Norderstedt. Weil eine Radfahrerin stürzte und sich beschwerte, darf der Weg offiziell auch von Fußgängern nicht mehr genutzt werden.
Hätte eine Radlerin auf einer Baumwurzel auf dem Radweg an der Tarpenbek nicht den Halt verloren, und hätte sie sich beim Sturz nicht verletzt und – vor allem – hätte sie sich nicht hinterher über den Zustand des Weges beim Bezirksamt Nord beschwert – ja dann wäre heute noch alles beim Alten auf dem Weg, der über die Landesgrenze zwischen Norderstedt und Hamburg hinweg in Richtung Niendorf führt. Hätte, hätte, Fahrradkette: Die Radfahrerin hat aber den Halt verloren, sie stürzte und beschwerte sich.
Und deshalb ist der Tarpenbekweg jetzt seit Wochen hinter der Straße Tarpen dicht (wir berichteten). Radfahrer dürfen hier offiziell nicht mehr radeln. Und sogar Fußgänger dürfen hier offiziell nicht mehr gehen.
Über Jahre hat die Hamburger Verwaltung die Nutzung des eigentlich nur als Arbeits- und Schauweg angelegten Pfades entlang der Tarpenbek geduldet. Durch die Beschwerde über den Zustand des von Wurzelwerk durchsetzten Weges und den Sturz der Dame entstand Handlungsbedarf. Entweder die Mängel abstellen und die Nutzung durch Radler und Fußgänger sichern oder absperren und sich auf die haftungsrechtlich sichere Seite bringen. Letzteres ist jetzt der Status quo.
Entgegen der Ankündigung der Stadt Norderstedt, nun ein Fahrradverkehrsschild abzumontieren, das auf der intakten Seite des Weges an der Straße Tarpen in Richtung der Sperrung zeigt und die Verbindung nach Poppenbüttel verspricht, täuscht der Wegweiser nach wie vor die Wegeverbindung an. Und die Bürger pfeifen auf das Verbot. Nach wie vor nutzen Fahrradfahrer den lauschigen Naturpfad am Tarpenbeklauf als Piste von Nord nach Süd, und Fußgänger führen ihre Hunde Gassi oder schnappen frische Luft. Die weiß-roten Baken, die das Hamburger Bezirksamt Nord an den Zugängen an der Straße Tarpen aufgestellt hat, werden einfach rüde beiseite geworfen.
Bei den Lesern des Hamburger Abendblattes stößt die Sperrung auf Unverständnis. „Dieser Weg wird von mir seit Jahren genutzt, und die obenliegenden Wurzeln erfordern lediglich an zwei Stellen eine langsamere und bedachte Fahrweise“, sagt Leser Jens Hansen. Er fordert den Ausbau des Weges, die Einebnung der Wurzeln. Oder das Aufstellen von Schildern wie „Schlechte Wegstrecke. Befahren auf eigene Gefahr“. Die Schließung sei die einfachste Sache, dem Radwegenetz aber nicht dienlich. „Immerhin kann man auf diesem Weg am Flughafen entlang den Kollauwanderweg erreichen und dann über die Hudtwalckerstraße entlang der Alster bis in die Innenstadt gelangen. Vom Ochsenzoll sind das sonst etwa 20 Kilometer mit drei bis vier Ampelanlagen.“ Und der von Hamburg Seite als Alternative angebotene „2. Grüne Ring“ habe noch wesentlich schlechtere Wege als der Tarpenbekweg, sagt Hansen.
Doch eine Sanierung des Weges kommt für Hamburg nicht infrage, und die Sperrung wird nicht aufgehoben. Für Leser Dieter Schmid ist es geradezu lächerlich, dass diese Sperrung auch für Fußgänger gilt. „Nach diesem Prinzip würden im Bayerischen Wald nur noch die mit dem Jeep der Förster befahrbaren Wege für Wanderer übrig bleiben, bei den anderen soll es ja sogar gemeingefährliche Steine geben, über die man fallen kann.“
Abendblatt-Leserin Ursula Bülow hingegen begrüßt die Sperrung des Weges für Radfahrer. Sie möchte erreichen, dass der Weg als Naturpfad nur noch den Spaziergängern, Wanderern und Läufern vorbehalten bleibt. „Fußgänger! Lasst uns eine Union bilden, da wir nirgends eine Lobby haben. Immer ist nur die Rede von Rad- und Autofahrern!“, appelliert Bülow. Dass der Weg derzeit auch für Fußgänger gesperrt ist, kann die Leserin nicht verstehen: „Sind die Menschen heute nicht mehr in der Lage, über unebene Wege zu gehen? Müssen wirklich alle Wege eingeebnet und verhärtet werden? Sind wir bereits soweit mit der Degeneration fortgeschritten, dass wir die Füße nicht mehr heben können?“ Bülow möchte eine „Fußgänger-Union“ gründen und sucht unter Telefon 040/532 37 00 Mitstreiter.
Im Norderstedter Rathaus läuft unterdessen die Suche nach sinnvollen Umfahrungen der gesperrten Wegstrecke. Ausgewiesen im Hamburger Radwegenetz ist die Route 12 (Tarpenring, Grünzug zum Suckweg, Heerbuckhoop, Kuhlenstück, Grünzug bis zum Krohnstieg). Marcel Gessert, Leiter des Arbeitskreises Radverkehr, favorisiert eine Route, die am Suckweg wieder in Richtung Tarpenbek abbiegt und über den Grünzug am Regenrückhaltebecken an der Niendorfer Straße endet – fast genau dort, wo der alte Weg entlang der Tarpenbek herauskommt. In Abstimmung mit den Kollegen in Hamburg soll die Alternativroute ausgeschildert werden.