Norderstedt. 48 Jahre alte Angeklagte nutzte Gutmütigkeit des Norderstedter Rentners schamlos aus. Es geht um mindestens 20.000 Euro.

Es war im Umfeld und in der Nachbarschaft des Norderstedters Karl S., 92, bekannt, dass der alte Herr öfter Besuch von wesentlich jüngeren Damen erhielt, denen er gelegentlich großzügig Geldscheine zusteckte. Wofür genau, ist nicht bekannt. Der Rentner fühlte sich allein und war nach Aussage seiner Tochter für Aufmerksamkeit oder kleine Zärtlichkeiten dankbar. Die Großzügigkeit von Karl S. mag sich bis zu Rosita K., 48, aus Hamburg herumgesprochen haben, denn sie nutzte die Leichtgläubigkeit und Gutherzigkeit des Rentners eiskalt aus. An einer Bushaltestelle in Norderstedt sprach die jetzt wegen Betruges und Diebstahl vor dem Norderstedter Amtsgericht angeklagte Frau den Senior an und erzählte ihm, sie brauche dringend Geld für einen Umzug und für Möbel. S. fuhr zunächst in Begleitung der Angeklagten zu seiner Wohnung. Dort soll die Angeklagte die EC-Karte aus der Geldbörse des Rentners entwendet haben. Um die Tat zu vertuschen, soll sie die EC-Karte der verstorbenen Ehefrau des Rentners in die Geldbörse gesteckt haben.

Angeklagten behauptet, sie habe geputzt

Der betagte Mann gab Rosita K. dann 1000 Euro, was diese vor Gericht auch einräumte. Allerdings behauptet die Angeklagte, sie habe in der Wohnung des Rentners geputzt. Karl S. habe sie dann um sexuelle Dienste gebeten, die sie ihm auch geboten habe, ein richtiger Geschlechtsverkehr sei jedoch wegen des Alters des damals 91-Jährigen nicht zustande gekommen. Dennoch sei S. so begeistert von ihr gewesen, dass er verkündet habe, er wolle ihr etwas schenken. Daraufhin seien sie und S. zu dessen Bank gefahren, wo er aus seinem Schließfach weitere 10.000 Euro geholt und ihr übergeben habe. Die Staatsanwaltschaft ging in ihrer Anklage davon aus, dass es einen Mittäter gegeben habe, denn Karl S. hatte in ersten Vernehmungen bei der Polizei erklärt, sie seien mit einem Mann in dessen Auto zu der Bank gefahren. Und diesem Mann habe er den Geldumschlag überreicht, wobei das Pärchen gefragt habe, ob irgendjemand von dem Geld wisse, was der Rentner verneint habe. Der unbekannte Mittäter konnte nicht ermittelt werden. Die Angeklagte behauptet, sie und ihr Opfer seien per Taxi zur Bank gefahren, wo sie auch nur 9400 Euro aus dem Schließfach des Rentners erhalten habe.

Die Vernehmung des Betrugsopfers erweist sich für Amtsrichterin Dagmar Goraj als äußerst mühsam: Dicht vor dem Zeugen sitzend stellt sie dem fast blinden, mittlerweile an leichter Demenz Erkrankten mit lauter Stimme ihre Fragen. Der hochbetagte Mann erinnert sich nur bruchstückhaft an das Geschehen, weiß auch nicht mehr, wie er zur Bank gekommen ist. Mit Bestimmtheit sagen kann er aber, dass eine Frau dringend Geld für eine Wohnungseinrichtung gebraucht habe.

Mehr als 20.000 Euro leihweise überlassen

„Ich glaubte, richtig zu handeln. Ich wollte ihr helfen“, erklärt der Zeuge und betont mehrfach, dass er der Dame, die er im Gerichtssaal wegen seiner stark verminderten Sehfähigkeit nicht wiedererkennt, das Geld – seiner Meinung nach – mehr als 20.000 Euro nur leihweise überlassen habe. Es sei vereinbart gewesen, dass die Dame das Geld zurückzahlen sollte. An Zärtlichkeiten oder gar sexuelle Handlungen, die er mit Rosita K. ausgetauscht haben soll, kann sich der alte Herr beim besten Willen nicht erinnern.

Auch die Tochter des Rentners, Regina G., 69, hält die Vorstellung, ihr Vater solle Sex mit der Angeklagten gehabt haben, für absurd. „Sehen sie ihn sich doch an, dazu ist er nicht mehr in der Lage,“ erklärt die Zeugin energisch. Regina G. versteckte sich in der Wohnung ihres Vaters, als die Angeklagte am Tag nach der Geldübergabe dort mit ihrer Tochter und einer Flasche Rotwein erneut erschien – angeblich, um zu putzen. G. beobachtete aus einem Versteck, wie eine der Frauen vor ihrem Vater ihre Brust entblößte. Mit derlei Anblicken und dem Wein hätten sie ihren damals noch geistig auf der Höhe befindlichen Vater einlullen wollen, so die Zeugin. Von Saubermachen habe es keine Spur gegeben, das sei auch nicht nötig gewesen, da ihr Vater stets reinlich und penibel gewesen sei. Regina G. rief die Polizei, die schnell die Angeklagte als Betrugstäterin ermittelte. Eine Wohnungsdurchsuchung bei der Angeklagten blieb ergebnislos.

Angeklagte gibt zu, dass Geld Leihgabe war

„Wo ist das Geld geblieben?“, fragt die Richterin die Angeklagte. „Das habe ich für Möbel und Klamotten ausgegeben. Ich wollte mir mal etwas gönnen“, erklärt die Angeklagte, die angeblich bedauert, nie eine Ausbildung absolviert oder gearbeitet zu haben. Weil sie so früh Kinder bekommen habe, sei das nicht möglich gewesen, beklagt sich die Mutter von fünf Kindern und ergänzt in jammerndem Tonfall, dass sie auf geringe Sozialleistungen zum Leben angewiesen sei.

Nach kurzem Rechtsgespräch stellt das Gericht der Angeklagten im Falle eines Geständnisses in Aussicht, sie werde mit einer Geldstrafe davonkommen. So ringt sich die Angeklagte zu der Erklärung durch, dass sie gewusst habe, dass das Geld eigentlich nur eine Leihgabe gewesen sei, sie aber zu keiner Zeit eine Rückzahlungsabsicht gehabt habe. Die EC-Karte habe sie jedoch nicht gestohlen. Da sich die Angelegenheit in diesem Punkt nicht aufklären lässt, stellt das Gericht in diesem Punkt das Verfahren ein.

Der Staatsanwalt betont in seinem Plädoyer, wie verwerflich das Handeln der Angeklagten gewesen sei. „Sie haben die vermutlich auf das fortgeschrittene Alter zurückzuführende Naivität des alten Mannes ausgenutzt sowie seine Gutgläubigkeit“, so der Jurist, der ergänzt, dass es günstig gewesen sei, dass das Betrugsopfer schnell vergesse oder sogar mit seinem baldigen Tod zu rechnen gewesen sei.

„Es tut mir sehr leid“, erklärt die Angeklagte und akzeptiert das Urteil von 1800 Euro, die sie in monatlichen Raten von 60 Euro abstottern darf.