Bad Bramstedt. 300 rheumakranke Kinder und ihre Eltern fordern in Bad Bramstedt Fortsetzung erfolgreicher Therapien. Krankenkassen stellen sich quer.

Stephanie Vogel weiß nicht mehr weiter. Ihre siebenjährige Tochter Josefine leidet unter Rheuma und sitzt meistens im Rollstuhl. Die Schmerzen sind häufig sehr stark. Die einzige Therapie, die dem Kind geholfen hat, sind die Infusionen des Bramstedter Kinderarztes Nicolay Tzaribachev. Doch damit ist es am 30. Juni vorbei. Die Krankenkassen wollen seine Therapie nicht mehr bezahlen.

Demo für Rheumakinder

Der Protestzug war von der Kirche zur Praxis von Nicolay Tzaribachev unterwegs
Der Protestzug war von der Kirche zur Praxis von Nicolay Tzaribachev unterwegs © Wolfgang Klietz | Wolfgang Klietz
Rheumakranke Kinder und ihre Eltern waren nach Bad Bramstedt gekommen
Rheumakranke Kinder und ihre Eltern waren nach Bad Bramstedt gekommen © Wolfgang Klietz | Wolfgang Klietz
Ordner mussten den Verkehr auf den Kreuzungen stoppen
Ordner mussten den Verkehr auf den Kreuzungen stoppen © Wolfgang Klietz | Wolfgang Klietz
Eltern und Kinder fordern eine Fortsetzung der Infusionstherapie
Eltern und Kinder fordern eine Fortsetzung der Infusionstherapie © Wolfgang Klietz | Wolfgang Klietz
Kerstin Bennecke beklagt mangelnde politische Unterstützung
Kerstin Bennecke beklagt mangelnde politische Unterstützung © Wolfgang Klietz | Wolfgang Klietz
Die Kinder wollen weiter bei Tzaribachev behandelt werden
Die Kinder wollen weiter bei Tzaribachev behandelt werden © Wolfgang Klietz | Wolfgang Klietz
Treffpunkt des Protestzugs war der Vorplatz der Maria-Magdalenen-Kirche
Treffpunkt des Protestzugs war der Vorplatz der Maria-Magdalenen-Kirche © Wolfgang Klietz | Wolfgang Klietz
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Auch Berthold Scheffel ist mit dem Nerven am Ende. Rheuma bereitet seiner 16 Jahre alten Tochter Julie-Anne starke Schmerzen. Regelmäßig fährt er sie zu Tzaribachevs Infusionen nach Bad Bramstedt. Scheffel hat im Universitätsklinikum Hamburg-Eppendorf (UKE) nachgefragt, ob die Ärzte dort die Therapie fortsetzen können. Doch im UKE sind die Termine bis Ende Oktober ausgebucht. So lange kann Julie-Anne nicht warten: Die Entzündungen werden ihre Gelenke weiter zerstören, sie wird unter starken Schmerzen leiden. Auch Stephanie Vogel hat viele Krankenhäuser um eine Fortsetzung der Therapie gebeten – ohne Erfolg.

300 Eltern und Kinder haben am Sonnabend in Bad Bramstedt gegen die Entscheidung der Krankenkassen protestiert, Tzaribachevs Praxisleistungen nicht mehr zu bezahlen. „Wir haben Rheuma, wir brauchen Hilfe!“, riefen die Teilnehmer auf ihrem Weg von der Kirche zur „Rheumatologischen Kinderpraxis Tzaribachev“ (Rhe.ki.tz) am Bahnhof. Immer wieder legten die Teilnehmer kurze Pausen für die Jungen und Mädchen ein, die auf Unterarmstützen oder im Rollstuhl an dem Marsch teilnahmen. „Wir sind einer Lücke im System zum Opfer zum Opfer gefallen“, sagt die Elmshornerin Kerstin Bennecke, die den Protest organisiert hat.

