Tangstedt. Die Integration von Flüchtlingen funktioniert zwar gut, doch die Gemeinde verfehlt ihre Aufnahmequote bisher deutlich.
Wer wissen möchte, wie die Integration von Flüchtlingen in Tangstedt vorankommt, muss sich bloß einmal mit Musayev Tamirlan unterhalten. Der 39 Jahre alte Tschetschene lebt mit seiner Frau Sarema Sigaewa und den fünf Kindern in einer der Schlichtwohnungen am Rande der Gemeinde. Dort sind sie nicht allein, haben Menschen aus dem Jemen, aus Afghanistan, Armenien, Serbien oder Mazedonien als Nachbarn. Auch ein Mann aus Deutschland ist hier zu Hause, denn die Wohnungen werden gleichermaßen für Obdachlose genutzt. Eine bunte Mischung also, doch in der Praxis klappt das Miteinander. „Mein ältester Sohn hilft den Afghanen dabei, schnell Deutsch zu lernen“, sagt Tamirlan – und das seinerseits in einem zwar langsamen, aber verständlichen Deutsch.
Seit eineinhalb Jahren lebt die Familie in Deutschland. Daheim in der Hauptstadt Grosny arbeiteten beide Eheleute als Bürokräfte, meist für Rechtsanwälte, doch sie flohen vor den politischen Verhältnissen. „Der Krieg ist vorbei, aber die Situation mit den Menschenrechten ist nicht gut, es ist eine Diktatur, die Polizei wie eine Mafia“, so Tamirlan, der regelmäßig Deutschkurse besucht. In Tangstedt fühlten sie sich vom ersten Tag an willkommen, werden bei ihren Alltagsfragen unter anderem vom Deutschen Roten Kreuz oder den Aktiven Senioren unterstützt. „Wir waren über die Hilfe überrascht. Die Leute bringen Spielzeug, Fahrräder, Kleidung, das würde es in Russland nicht geben.“
Aufnahmequote um 61 Personen verfehlt
Doch selbst Tamirlan hat bereits von einem Problem gehört, das die Gemeinde unter Zugzwang setzt. Denn Tangstedt nimmt, gemessen an seiner Einwohnerzahl von 6758, deutlich zu wenig Flüchtlinge auf, verfehlt die vorgegebene Quote von 87 um 61 Personen. Torge Sommerkorn, Leiter der Ordnungsabteilung im zuständigen Amt Itzstedt, erklärt das Dilemma. „Zur Ehrenrettung: Tangstedt liegt im Hamburger Speckgürtel. Es ist schwierig, Wohnungen auf dem freien Markt zu finden. Wir sind derzeit kaum in der Lage, Flüchtlinge dort unterzubringen.“
Extra, um Immobilien in der Region aufzutreiben, hat er zusätzliches Personal eingestellt, das beispielsweise im Internet permanent nach interessanten Angeboten sucht. Zwar gehört Tangstedt zum Kreis Stormarn, doch dies bedeutet lediglich, dass die Kontingente eben nicht von der Ausländerbehörde in Bad Segeberg, sondern aus Bad Oldesloe zugewiesen werden. Weil die Kapazitäten allerdings hinten und vorne nicht ausreichen, müssen andere Orte einspringen, haben ihr Soll wie etwa Oering und Seth sogar übererfüllt.
Notfalls könnte Turnhalle genutzt werden
Ein Dauerzustand darf das nicht sein. Aus dem Amt ist bereits zu hören, dass notfalls in Tangstedt auch Sporthallen genutzt werden könnten. „Es bliebe uns nichts anderes übrig“, so Torge Sommerkorn. Eine Option, die deswegen nun diskutiert wird, ist der Neubau einer Unterkunft – beispielsweise als Erweiterung der beschriebenen, kleinen Siedlung mit Schlichtwohnungen. Doch auch wenn die Zeit drängt, wird sich der Bauausschuss nicht auf seiner nächsten Sitzung am 2. September mit diesem Thema beschäftigen. Hans-Detlef Taube (FDP), Vorsitzender des Gremiums, nennt vielmehr den 24. September als Termin für eine außerordentliche Sitzung. „Wir müssen Flüchtlinge aufnehmen und deswegen Lösungen schaffen“, sagt er.
In Nahe wurden hingegen bereits Fakten geschaffen. Dort will das Amt ein Wohnheim mit zwei Gebäuden für rund 40 Flüchtlinge bauen, nur die endgültige Genehmigung durch den Kreis steht noch aus, im Frühjahr soll die Unterkunft bezugsfertig sein. Der Standort befindet sich am Kronskamp in einem kleinen Gewerbegebiet, liegt ferner am Ende einer Sackgasse. Bei Einwohnerversammlungen gab es zwar keinerlei Beschwerden seitens der Bürger, mittlerweile gibt es aber Gerüchte, dass Anwohner eine Klage gegen das Vorhaben einreichen könnten, wie es etwa in Hamburg schon mehrfach geschehen ist. Das Amt sieht diesem Szenario gelassen entgegen. „Die Wünsch-dir-was-Phase haben wir hinter uns“, sagt Torge Sommerkorn.