Kreis Segeberg. Immer mehr Menschen erreichen den Kreis Segeberg. Das Aufnahmelager Boostedt wird ausgebaut. THW und Polizei im Dauereinsatz.
Die dramatisch steigende Zahl der Flüchtlinge stellt Helfer und Behörden im Kreis Segeberg vor wachsende Herausforderungen. Die Ausländerbehörde des Kreises hat die Zahl der unterzubringenden Personen in den vergangenen Wochen ständig nach oben korrigieren müssen. Niemand könne mit Gewissheit sagen, wie viele Flüchtlinge in diesem Jahr tatsächlich nach Deutschland kommen und über die Länder in die Kreise und Kommunen verteilt werden, heißt es in der Kreisverwaltung.
Die letzte verbindliche Zahl, die von der Ausländerbehörde herausgegeben wurde, stammt vom 19. August. Damals hieß es, dass in diesem Jahr etwa 1900 Flüchtlinge in den Kreis Segeberg kommen. Diese Prognose ist längst nicht mehr aktuell. Derzeit gilt diese Formel: Etwa 1000 Flüchtlinge kommen pro Woche in Schleswig-Holstein an – 75 bis 100 davon werden auf den Kreis Segeberg verteilt. Die meisten von ihnen muss die Stadt Norderstedt unterbringen: Etwa 30 bis 33 pro Woche oder 462 weitere bis zum Jahresende (knapp 30 Prozent). Henstedt-Ulzburgs Kontingent beträgt 10,84 Prozent. Das sind zehn bis elf Flüchtlinge pro Woche, 140 bis 154 bis zum Jahresende. Kaltenkirchen nimmt 7,98 Prozent auf (acht Personen pro Woche/112 bis zum Jahresende). Bad Bramstedts Quote beträgt 5,4 Prozent. Die Quote der Ämter liegt zwischen 4,25 Prozent (Amt Kisdorf) und 4,89 Prozent (Amt Itzstedt).
Einige Vergleichszahlen: Zum Jahresanfang war man davon ausgegangen, dass Norderstedt im ganzen Jahr 620 Flüchtlinge unterbringen muss, Henstedt-Ulzburg 206, Kaltenkirchen 150, Bad Bramstedt 95 und Bad Segeberg 120.
Wohncontainer in der Lettow-Vorbeck-Kaserne
Eine weitere Landesunterkunft für Flüchtlinge ist im Segeberger Levo-Park an der Bramstedter Landstraße geplant. Auf dem Gelände der ehemaligen Lettow-Vorbeck-Kaserne sollen Wohncontainer aufgestellt werden, in denen bis zu 800 Menschen vorübergehend wohnen können. Nach den bisherigen Plänen sollten die Container auf dem ehemaligen Kasernen-Sportplatz stehen. Nach Angaben der Landespolizei soll die Fläche angemietet werden, sobald Wohncontainer zur Verfügung stehen.
Bis jetzt wurden etwa 60 Flüchtlinge aus den Erstaufnahmelagern Boostedt und Neumünster einmal in der Woche in Bad Segeberg empfangen und von dort in die anderen Orte und Ämter im Kreisgebiet verteilt. Das wird sich ändern: Ab Montag, 14. September, werden täglich Flüchtlinge am Bahnhof der Kreisstadt eintreffen.
Sondersitzung in Boostedt
Im Erstaufnahmelage Boostedt ist die Zahl der Menschen auf 850 gestiegen. Noch vor wenigen Monaten hatte das Land der Gemeinde zugesagt, in den stillgelegten Blöcken der Rantzau-Kaserne maximal 500 Männer, Frauen und Kinder unterzubringen. Doch davon ist seit knapp einer Woche keine Rede mehr. Die Bundeswehr hat weitere Gebäude freigemacht. Der Zaun, der die Unterkunft vom militärischen Teil des Grundstücks trennt, wird regelmäßig versetzt.
Als die voll besetzten Züge aus Ungarn in Richtung Deutschland rollten, meldete sich Manuela Söller-Winkler aus dem Kieler Innenministerium beim Boostedter Bürgermeister Hartmut König und informierte ihn über die Pläne. König berief daraufhin kurzfristig eine Sondersitzung der Gemeindevertretung ein, die einstimmig dem Land Unterstützung zusagte. Im Oktober ist eine Einwohnerversammlung zum Thema Flüchtlinge in Boostedt geplant. „Aktuell ist keine weitere Erhöhung vorgesehen“, sagt Susanne Berndt vom Landesamt für Ausländerangelegenheiten.
THW baute 240 Betten zusammen
Um die Flüchtlinge in den Erstaufnahmelagern in Boostedt und Neumünster mit Schlafplätzen und Essen zu versorgen, sind Männer und Frauen des Technischen Hilfswerks (THW) aus Kaltenkirchen, Bad Segeberg und anderen Ortsverbänden im Einsatz. Vom 1. September bis zum Freitag versorgten 30 Helfer aus der Region 1200 Flüchtlinge in Neumünster mit Mahlzeiten. Am Anfang war das THW von 400 Menschen ausgegangen.