Tzaribachev hatte seine Praxis nach seinem Abschied als Leiter der Kinderrheumatologie des Klinikums Bad Bramstedt im Jahr 2013 eröffnet und versorgt 300 rheumakranke Kinder mit Infusionen, die die entzündlichen Prozesse im Körper bekämpfen.

Kinderärzte können Leistung nicht abrechnen

Das Problem: Niedergelassene Kinderärzte können diese Leistungen nicht abrechnen. „Das ist eine klassische Krankenhausleistung“, sagt Marco Dethlefsen von der Kassenärztlichen Vereinigung Schleswig-Holstein (KVSH).

„Auf der anderen Seite gibt es aber die betroffenen Kinder und deren Eltern, denen geholfen werden muss“, sagt Dethlefsen. Die KVSH habe sich darum entschieden, Tzaribachev befristet eine Ausnahmegenehmigung zu erteilen, damit er die Infusionen zunächst abrechnen kann. Dafür standen pro Quartal 30.000 Euro bereit.

„Juristisch ist das sehr heikel“, sagt Dethlefsen. Darum habe seine Organisation stets darauf hingewiesen, dass diese Mittel zeitlich begrenzt werden. „Uns sind die Hände gebunden.“

Als absehbar war, dass die KVSH nicht weiter zahlen darf, begannen die Prüfungen, ob Tzaribachev per Sondervertrag direkt mit einzelnen Krankenkassen abrechnen kann. Doch die Kassen haben abgelehnt. Ein Gutachten des Medizinischen Dienstes der Krankenkassen habe ergeben, dass Krankenhäuser in Lübeck, Kiel und Heide die Versorgung übernehmen können.

„Eine Sondervergütung ist nicht zulässig, weil es dafür keinen Grund gibt“, sagt Florian Unger vom Verband der Ersatzkassen. Der Verband habe die Krankenhäuser informiert, dass Kinder aus laufenden Therapien zu ihnen kommen werden. Er bestreitet, dass es ohne Tzaribachevs Arbeit zu einer Versorgungslücke kommt.

Versorgung ist nicht gesichert

Doch genau das befürchten die Eltern und ihre Kinder, die Sozialpolitiker angeschrieben haben, Onlinepetitionen starten und ihr Problem im Sozialausschuss des Landtags geschildert haben. Bisher habe kein einziges Kind einen neuen Infusionsplatz erhalten. Viele Patienten würden von den Kliniken aus den Herbst vertröstet. „Die Versorgung ist nicht gesichert. Und schon gar nicht mit einem Infusionskind“, sagt sie. Wissentlich überlasse man die Kinder in schweren Rheumaschüben und Schmerzen. „Wir haben nur noch wenige Tage, dann ist unsere Frist abgelaufen“, sagt sie. „Alle Politiker haben Unterstützung zugesagt“, sagt Kerstin Bennecke. „Aber wo sind sie?“

Kerstin Bennecke fordert die Krankenkassen auf, die Infusionen im Rhe.kit.tz zu bezahlen. Nächster Schritt sollen eine Eilpetition im Landtag und eine Sammelklage sein. Schon 100 Väter und Mütter haben signalisiert, sich daran zu beteiligen. Außerdem müssen sich die Kassen darauf einstellen, möglicherweise kurzfristig zur Zahlung gezwungen zu werden. Mit Hilfe einer Rechtsanwältin wollen Eltern eine Eilantrag beim Sozialgericht einreichen.

Tzaribachev musste bereits drei Ärzte entlassen, darunter zwei angehende Kinderrheumatologen. „Der Bedarf kann von Krankenhäusern nicht gedeckt werden“, sagt der Mediziner über die Infusionstherapie. Außerdem sei die Therapie dort teurer als in seiner Praxis.

Für das Verhalten der Krankenkassen hat er kein Verständnis. „Viele Kinder sind raus aus dem Rollstuhl. Darum geht es, nicht um mich.“