Norderstedt. „Vom Hausnotruf bis zur Wiederbelebung“: Hausarztnetz, DRK, Klinik und Rettungsleitstelle laden zu Veranstaltung ein.

350 Menschen sterben in Deutschland jeden Tag den „Sekundenherztod“, nicht nur Ältere und Kranke. Der plötzliche und endgültige Stillstand der lebenswichtigen Pumpe trifft auch junge Leute und Leistungssportler wie zuletzt Schwimmweltmeister Alexander Dale Oen oder Fußballprofi Piermario Morosini. „Nicht immer kann der Rettungsdienst rechtzeitig vor Ort sein, da kommt der Wiederbelebung durch Laien eine enorme Bedeutung zu“, sagt Dr. Reinhard Zahn. Zusammen mit dem Hausarztnetz Norderstedt, dem örtlichen Roten Kreuz, dem Albertinen-Krankenhaus in Hamburg-Schnelsen und der Rettungsleitstelle in Norderstedt will der Norderstedter Arzt im Ruhestand Bürger, Vereine und Unternehmen für das Thema sensibilisieren.

„Norderstedt rettet – vom Hausnotruf bis zur Wiederbelebung“ heißt es am Mittwoch, 25. November, im neuen Seminarhaus der Stadtwerke am Buchenweg 201/Ecke Ulzburger Straße. Ab 18 Uhr lernen die Besucher ganz praktisch, worauf es ankommt, wenn ein Mensch nach einem Herzinfarkt, Kreislaufkollaps oder Schlaganfall wieder ins Leben zurückgeholt wird. Die Leitende Intensivärztin des Albertinen-Krankenhauses wird die Wiederbelebungsmaßnahmen vorstellen. Anschließend können die Besucher an vier Puppen für den Ernstfall trainieren.

Die Reanimations-Offensive macht Sinn, denn: Die meisten Menschen absolvieren für den Führerschein einen Erste-Hilfe-Lehrgang, doch dann verschwindet das Wissen um die lebensrettenden Handgriffe, weil nur wenige die Kenntnisse auffrischen. Kommen sie dann in die Situation, helfen zu müssen, trauen sie sich oft nicht aus Angst, etwas falsch zu machen.

„Ein kundiger Laie beginnt im Notfall mit einer Herzmassage, indem er das Brustbein fünf Zentimeter tief gegen die Wirbelsäule drückt und damit das Blut aus dem dazwischen liegenden Herzen herausquetscht – 30-mal pro Minute“, sagt Dr. Reinhard Zahn, der noch auf einen aktuellen Anlass für die medizinische Fortbildung hinweist: Am 15. Oktober seien die neuen ärztlichen Richtlinien für Wiederbelebungsmaßnahmen erschienen. Das Regelwerk verlange sogar, dass schon Schüler ab Klasse sieben Wiederbelebung üben.

Norderstedt spärlich mit Defibrillatoren ausgestattet

Dazu gehöre auch der Einsatz des Elektroschocks durch Laien gegen das Herzflimmern, das den Sekundenherztod verursache. „Die automatischen externen Defibrillatoren – kurz AEDs – sind heute so konfiguriert, dass sie den Laien über die Sprachansage mit ruhigen Worten fehlerfrei steuern und ihm mitteilen, wie er den lebensrettenden Schock verabreichen muss“, sagt Zahn. Das gilt auch für die Mitarbeiter der Rettungsleitstelle, die den Helfer per Telefon dirigieren – und das mit großem Erfolg, wie ein Beispiel aus der jüngsten Vergangenheit zeigt: Vor gut drei Jahren war der damals 53 Jahre alte Ludwig Arts nach dem Joggen zu Hause zusammengebrochen. Seine Frau Angelika reagierte sofort, wählte am Telefon den Notruf 112 und erreichte in der Norderstedter Leitstelle Michael Walluks. Der Disponent alarmierte nicht nur Rettungswagen und Notarzt. Er erklärte Angelika Arts, wie sie ihren Mann mit einer Herzdruckmassage wiederbeleben könne. Fachleute sprachen damals von einer Reanimation wie aus dem Lehrbuch, ihr Mann kam ohne bleibende Schäden davon. Beim Info-Abend am kommenden Mittwoch wird ein Patient davon berichten, wie ihn ein Bürger reanimiert und ihm damit das Leben gerettet hat.

„Allerdings ist Norderstedt erst sehr spärlich mit AEDs ausgestattet“, sagt Zahn. Laut einem bundesweiten Kataster sei ein solcher automatischer Lebensretter bisher nur für die Stadtwerke und für einen Wirtschaftsbetrieb an der Gutenbergstraße gemeldet. Aber auch im Rathaus und in den Sporthallen, wo Reha-Sport betrieben wird, sei ein solches Rettungsgerät vorhanden und müsse offiziell erfasst werden.

Die Organisatoren des Wiederbelebungs-Seminars appellieren an die Unternehmen, Behörden, Kirchen, allgemein an alle Institutionen, in denen sich regelmäßig viele Menschen zusammenfinden, einen AED anzuschaffen, ihre Mitarbeiter darüber zu informieren, in Maßnahmen zur Wiederbelebung zu schulen und den Defibrillator an das Kataster der Deutschen Gesellschaft für Prävention und Rehabilitation zu melden. „Dann ist Norderstedt diesmal nicht nur mit einer Idee, sondern sogar mit einer wichtigen Lebensvorsorge für seine Bürger anderen voraus“, sagt Zahn mit dem Blick auf Norderstedts Stadtmotto.

Ältere Menschen profitieren vom Notrufsystem

Gleichzeitig informieren die Veranstalter am Mittwoch über den Hausnotruf – ein Instrument, das ebenfalls Leben retten kann. „Vor allem ältere oder mobil eingeschränkte Menschen, die alleine leben, können davon profitieren“, sagt Zahn. Die Rettungsdienste bieten dieses spezielle Notrufsystem an, bei dem der Teilnehmer mit einem Funksender ausgestattet wird, den er am Körper trägt. Gerät er in Not, zum Beispiel durch einen Sturz, aktiviert er per Knopfdruck die Hausnotrufzentrale. Von dort startet sofort ein Mitarbeiter, der in Absprache mit dem Kunden weiß, wie er in die Wohnung kommt und sich einen Überblick verschafft.

Die Veranstalter weisen darauf hin, dass die Sportverbände den Themenabend als Übungseinheit für die Lizenzierung ihrer Sport-Übungsleiter anerkannt haben. Die Ärztekammer Schleswig-Holstein vergebe Fortbildungspunkte für Ärzte, die teilnehmen. „Das belegt durchaus den Wert und die Bedeutung unserer Veranstaltung“ sagt Zahn. Der Eintritt ist frei.