Norderstedt. Bürger und Profis planen Wohngebiet Grüne Heyde in Norderstedt – ein bundesweites Musterprojekt für Nachhaltigkeit.

Ob als klimaneutrale Stadt, als „Morgenstadt“, als Solardorf oder als „ZukunftsWerkStadt“ – Norderstedt mischt bundesweit in vielen Projekten mit, wenn es um eine nachhaltige Zukunft geht. Das nach dem Garstedter Dreieck größte Baugebiet Grüne Heyde könnte die Stadt ganz nach oben katapultieren: „Norderstedt könnte das Freiburg des Nordens werden“, sagte Andreas von Zadow vom Planungsbüro von Zadow international. Freiburg gilt als Vorreiter für einen schonenden Umgang mit Ressourcen und zukunftsweisendes Stadtleben.

Das Gebiet zwischen dem Schulweg im Westen, dem Mühlenweg im Norden, der Harckesheyde im Süden und dem Gewerbegebiet Harkshörn im Osten, auf dem rund 600 Wohnungen für bis zu 1300 Menschen gebaut werden sollen, soll ein innovatives, bundesweit beachtetes Pilotprojekt werden, in dem Nachhaltigkeit erlebbar wird. Auf dem Weg dahin beschreitet die Stadt gleich mehrfach Neuland: Die Bürger reden nicht nur mit, sie planen auch mit, so viel Bürgerbeteiligung war noch nie. Zudem soll das Projekt das Siegel der Deutschen Gesellschaft für nachhaltiges Bauen tragen.

150 Besucher sehen und hören sich die Präsentation der ersten Planungskonzepte an
150 Besucher sehen und hören sich die Präsentation der ersten Planungskonzepte an © Michael Schick | Michael Schick

Was das bedeutet, haben Anwohner und andere Interessierte bei der Präsentation der ersten Planungsrunde erlebt. Um dem Vorzeigeprojekt den nötigen Dampf zu verleihen, hat die Verwaltung eine Vielzahl hochkarätiger Planer ins Boot geholt. 21 Profis haben in ein Konzept gegossen, was sich die Hobbyplaner vorstellen. Mehr als 100 Männer und Frauen waren dem Aufruf gefolgt und haben ihre Ideen an einem Sonnabendnachmittag in der Grundschule Harksheide-Nord formuliert.

Drei Tage lang wurde aus den laienhaften Vorstellungen stadtplanerische Realität. Am Dienstagabend sahen und hörten sich 150 Besucher wieder in der Grundschule an, was das heißt. Zwischen 18 und kurz nach
20 Uhr prasselte ein Flut von Bildern, Fachbegriffen und Konzepten auf sie ein, die Aufnahmefähigkeit war extrem gefordert. Was herauskam, ist eine
47 Hektar große Fläche mit unterschiedlicher Bebauung, vielen Freiflächen, innovativen Schwerpunkten und einer Fahrradstraße. Als natürliche Teiler fungieren die Knicks, die erhalten werden sollen. Wichtiger Planungsgrundsatz: Die benachbarte Bebauung soll integriert werden, alte und neue Gebiete sollen ineinander übergehen.

Im Heyde-Zentrum im zentralen südlichen Bereich sollen Geschäfte für die Nahversorgung entstehen, kleine Gewerbebetriebe, eine Mobilitätsstation mit Carsharing, Nextbike-Leihrädern, einer Radwerkstatt und Ladesäulen für E-Bikes und -Autos.

Im Westen schließen sich die Heyde-Höfe an mit Wohnraum für mehrere Generationen und einem Gemeinschaftshaus für Jugend und Familien.

Moderator Andreas von Zadow führte durch den Abend in der Grundschule Harksheide Nord
Moderator Andreas von Zadow führte durch den Abend in der Grundschule Harksheide Nord © Michael Schick | Michael Schick

Der Heyde-Park nördlich davon wird als Freizeitfläche sowie Spiel- und Sportbereich gestaltet. Den Abschluss nach Westen bildet die Sonnen-Heyde, eine Fläche zum gemeinsamen Gärtnern. Zum Mühlenweg hin ist in der Mühlen-Heyde ein Fläche für individuelles Bauen vorgesehen, gesundes Wohnen mit Holzarchitektur, Lehm und Öko-Farben lautet das Leitmotiv für die Norder-Heyde. Südlich davon liegt die Wilde Heyde, ein Baufeld für experimentelles Wohnen. Besonders sparsam mit Energie sollen die Bewohner der Plus-Energiesiedlung im Südosten des Baugebietes umgehen.

Hieran grenzen die Heyde-Wiesen, eine große Freifläche, die das Areal vom Gewerbegebiet Oststraße trennt. In diesem Bereich stellen sich die Planer eine Streuobstwiese vor, Plätze zum Entspannen, gestalterische Elemente, Hochsitze, um Tiere zu beobachten. „Da kann man auch einen Sunset-Tower hinstellen, auf dem sie dann mit einer Flasche Rotwein sitzen und den Sonnenuntergang beobachten können“, sagte Stadtplaner Carsten März – der Wunsch zuzusehen, wenn die Sonne am Horizont verschwindet, zog sich durch die gesamten Vorgespräche, genauso, wie das Kiebitz-Pärchen, das auf jeden Fall bleiben soll. Beides Symbole für Lust auf möglichst viel Natur.

Photovoltaikanlagen und Wasseraufbereitung

Ein Radweg schlängelt sich durch die Heyde-Wiesen, ein weiterer führt etwas westlich davon von Norden nach Süden und bindet das Neubaugebiet an die angrenzenden Wohngebiet an. Umweltschonend soll die Mobilität sein, alle Bereiche seien bequem zu Fuß zu erreichen. Die Busse der Linie 494 werden künftig durch das neue Quartier und den Mühlenweg fahren. Damit, so die Planer, wird auch die sogenannte Strandkorbsiedlung, bisher ein Waisenkind des öffentlichen Nahverkehrs, besser angebunden. Das Konzept sieht zudem vor, den Mühlenweg für die Durchfahrt von Autos zu sperren und zu einer Fahrradstraße umzufunktionieren – damit kommen die Stadtplaner einer langjährigen Forderung der Anlieger nach.

Viel Photovoltaik-Anlagen auf den Dächern und die Aufbereitung von Brauchwasser sind zwei Säulen eines modernen Energiekonzeptes. Regenwasser von Dächern wird aufgefangen , das wenig verschmutzte Brauchwasser in Pflanzenkläranlagen gereinigt, beides in Brauchwasserspeichern gesammelt, ehe es genutzt wird. Das stärker verschmutzte Brauchwasser, das „Schwarzwasser“ wird über eine spezielle Terra-Perta-Anlage gereinigt und kann fürs gemeinsame Gärtnern verwendet werden.

Am Ende des Schnelldurchgangs durch moderne Stadtplanung waren die Zuhörer begeistert. Auf die Frage von Baudezernent Bosse, ob die Planer auf dieser Basis weiterarbeiten sollen, schallte ihm ein klares Ja entgegen. Am heutigen Donnerstag, 18.15 Uhr im Rathaus, befassen sich die Politiker im Ausschuss für Stadtentwicklung mit der Grünen Heyde. Dann übernehmen wieder die Fachleute, die ihre Überlegungen am 27. Februar wieder den Bürgern vorstellen wollen. Die Pläne sollen unter www.grüneheyde-norderstedt.de demnächst im Internet stehen.