Im Interview mit dem Abendblatt fordert Bürgermeister Hanno Krause mehr Hilfe von Bund und Land angesichts der Flüchtlingssituation.

Hamburger Abendblatt: Sie haben bei einem Gespräch mit Ministerpräsident Torsten Albig dem Land vorgeworfen, den Städten und Gemeinden nicht ausreichend zu helfen? Welche Hilfen erwarten Sie?

Hanno Krause: Ich erwarte von Bund und Land deutlich mehr finanzielle Mittel für die Vermittlung der deutschen Sprache, damit die Asylberber intensiver und somit schneller deutsch lernen. Denn ohne ausreichende Deutschkenntnisse können sie nicht schnell genug einer beruflichen Ausbildung oder Tätigkeit nachgehen und müssen viel zu lange von Soziallleistungen leben. Und ich erwarte die vollständige Übernahme der Kosten der Betreuung der Asylbewerber durch städtische Sozialarbeiter an den Unterkünften. Für Kaltenkirchen sind das Kosten für zurzeit drei Sozialarbeiter. Ferner erwarte ich, dass der Kreis Segeberg die Kreisumlage nicht erhöht und somit nicht noch zusätzlich die Städte und Gemeinden finanziell belastet. Und die Betreuung und Integration findet letztendlich an der Basis in den Städten und Gemeinden statt. Deshalb muss auch bei uns in den Städten und Gemeinden das Geld ankommen. Es gibt keine Landes-oder Kreisbürger. Es gibt aber Bürgerinnen und Bürger der Städte und Gemeinden.

Kaltenkirchens Bürgermeister Hanno Krause
Kaltenkirchens Bürgermeister Hanno Krause © Hanno Krause


Haben Sie den Eindruck, dass der Ministerpräsident die Sorgen verstanden hat?

Krause: Ich denke, ja. Und ich hoffe deshalb auf die nötigen finanziellen Mittel vom Land und dass sich Kiel für mehr Mittel beim Bund in unserem Sinne intensiv einsetzt. Es reicht die Feststellung der Landesregierung während des Flüchtlingsgipfels in Kiel eben nicht aus, dass wir nicht genügend Lehrer für Deutsch als Zweitsprache und Sozialpädagogen haben. Wir brauchen dann jetzt andere personelle Lösungen, indem wir andere geeignete Betreuungskräfte mobil machen, notfalls aus den Verwaltungen. Und damit meine ich auch die Landesverwaltung in Kiel. Warum sollte nicht auch geeignetes Verwaltungspersonal vorübergehend eine Betreuung vor Ort übernehmen können, bis besonders geschultes Personal zur Verfügung steht? Wir brauchen schnelle Lösungen.

Die Aufrechterhaltung des sozialen Friedens in den Orten ist stark abhängig von einer guten Betreuung der Flüchtlinge sowie der Aufrechterhaltung der Akzeptanz in der Bevölkerung. Allein über das hoch engagierte und überaus anzuerkennende Ehrenamt kann das nicht geleistet werden.

Kaltenkirchen baut am Festplatz ein Containerdorf für bis zu 400 Menschen und muss für die Betreuung der Flüchtlinge Personal einstellen. Kann sich die Stadt diesen Kraftakt leisten?

Krause: Die Kosten der Unterkunft für die Flüchtlinge bekommen die Städte und Gemeinden weitgehend erstattet. Allerdings müssen wir das im eigenen Haushalte erst mal vorfinanzieren. Einen geringen Teil der Betreuungskosten bekommen wir auch zurück, aber eben viel zu wenig.

Das Geld für den Ausbau der Unterkünfte und die personelle Betreuung hat unsere Stadtvertretung in Anerkennung der Situation mit einstimmigen Beschlüssen zur Verfügung gestellt.

Ob wir uns den finanziellen Kraftakt am Ende leisten können, hängt wesentlich von der ausreichenden Mittelzuführung Bund, Land und Kreis an unseren Haushalt ab. Unsere Investitionen am Hochseilgarten, also die jetzt dort erstellten Straßen und das Wohnhaus am Kamper Stieg können voraussichtlich später auch anders weiter genutzt werden. Die notwendig gemieteten Wohncontainer natürlich nicht. Uns ist es trotz aller Notwendigkeiten wichtig, die finanziellen Mittel möglichst nachhaltig einzusetzen.

Wenn Unterkunft und Verpflegung sichergestellt sind, müssen Flüchtlinge langfristig in einer Gemeinde integriert werden. Wie kann das gelingen? Und wie schnell?

Krause: Wir haben ein großes und stabiles Netzwerk von vielen hauptamtlichen und ehrenamtlichen Akteuren in unsere Stadt, die sich um die Integration tagtäglich kümmern. Auch die örtlichen Wohnungsunternehmen machen gut mit. Denn die dezentrale Unterbringung in frei werdenden Wohnraum verteilt auf das Stadtgebiet ist weiterhin unser Ziel. Dafür werden wir allerdings noch einige Jahre brauchen. Ich denke, wenn alles reibungslos funktioniert, also Wohnen, Betreuung, Sprache und Berufsausbildung, dann sind mindestens drei Jahre um, bevor ein Flüchtling selbstständig mit eigener Arbeit und ohne Sozialleistungen hier leben kann.

