Tangstedt. Die Gemeinde Tangstedt schafft zusätzliche Kapazitäten für Asylbewerber und will zudem neue Schlichtwohnungen bauen.
Den gesamten Sommer haben sich die Tangstedter den Kopf darüber zerbrochen, wie sie Wohnraum schaffen können für Flüchtlinge – und das möglichst kurzfristig. Dabei lag das Gute doch so nahe, und zwar direkt im Rathaus, wo nun bis zu 20 Asylbewerber einziehen sollen. „Erst war die Turnhalle im Gespräch. So gesehen ist es eine glückliche Fügung, dass wir hier gelandet sind“, sagt Bürgermeister Norman Hübener.
Fieberhaft wird in diesen Tagen der alte, zweigeschossige Flügel des Gebäudes an der Hauptstraße renoviert, umgebaut, eben wohnlich gemacht. Als Tangstedt noch seine eigene Verwaltung hatte, waren dort unter anderem die Kämmerei und das Bauamt untergebracht. Provisorisch diente der Trakt sogar einmal der Kindertagesstätte als Ausweichstandort, zuletzt hatte sich eine Versicherung eingemietet, momentan bietet die Volkshochschule noch einige Kurse an.
Doch die Prioritäten liegen angesichts der permanent wachsenden Zahlen von Asylbewerbern eben anderswo. Wenige im Dorf wissen das so gut wie Brigitte Schippmann. Die 62-Jährige ist vielen Bürgern noch aus ihrem Laden „Basteln und Schenken“ bekannt, den sie in diesem Jahr geschlossen hat. Heute ist sie – unter anderem – eine von zwei Asylbeauftragten auf Amtsebene. Anders ausgedrückt: eine Kümmerin. Schippmann ist Ansprechpartnerin für Behörden und Lokalpolitiker, sie vermittelt innerhalb des Helferkreises und transportiert Möbel und Kleidung. Dazu holt die Tangstedterin, die auch im Deutschen Roten Kreuz und bei der Bürgerstiftung engagiert ist, persönlich Flüchtlinge bei der Verwaltung in Itzstedt ab.
In ihrer Heimatgemeinde werden die Menschen aus den weltweiten Krisengebieten freundlich aufgenommen, einen anderen Eindruck hat Brigitte Schippmann bisher nirgendwo erhalten. „Tangstedt ist sehr großzügig, man muss nur einen Hilfeaufruf setzen.“ Beispielsweise im Falle der neuen Unterkünfte im Rathaus-Nebentrakt. Hier wirbeln Schippmann und ihre Mitstreiter vom Helferkreis durch die Räume, beziehen Betten mit Daunenbezügen, stellen Kartons voller Handtücher ab, die Kleiderschränke sind bereits aufgebaut, in der Küche ist das Geschirr geputzt und sorgfältig in die Regale geräumt. Auch Waschmaschine und Spülmaschine können den Betrieb aufnehmen. „Alles ist bunt zusammengewürfelt, aber heil und funktionsfähig“, sagt Schippmann.
Formale Umwidmung wird nötig
Die sanitären Einrichtungen sind teils schon vorhanden, eine weitere Dusche wird noch installiert. Was noch fehlt, ist vielleicht ein wenig Farbe, ein paar Bilder für die weißen Wände. „Aber bitte schon mit Rahmen“, sagt Brigitte Schippmann. Einige der Räume sind bezugsfertig, doch Tangstedt wartet weiterhin auf grünes Licht aus Bad Oldesloe. Denn bevor die ersten Flüchtlinge hier begrüßt werden können, muss die formale Umwidmung vollzogen werden, da das Gebäude offiziell noch als „Gewerbe“ geführt wird.
Leidtragende wird es bei dieser Lösung auch geben. Darunter Schippmann selbst, die für die Volkshochschule im ersten Geschoss Nähkurse veranstaltet, aber noch nicht genau weiß, wo sie sich mit den Teilnehmern künftig treffen kann. „Wir hatten drei Räume im Obergeschoss, die wir zusätzlich nutzen konnten. Die Raumplanung muss jetzt zum Teil im laufenden Semester neu begonnen werden“, sagt Beate Wiegrefe, Leiter der VHS.
Mit Blick auf die vom Amt unlängst veröffentlichten Quoten ist Tangstedt weiter unter Druck, Kapazitäten zu schaffen. Aktuell sind der Gemeinde 60 Flüchtlinge zugewiesen, bis März 2016 könnten es schon 144 sein. Diese werden nicht alle im Ort unterkommen können, das weiß auch die Verwaltung. Fest steht zumindest, dass die Schlichtwohnungsanlage im Ortsteil Tangstedt erweitert werden soll. Die nötigen Beschlüsse sind von der Gemeindepolitik bereits gefasst worden – das vorhandene „L“ wird baulich gespiegelt, dann könnten zusätzliche Kapazitäten für bis zu 35 Personen entstehen. Auch für die Kleiderkammer des Deutschen Roten Kreuzes stünde dann mehr Platz zur Verfügung. Derzeit leben in den 40 bis 60 Quadratmeter großen Wohnungen 24 Menschen, darunter mehrere Familien mit Kleinkindern.
Wie bisher soll auch der größere Komplex in Gemeindehand bleiben und lediglich an das Amt vermietet werden. Hintergrund ist, dass Tangstedt hiermit Einfluss nehmen könnte auf eine mögliche Nachnutzung. „Die Schlichtwohnungen zu erweitern, war die schnellste und unkomplizierteste Möglichkeit“, sagt Bürgermeister Hübener. Er hofft, dass die Baumaßnahmen sogar schon in diesem Jahr beginnen, dann könnten im Frühherbst 2016 die ersten Flüchtlinge dort einziehen. Parallel wird weiter intensiv nach passenden Bauflächen oder vorhandenen Immobilien gesucht, die angemietet werden können. „Und das ist für die Eigentümer kein Verlustgeschäft“, betont Hübener, „die Mietpreise sind für den Ort angemessen.“