ochsenzoll kassiert, jetzt darf sich Norderstedt über Lob für den Radverkehr freuen: Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club (ADFC) hat im aktuellen Fahrrad-Klimatest das Bemühen, den Radlern bessere Bedingungen zu bieten, mit einem „Aufholer-Preis“ gewürdigt – bei den Städten von 50.000 bis 100.000 Einwohnern landete Norderstedt unter den Aufsteigern auf Platz drei. „Die Auszeichnung freut uns sehr, werden doch damit unsere Anstrengungen anerkannt, die Situation für die Radfahrer in der Stadt zu verbessern“, sagt Baudezernent Thomas Bosse, der dem Aufholer-Preis viel mehr Gewicht beimisst als dem „Pannenflicken“, vergeben von einer Initiative, die bis „dahin kaum einer kannte“.
Beim Klimatest aber haben die abgestimmt, um die es geht: 214 Norderstedter Radler haben sich an der bundesweiten Analyse beteiligt und der Stadt Erfolge auf dem Weg zu einer fahrradfreundlichen Stadt bescheinigt. Die hat sich auch im Gesamtergebnis verbessert, liegt jetzt auf Platz acht unter 100 Konkurrenten. Damit setzt sich die Aufholjagd fort: Beim Test 2005 reichte es nur zu einem „Abstiegsplatz“, 85. von 92. Im Jahr 2012 hatte sich Norderstedt schon ins obere Mittelfeld vorgearbeitet, Platz 98 von 252. Jedes Jahr investiert die Stadt 900.000 Euro, um den Radverkehr attraktiver zu gestalten und mehr Menschen zum Umstieg von vier auf zwei Räder zu bewegen. Da ist noch Luft nach oben, schließlich sind viele Weg nicht länger als fünf Kilometer. Aktuell liegt der Anteil der Radler am Verkehrsaufkommen bei 19 Prozent, im Verkehrsentwicklungsplan sind 22 Prozent angepeilt.
Lob gibt es auch vom Norderstedter ADFC, einer Initiative, die inzwischen eng, aber kritisch mit der Stadt kooperiert. „Der Allgemeine Deutsche Fahrrad-Club gratuliert zu dieser Auszeichnung, die Norderstedt sich in den letzten zehn Jahren hart erarbeitet hat“, sagt Norderstedts ADFC-Sprecher Rolf Jungbluth. Er nennt wesentliche Pluspunkte, die sich auch in der Tabelle positiv niedergeschlagen haben: Mit 2,2 bekommt das örtliche Fahrrad-Verleih-System Nextbike die Bestnote, nicht nur innerhalb der 27 abgefragten Kriterien, auch im Feld der 99 Konkurrenten ist das der Spitzenwert. Vor vier Jahren hatte die Stadt die ersten Leihräder aufgestellt, inzwischen gibt es zwölf Stationen, im Vorjahr wurden mehr als 2500 Räder ausgeliehen.
Eine fast genauso gute Zensur gibt es für die Wegweiser, die die Radler durch die Stadt und ins Umland führen. Positiv habe sich auch der Winterdienst auf die Einschätzung ausgewirkt. Der ADFC hatte lange dafür gekämpft, dass die Mitarbeiter des städtischen Betriebsamtes auch Radwege von Schnee und Eis befreien. Natürlich gibt es auch Kritik, die sich in Noten jenseits der Vier niederschlägt: Aus Sicht der Radler kontrollieren die Politessen zu wenig Autos, die widerrechtlich auf Radwegen geparkt werden, die Ampeln seien zu wenig nach den Bedürfnissen der Radfahrer geschaltet, die Radwege seien zu eng, problematisch sei das Fahren im Mischverkehr, wenn Radler auf der Straße unterwegs sind.
So sieht Bosse den Aufholer-Preis auch als Ansporn, den Weg zu einer Rad-Stadt weiter zu gehen. Einen großen Schritt könne Norderstedt zwischen 2017 und 2022 machen. Dann will das Land die Segeberger Chaussee sanieren. „Wir werden diese Arbeiten nutzen, um rechts und links der Straße vernünftige Radwege zu bauen“, sagt der Baudezernent. Damit entstehe eine wichtige Ost-West-Achse, die allerdings im mittleren Stadtbereich noch fehlt. Die Rathausallee sei wegen des starken Auto- und Busverkehrs nicht geeignet. Denkbar sei, im Grünzug südlich und nördlich des Buchenwegs Fuß- und Radwege einzurichten, die ein zügiges Fahren ermöglichen.
Zum Schnellradweg soll auch die ohnehin schon beliebte und viel genutzte Nord-Süd-Strecke entlang der U-Bahn- und AKN-Gleise aufgemöbelt werden – eine Initiative, die der ADFC unterstützt: „Das macht aber nur Sinn, wenn die Radfahrer am Buchenweg und an der Heidbergstraße auch Vorfahrt haben“, sagt Jungbluth. An der Marommer Straße sei das wegen des hohen Fahrzeugaufkommens auf der Straße unrealistisch. Der ADFC-Sprecher sieht auch für ein weiteres Projekt gute Aussichten: die Fahrrad-Autobahn nach Hamburg. Wenn die Grünen in Hamburg mitregieren, steigert das die Chancen für die grenzübergreifende Verbindung, die die Grünen in der Norderstedter Stadtvertretung und in der Bezirksversammlung Hamburg-Nord angestoßen haben.
Weiterer Pluspunkt beim nächsten Fahrrad-Klimatest könnte das erste Fahrrad-Parkhaus in der Stadt und in der Region werden. Die Bauarbeiten für die Rad-Garage hinter dem Rathaus an den Gleisen haben begonnen.