Welche Folgen kommen auf Kaltenkirchen und vergleichbare Orte zu, wenn nicht genügend Mittel für die Eingliederung der Flüchtlinge bereit stehen?

Krause: Sollten Bund und Land nicht ausreichend Mittel bereit stellen, belastet das natürlich direkt die Haushalte der Städte und Gemeinden, womit dann weniger Geld für das Stadt-oder Gemeindeleben zur Verfügung stehen würde. Wir dürfen es nicht zulassen, dass unsere Stadtentwicklung spürbar darunter leidet oder die Bevölkerung finanziell damit belastet wird. Dann müsste man befürchten, dass der bisher spürbare soziale Frieden in der Bevölkerung darunter leiden könnte. Das darf auf keinen Fall passieren.

Wie lange kann eine Stadt mit 20.000 Einwohnern auf das ehrenamtliche Engagement der Flüchtlingshelfer setzen?

Krause: Eine stabile Stadtgemeinschaft wird auch ein dauerhaft starkes Ehrenamt haben, so wie in Kaltenkirchen. Bewiesen hat sich unser starkes Ehrenamt zum Beispiel bereits seit vielen Jahren in den Vereinen und in der freiwilligen Feuerwehr. Allerdings müssen wir weiterhin das Ehrenamt politisch und hauptamtlich gezielt unterstützen. Die jetzige Intensität der ehrenamtlichen Betreuung der Flüchtlinge kann dauerhaft nicht leistbar sein. Wir wünschen uns, dass diese Belastung kurz- bis mittelfristig abnimmt. Das hängt natürlich wesentlich von der Beendigung der Kriege und von der Einigung der EU Staaten zu einer gerechten Verteilung der Flüchtlinge durch gerechte Quoten ab. Hier können die EU-Staaten beweisen, dass sie eine starke Gemeinschaft sind.

Die Tennisanlage der KT wird als Unterkunft Flüchtlinge hergerichtete. Wie reagieren die Sportler darauf?

Krause: Wir haben immer gesagt: Wenn eine Sporthalle genutzt werden muss, dann eine ohne Schulsport. Daran haben wir uns gehalten. Die stadteigene Tennishalle, welche von der Stadt der KT ausschließlich für den Tennissport zur Verfügung gestellt wurde, war nur der Notfallplan. Dieser Plan war vorher mit dem KT-Vorstand besprochen. Leider überholten uns rasant wie überall die Ereignisse, weshalb die Halle nun leider kurzfristig zur vorübergehenden Unterbringung hergerichtet werden muss. Ich habe das den Sportlern in einem Gespräch im Vereinsheim persönlich erklärt. Die Sportler sahen die Situation grundsätzlich ein, und wir haben uns über die Auflösung der Vertrages zur Tennishalle geeinigt. Dennoch war es natürlich ein Verlust, der zum Teil durch das Ausweichen der Sportler auf die Tennishalle des TC an der Schirnau ausgeglichen werden konnte. Nochmals danke an die Tennissparten. Die Tennishalle des TC an der Schirnau sowie die dortige Gastronomie sind von der Unterbringung mit Flüchtlingen nicht betroffen.

Welche Konsequenzen muss Kaltenkirchen ziehen, wenn Zahl der Flüchtlinge konstant hoch bleibt?

Krause: Wir kennen die tatsächliche Entwicklung der Zahlen nicht, auch nicht die Zahl der Familienangehörigen, die möglicherweise nach Anerkennung nachgeholt werden. Wir leben mit vagen Schätzungen. Das macht uns Sorgen. Trotzdem ich den festen Eindruck gewonnen habe, dass auch in Kaltenkirchen die Bürgerschaft, Politik und Verwaltung fest zusammen halten und im Verständnis für die schwierigen Lebenssituationen der Flüchtlinge außergewöhnlich viel bewegen können. Wir brauchen aber mehr Planungssicherheit. Und wir brauchen meiner Meinung nach auch eine Begrenzung der Zahlen, indem Flüchtlinge aus sicheren Länder gar nicht erst nach Deutschland kommen und die von Krieg gezeichneten Herkunftsländer sicher gemacht werden. Wir können nicht jedes Jahr 300 bis 400 Flüchtlinge aufnehmen, wenn wir weiterhin von menschenwürdiger Unterbringung oder erfolgreicher Integration in unsere Stadtgemeinschaft sprechen wollen.

180 Wohncontainer für 400 Menschen

Per Eilentscheidung hatte Krause im September entschieden, bis zum Jahresende 40 Container für Flüchtlinge am Festplatz aufzustellen. Mit einer weiteren Eilentscheidung ordnete er im Oktober die Anmietung von 150 weiteren Containern an, die 2016 eintreffen werden.

400 Menschen können dann in dem Containerdorf an der Straße Im Grunde am stillgelegten Hochseilgarten untergebracht werden.

Die Tennishalle der KT wird seit dem 1. November als Flüchtlingsunterkunft eingerichtet. Die Stadt hat den Mietvertrag für das Gebäude gekündigt. Die Halle soll kurzfristig genutzt werden, falls die Container nicht ausreichen. Derzeit wird dort ein neuer Boden verlegt. Zäune sollen für Sichtschutz sorgen.

Die Halle wäre die einzige im Kreis Segeberg, die für Flüchtlinge bereit steht. tz

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