Alveslohe . Pionier der regionalen Zeitgeschichtsforschung initiierte unter anderem die KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen und schrieb mehrere Bücher.
Im Alter von 92 Jahren ist Gerhard Hoch am 6. Dezember in seinem Heimatdorf Alveslohe gestorben. Hoch ist friedlich im Beisein seiner Familie eingeschlafen, erfuhr das Abendblatt aus dem Umfeld des Verstorbenen. Der pensionierte Bibliothekar und ehemalige katholische Priester hat mit der Erforschung der Geschichte Kaltenkirchens und der Region sowie Schleswig-Holsteins im Nationalsozialismus Pionierarbeit geleistet. Er schrieb mehrere Bücher, unter anderem über das KZ-Außenkommando Kaltenkirchen, Kaltenkirchen im Nationalsozialismus oder den Landrat Waldemar von Mohl, der zwischen 1932 und 1945 in Bad Segeberg amtierte. Die heutige KZ-Gedenkstätte Kaltenkirchen in Springhirsch an der Bundesstraße 4 hat er maßgeblich mitinitiiert; er war auch erster Vorsitzender des Trägervereins.
Gerade am Anfang seiner zeithistorischen Tätigkeit war Gerhard Hoch vor Ort dabei Anfeindungen ausgesetzt und galt als Nestbeschmutzer. Überregional wurde sein Wirken hingegen schon früh gewürdigt. So sorgte die Weigerung der Stadtvertreter Kaltenkirchens im Jahr 1980, Hochs Buch über die „Zwölf wiedergefundenen Jahre – Kaltenkirchen im Nationalsozialismus“ zu unterstützen, bundesweit für Schlagzeilen. Im Laufe der Zeit wurde seine Arbeit dann immer stärker anerkannt und gewürdigt. Im Jahr 2004 wurde Hoch beispielsweise die Ehrendoktorwürde der Universität Flensburg verliehen. „Mit der Auszeichnung würdigt die Universität Flensburg das zeithistorische Lebenswerk und pädagogische Engagement des Geehrten“, hieß es zur Begründung. Bei der Verleihung der Ehrennadel des Landes Schleswig-Holstein 1996 sagte die damalige Kultusministerin Marianne Tidick, Hoch habe „als Historiker schleswig-holsteinische Zeitgeschichte geschrieben, die nachhaltig und richtungsweisend ist“.
Gerhard Hoch war Mitglied der NSDAP
Gerhard Hoch wurde am 21. März 1923 in Alveslohe geboren. In seiner Jugend war er Mitglied der Hitlerjugend und später auch der NSDAP. Er stand nach eigener Aussage zu 100 Prozent hinter der Ideologie der Nazis. Im Krieg wurde er unter anderem in der Sowjetunion eingesetzt und geriet nach der Versetzung ins Rheinland im Jahr 1945 in US-amerikanische Gefangenschaft. Von 1946 bis 1948 war er in England inhaftiert und bekehrte sich dort zum christlichen Glauben. Nach der Rückkehr nach Deutschland engagierte er sich zunächst in der evangelischen Kirchengemeinde Kaltenkirchen, fühlte sich aber zum Katholizismus hingezogen. Hoch konvertierte, ging ins Kloster und studierte Theologie. In dieser Zeit übersetzte er beispielsweise das Werk „Das Buch vom Leben in Christus“ des byzantinischen Theologen Nikolaos Kabasilas. In der Rückschau sprach Hoch von der Faszination, die das Kloster auf ihn ausübte und die ihn vielleicht davon abhielt, genau zu prüfen, ob es das richtige für ihn sei.
Hoch heiratete 1957 und bekam mit seiner Frau Gesa vier Söhne. Er wurde von der katholischen Kirche aus dem Priesterstand entlassen und wurde Bibliothekar, unter anderem leitete er die Lehrerbibliothek am damaligen Institut für Lehrerfortbildung in Hamburg. Dort begannen auch seine historischen Forschungen. Er schrieb kurze Biografien über Lehrer, die sich dem Nationalsozialismus entgegengestellt hatten. Im Jahr 1975 begann er als damaliger Schriftführer der SPD in Kaltenkirchen – Hoch war inzwischen in sein Heimatdorf Alveslohe gezogen – mit der Erforschung der NS-Geschichte vor Ort. Er sprach mit Sozialdemokraten, die sich an die Zeit zwischen 1933 und 1945 erinnerten. „Und dann erzählten sie mir, was ihnen einfiel“, erinnerte sich Hoch im Abendblatt-Interview zu seinem 90. Geburtstag. Unter anderem erfuhr er von der Existenz des Konzentrationslagers in Kaltenkirchen. „Das war für mich wie eine Offenbarung. Ich hatte keine Ahnung davon. Dies und einiges andere aus der Zeit veröffentlichten wir unter dem Titel ,Kaltenkirchens blutige Erde’.“
Gerhard Hoch blieb am Thema dran und veröffentlichte zahlreiche Bücher und Aufsätze zur Regionalgeschichte und darüber hinaus. Unter anderem brachte er ein Buch über Kriegsgefangene und Zwangsarbeiter in Schleswig-Holstein heraus und veröffentlichte 1996 eine Chronik seines Heimatdorfes Alveslohe. Besondere Beachtung erhielt auch seine Biografie des ehemaligen Kaltenkirchener Pastors Ernst Szymanowski-Biberstein, der im Zweiten Weltkrieg in der Ukraine für den Tod von mindestens 2000 Juden verantwortlich war. Die Kirchengemeinde Kaltenkirchen, die sich lange gegen Hoch gestellt hatte, unterstützte die Veröffentlichung. „Das hat 2009 zur öffentlichen Präsentation in der vollen Kirche geführt, und das ist für mich das schönste Erlebnis gewesen, wenn ich das so sagen darf. Die Saat ist aufgegangen“, so Hoch in der Rückschau.
Ein Spaziergang gehörte für Hoch bis zuletzt zum täglichen Pflichtprogramm
Bis zuletzt war der stets streitbare Hoch aktiv, unter anderem als Mitglied des Ortsvereins von Bündnis 90/Die Grünen in Alveslohe. Im August dieses Jahres schrieb er beispielsweise in deren Mitteilungsblatt über die heutige Wahrnehmung der Natur: „Nur wenige Leute wandern in der engeren oder weiteren Umgebung des Dorfes, wandern ganz ohne besonderen Zweck, nur aus Freude am Wandern und mit offenen Augen für die Natur.“ Für ihn war der tägliche Spaziergang in Begleitung seiner Frau Gesa bis zuletzt Pflichtprogramm. Auch wenn er über den Tod nachdachte, spielte das Wandern eine Rolle. Er zitierte gerne den evangelischen Mystiker Gerhard Teersteegen: „Ein Tag, der sagt dem andern,/mein Leben sei ein Wandern/zur großen Ewigkeit./O Ewigkeit, so schöne,/ mein Herz an dich gewöhne,/mein Heim ist nicht in dieser Zeit.“