Norderstedt. Großer Andrang beim Vortragsabend, zu dem das Hausarztnetz, Mediziner, Rotes Kreuz und Rettungsleitstelle eingeladen haben.

„Norderstedt rettet – vom Hausnotruf bis zur Wiederbelebung“ – dieses Thema bewegt offensichtlich viele Bürger der Stadt. 125 Personen füllten beim Vortragsabend von Vertretern des örtlichen Roten Kreuzes, des Hausarztnetzes Norderstedt, der Rettungsleitstelle Norderstedt und des Albertinen-Krankenhauses in Hamburg mit Koordinator Dr. Reinhard Zahn den Saal im neuen Seminarhaus der Stadtwerke Norderstedt. Ehrengast: Rüdiger Krumme. Familienmitglieder und Ärzte haben ihm vor fünf Jahren das Leben gerettet.

Rüdiger Krumme, 71, ist ein Mann, der noch mitten im Leben steht. Kerngesund, Herzleistung 55 Prozent. Ein normaler Wert. Der pensionierte Grund-, Haupt- und Realschullehrer aus Quickborn treibt regelmäßig Herzsport, er spielt Badminton und Volleyball, und beim Treppensteigen gerät er auch nicht außer Atem. „Ich fühle mit topfit“, sagt er.

Ein Rettungssanitäter zeigt im Seminarhaus der Stadtwerke den Umgang it einem Defibrillator Norderstedt
Ein Rettungssanitäter zeigt im Seminarhaus der Stadtwerke den Umgang it einem Defibrillator Norderstedt © Hans-Eckart Jaeger | Hans-Eckart Jaeger

Das war nicht immer so. Der 14. September 2010 war ein Tag, den Rüdiger Krumme, seine Frau Elke und alle Familienmitglieder nicht vergessen werden. „Es war am Abend, wir wollten früh zu Bett gehen“, erzählt Elke Krumme im Seminarhaus an der Ulzburger Straße. „Mein Mann war im Badezimmer. Ich hörte ein Geräusch und ging hinein. Rüdiger lag vor der Heizung, er schien ohnmächtig zu sein. Er schnappte nach Luft.“

Elke Krumme reagierte sofort. Sie rief über den Notruf 112 den Rettungsdienst an, danach ihre Tochter, die nur fünf Minuten entfernt wohnt und Ärztin ist. Ihr Vater atmete nicht normal, litt unter Schnappatmung und war nicht ansprechbar. Sie wusste: Da hilft nur eine Herzdruckmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung. Sie begann damit, und kurz darauf kam der Rettungsdienst.

„Als ich aus dem Koma erwachte, lag ich im Albertinen-Krankenhaus auf der Intensivstation“, erinnert sich Rüdiger Krumme. Oberärztin Dr. Nicola Telkamp stand bei ihm. Diagnose: Herzinfarkt, Kammerflimmern – eine lebensgefährliche Herzrhythmusstörung. Das Herz war nicht mehr in der Lage, genügend Blut zu pumpen. Heute sagt Krumme: „Wenn meine Frau und meine Tochter nicht so gut reagiert hätten, wenn Frau Telkamp mir nicht geholfen hätte, würde ich nicht mehr leben.“

Die Oberärztin der Intensivmedizin wies bei ihrem Vortrag immer wieder daraufhin, wie wichtig es ist, sofort zu helfen. Bricht eine Person plötzlich ohnmächtig zusammen, liegt in der Regel ein Herzstillstand vor. Dann sterben Gehirnzellen in der Regel schon nach wenigen Minuten ab.

Bei einer Herzdruckmassage sollte das Brustbein bis zu fünf Zentimeter eingedrückt werden
Bei einer Herzdruckmassage sollte das Brustbein bis zu fünf Zentimeter eingedrückt werden © Hans-Eckart Jaeger | Hans-Eckart Jaeger

„Jeder Mensch, auch wenn er Laie ist, sollte sich im Falle eines Kreislaufkollapses eines Familienmitgliedes oder eines Nachbarn Reanimationsmaßnahmen zutrauen“, sagte Dr. Nicola Telkamp. „Es gilt, die ersten 15 Minuten zu überwinden – bis der Rettungsdienst eintrifft.“

Die Reihenfolge sollte so laufen: Ansprechen der Person (zwicken, kneifen, lautes Zurufen), stabile Seitenlage, Notruf 112 anrufen, mit den Basis-Maßnahmen wie Herzdruckmassage und Mund-zu-Mund-Beatmung beginnen. Nach 30-maligem Drücken auf das Brustbein werden zwei Atemspenden abgegeben. Immer im Wechsel. So lange, bis der Rettungsdienst eintrifft. „Haben Sie nur keine Angst, etwas falsch zu machen“, so die Oberärztin. „Jede Hilfe, die Sie leisten, ist gut. Nur keine Hilfe zu leisten, ist ein Fehler.“

„Ich bin unglaublich dankbar, dass meine Frau, unsere Tochter und die Notfallärzte mich vor Schlimmerem bewahrt haben und ich nun zusammen mit meiner Frau, unseren drei Töchtern , den fünf Enkeln, mit der ganzen Familie und mit Freunden freudig mit Bedacht mein geschenktes Leben genießen kann“, sagte Rüdiger Krumme, der außerdem betonte: „Ich nehme kleine Ärgernisse, die es immer mal geben kann, sehr viel gelassener und blicke voller Zuversicht in die Zukunft. Immerhin: Den Wiener Walzer habe ich mit meiner Frau schon wieder getanzt, und irgendwann wollen wir auch, wie schon vor fünf Jahren geplant, Urlaub in Australien machen.“