Kaltenkirchen/Bramstedt. Noch immer keine Lösung für rheumakranke Kinder in Sicht. CDU-Bundestagsabgeordneter nennt die Lage „unerträglich“.

„Alles tut weh“, sagt Svenja. „Besonders das rechte Knie, die Füße und der Rücken.“ Die 13-jährige aus Kaltenkirchen leidet an schwerem Rheuma. Das Gehen fällt ihr schwer. Inzwischen sind die Schmerzen so stark, dass sie mit Morphium behandelt werden muss. Dabei hatte sich ihre Krankheit noch vor wenigen Monaten gebessert. Nach den ersten Infusionen bei dem Bramstedter Kinderarzt Nicolay Tzaribachev konnte sie sogar wieder Fahrrad fahren. „Sie hat kurz das Paradies gesehen“, sagt der Arzt, der sich auf Kinderrheumatologie spezialisiert hat. Doch dann wollten die meisten Krankenkassen seine Therapie nicht mehr bezahlen. Svenjas Eltern Katrin und Sven-Olaf Schock sind verzweifelt.

Die Schocks haben sich am Wochenende mit weiteren Familien von jungen Tzaribachev-Patienten getroffen. Dutzende kranke Kinder leiden an schweren, sehr schmerzhaften Rheumaschüben, seitdem der Arzt die Infusionen mit sogenannten Biologika absetzen musste. Im Juni hatten 300 Eltern und Kinder in Bad Bramstedt unter dem Motto „Wir brauchen Hilfe!“ gegen die Entscheidung der Kassen demonstriert. Einige fuhren im Rollstuhl, andere gingen auf Krücken. Doch eine Lösung für die rheumakranken Kinder ist immer noch nicht in Sicht.

Dr. Nicolay Tzaribachev hat sich auf Kinderrheumatologie spezialisiert
Dr. Nicolay Tzaribachev hat sich auf Kinderrheumatologie spezialisiert © Wolfgang Klietz | Wolfgang Klietz

„Die Versorgung ist gesichert“, hatte ein Sprecher der Ersatzkassen gesagt und auf neu gegründete Tagesambulanzen in Krankenhäusern hingewiesen. Doch vier Monate später empfinden die Kinder und Eltern diesen Satz wie Hohn. Sie haben die Erfahrung gemacht, dass nur die Biologika helfen. Tzaribachev ist der einzige Arzt in Norddeutschland, der sich auf dieses zugelassene Medikament spezialisiert hat.

„Es kam alles so, wie wir es vorhergesagt haben“, sagt die Sprecherin der Elterninitiative, Kerstin Bennecke. Als im Sommer die Therapien abgesetzt wurden, hatten die Eltern präzise vorausgesehen, wann die Rheumaschübe einsetzen werden. Die Folge: Viele Kinder haben die Sommerferien mit Schmerzen und geschwollenen Gelenken und Füßen in ihren Zimmern verbracht. Noch Monate zuvor waren viele mobil und meistens schmerzfrei gewesen, hieß es unisono bei den 100 Teilnehmern der Versammlung.

Auch der CDU-Bundestagsabgeordnete Mark Helfrich reagierte in der Versammlung erschüttert auf die Berichte. „Es ist unerträglich, was Ihnen widerfahren ist“, sagte er zu den Mitgliedern der Initiative. Wenn jemand glaube, dass die Biologika-Therapie gefährlich sei, sollte er Anzeige erstatten. „Derjenige, der heilt, hat recht“, sagte Helfrich.

„Wissen die Krankenkassen, was sie den Familien antun?“, fragte Kerstin Bennecke. Den kranken Kindern werde das Gefühl vermittelt, nicht ernst genommen zu werden. Kerstin Bennecke forderte Schleswig-Holsteins Sozialministerin Kristin Ahlheit (SPD) auf, einen Schlichter einzusetzen, um mit den Kassen, den Eltern und Tzaribachev eine Lösung zu finden.

In die Verzweiflung mischt sich auch Empörung über die Krankenkassen, die völlig undurchsichtig verfahren. Svenjas Mutter hat inzwischen erfahren, dass die TK Bayern die Therapie zahlten, die TK im Norden weigert sich jedoch. Die meisten großen gesetzliche Kassen lehnen die Therapie ab, private Versicherungen zahlen dagegen anstandslos. „Das ist die absolute Zweiklassenmedizin“, sagt Nikolay Tzaribachev.

„Viele Familien sind am Rand der Erschöpfung“, sagt die Elmshornerin Kerstin Bennecke. Bei ihr melden sich immer wieder aufgebrachte Väter und Mütter. „Was von Tzaribachev kommt, wird grundsätzlich abgelehnt“, soll eine Krankenkassenmitarbeiterin gesagt haben. Eltern bekommen zudem auch zu hören, dass die Kinder gar kein Rheuma haben, sondern psychische Probleme.

Einige Krankenkassen übernehmen die Kosten

In den vergangenen Wochen kamen 30 Patienten in Tzaribachevs Praxis, die unter schweren Schüben litten. „Es war erschütternd“, sagte der Arzt. „Ich musste einige stationär einweisen.“ Er kannte die Kinder noch aus der Zeit, als sie mit Biologika behandelt wurden. Die meisten hatten gute Fortschritte gemacht, bis die meisten Kassen die Finanzierung stoppten.

Dass es auch anders geht, berichtet der Brunsbütteler Lars Heesch, der seine Familie bei der BKK Energie versichert hat. Auch seine 16 Jahre alte Tochter Jana-Sofie leidet unter Rheuma. Wegen der Krankheit konnte sie in der Schule dem Unterricht nicht folgen, wurde vom elften Jahrgang des Gymnasiums in die neunte Klasse zurückgestuft und hat ein halbes Jahr unbeweglich im Bett verbracht. Auch bei ihr sorgten die Biologika für eine deutliche Besserung. „Ich habe die Genehmigung von meiner Krankenkasse sehr schnell bekommen“, berichtet der Familienvater.

Dass ein Wechsel in die wenigen kleinen Kassen, die die Therapie bezahlen, eine vorübergehende Lösung sein könnte, glaubt auch der Abgeordnete Helfrich. „Wir wollen, dass niemand bei seiner Krankenversicherung betteln muss“, sagte er. Langfristig könne die Lösung jedoch nur sein, die Therapie in den normalen Leistungskatalog der Kassen aufzunehmen.