Ehrenamtliche THW-Mitarbeiter aus Norderstedt, Kaltenkirchen und Bad Segeberg werden immer wieder zur Unterstützung nach Boostedt gerufen. „Wir unterstützen die unterschiedlichsten Partnerorganisationen und Ordnungsbehörden mit unserer Verpflegungslogistik, der Einrichtung von Notunterkünften, Elektroversorgung, Beleuchtung und Infrastruktur“, sagt Kaltenkirchens THW-Chef Mirco Grönwoldt. Am Freitagmorgen bauten die Männer und Frauen 240 Betten zusammen, die das Landesamt gekauft hatte. Am Nachmittag richteten sie Sandkisten für die Kinder ein. Außerdem setzte das THW bereits gekappte Wasserleitungen für die Gebäude wieder instand.
„Die Aufträge ergeben sich von heute auf morgen, manchmal auch im Laufe des Tages“, sagt der Sprecher des THW-Landesverbands, Thomas Krimm. Er hat festgestellt, dass die Arbeitgeber bereit sind, die ehrenamtlichen Helfer freizustellen. „Noch treffen wir auf Akzeptanz“, sagt Krimm. „Die Situation wird sich jedoch über Monate hinziehen.“ In den Ortsverbänden hat das THW Alarmbereitschaften gebildet, die kurzfristig mobilisiert werden können.
Die Bundespolizei in Bad Bramstedt hat in der vergangenen Wochen kurzfristig 100 Flüchtlinge in ihrer Sporthalle einquartiert. Inzwischen wurden die Menschen auf andere Unterkünfte verteilt. Die Halle steht für bis zu 150 Menschen zur Verfügung, die schnell einquartiert werden müssen. Ihre Versorgung übernimmt das Rote Kreuz.
Polizei hilft regelmäßig im Erstaufnahmelager
Der wachsende Flüchtlingszustrom führt bei der ohnehin stark belasteten Polizei zu weiteren Personalproblemen. „Wir brauchen neue Stellen“, heißt es. Die Polizeidirektion stellt Personal für die Station in der Boostedter Unterkunft und hilft regelmäßig im Lager in Neumünster aus. Dort sind rund um die Uhr mehr als zehn Bereitschaftspolizisten für die Sicherheit verantwortlich, die jedoch im Durchschnitt einmal pro Woche für Soforteinsätze abgezogen werden. Dann müssen kurzfristig Polizisten aus den Wachen aus dem Kreis Segeberg und anderen Regionen die Lücken füllen.
Für eine weitere Arbeitsbelastung sorgen bislang nicht registrierte Flüchtlinge, die sich in einer Wache melden, sowie Einsätze in den Unterkünften der Städte und Gemeinden. „Die Grenzen der Belastung in den örtlichen Dienststellen sind erkennbar“, sagte ein Beamter.
Die freiwilligen Feuerwehren wurden bislang nur in Einzelfällen um Unterstützung gebeten, beispielsweise wenn es um Transporte von Betten ging. Kreiswehrführer Holger Gebauer geht jedoch davon aus, dass seine Kameraden verstärkt zu Hilfe gerufen werden. Gebauer sagte: „Der Tag X wird kommen.“
Tangstedt: Weitere Schlichtwohnungen?
Die Gemeinde Tangstedt muss, wie alle Kommunen in der Region, in den nächsten Wochen Fakten schaffen. Weil der größte Ort im Amtsgebiet Itzstedt seine Aufnahmequote um 50 Prozent verfehlt, rät die Verwaltung nachdrücklich dazu, die bestehende Schlichtwohnungsanlage im Ortsteil Tangstedt zu vergrößern – im Gespräch sind rund 20 Wohneinheiten für 40 Personen. Bis Jahresende sollen dem Ort 64 Flüchtlinge zugewiesen werden, derzeit sind 27 untergebracht. All dies basiert jedoch auf überholten Zahlen, sodass die realen Zahlen weitaus höher sein dürften.
Während der Gemeindevertretersitzung am Dienstag, 15. September (20 Uhr, Rathaus), sollen sowohl der Standort als auch die Trägerschaft – entweder Tangstedt oder das Amt Itzstedt – festgelegt werden. An der Notwendigkeit gibt es keinen Zweifel. Doch dass die Unterkünfte an einem Standort konzentriert werden könnten, sorgt für Skepsis, etwa bei der Bürgergemeinschaft Tangstedt (BGT). Lothar Metz, Vorsitzender der größten Fraktion, würde es begrüßen, eine zweite Fläche in Betracht zu ziehen, etwa südlich des Nahversorgungszentrums unweit der Bundesstraße 432.