Kreis Segeberg. Allein in der Stadt Norderstedt wurden im vergangenen Jahr 663 Neugeborene registriert – so viele wie seit Langem nicht mehr.
Die Deutschen bekommen wieder mehr Kinder: 715.000 im Jahr 2014. Ein Anstieg von 4,8 Prozent gegenüber 2013. In den deutschen Familien hat sich also etwas verändert, so scheint es. Das gilt auch für Norderstedt: 663 Kinder kamen hier im Vorjahr zur Welt – so viele wie seit Langem nicht. Aus den Kliniken werden mehr Geburten gemeldet als in den vergangenen Jahren: In der Asklepios Klinik Nord-Heidberg, der Paracelsus-Klinik Henstedt-Ulzburg und der Segeberger Kliniken-Gruppe haben die Geburtshelfer viel zu tun. Wirtschaftlich sind die Geburtsabteilungen allerdings nur in großen Kliniken. In Bad Segeberg und Henstedt-Ulzburg werden mit Geburten Minusgeschäfte gemacht.
Einige Geburtsstationen in Schleswig-Holstein haben geschlossen. In Neustadt, Bad Oldesloe, auf Sylt und Föhr gibt es in den Krankenhäusern keine Geburtsstationen mehr. Über die vergangenen 20 Jahre (Daten von 1994 bis 2013) verzeichnet das Statistische Bundesamt ein Minus von 68 klinischen Abteilungen für Geburtshilfe für die Bundesländer Schleswig-Holstein, Hamburg, Mecklenburg-Vorpommern und Niedersachsen. Das entspricht einem Rückgang von 34 Prozent. Nur noch in 22 schleswig-holsteinischen Kliniken können Frauen Kinder zur Welt bringen. Auch bundesweit ist dieser Trend zu beobachten.
Angebotsvielfalt sichert Geburtsabteilung
In den Kliniken im Kreis Segeberg wird hingegen nicht an die Schließung von Geburtsabteilungen gedacht – auch wenn die CDU-Landtagsabgeordnete Katja Rathje-Hoffmann sich kürzlich öffentlich Sorgen über die Zukunft der Geburtsabteilung der Segeberger Kliniken-Gruppe machte, weil dort im Jahr nur noch 600 Kinder zur Welt kommen, also ein Minusgeschäft gemacht wird. Einen wirtschaftlichen Gewinn machen Kliniken mit ihren Geburtsabteilungen erst, wenn pro Jahr mindestens 1250 Babys zur Welt kommen.
In Bad Segeberg wird diese Zahl niemals zu erreichen sein, durch die Angebotsvielfalt der Segeberger Kliniken-Gruppe wird unter dem Strich aber dennoch ein Gewinn erwirtschaftet. Mehr als 400 Babys sind in den Segeberger Kliniken in diesem Jahr bisher zur Welt gekommen, Chefarzt Dr. Christian Rybakowski rechnet mit etwa 640 Geburten bis zum Jahresende.
In der Henstedt-Ulzburger Paracelsus-Klinik wird mit den Geburten ebenfalls ein Minus erwirtschaftet. Aber auch für dieses Haus gilt: Diese Abteilung wird auf keinen Fall geschlossen. „Sie ist wichtig für das Image unserer Klinik“, sagt Klinik-Sprecherin Maren Maak. Im vergangenen Jahr haben in der Henstedt-Ulzburger Klinik 777 Babys das Licht der Welt erblickt, davon rund 30 Prozent per Kaiserschnitt. Im Jahre 2013 waren es 798, im Jahre 2012 noch 860 Babys. Für dieses Jahr wird wieder mit einer steigenden Zahl von Geburten gerechnet: Bis zum 3. September waren es etwas über 500 Babys, die in dem Haus geboren wurden. „Wir erwarten mindestens 800 Geburten“, sagt Maren Maak.
Nötiges Know-How in großen Kliniken
Die Klinik wirbt mit dem Slogan „geborgen gebären“, hat einen „Storchenparkplatz“ für werdende Eltern und gewährleistet eine individuelle Betreuung mit einer Eins-zu-Eins-Betreuung im Kreißsaal. Dafür sorgen 15 Hebammen unter der Leitung von Antje Bendin.
Viele der 663 Babys, die im vergangenen Jahr in Norderstedt registriert wurden, kamen in der Paracelsus-Klinik zur Welt. Aber auch die Asklepios Klinik Nord-Heidberg ist eine von den Norderstedter Eltern stark frequentierte Geburtsklinik. Hier wird in ganz anderen Dimensionen gerechnet. 2014 war das Jahr des Baby-Booms: Mit 1750 Geburten wurde das höchste Ergebnis seit etlichen Jahren erzielt. 2012 kamen in der Klinik 1628 Kinder zur Welt, 2013 waren es 1639.
„Die Mütter gehen bewusst in die großen Kliniken, weil sie wissen, dass es dort das nötige Know-how gibt“, sagt Klinik-Sprecherin Kerstin Zimmermann. „Hier ist die Qualität gewährleistet.“ Mathias Eberenz, Sprecher des Asklepios-Konzerns, betrachtet die Lage ganz nüchtern: „Geburtsabteilungen sind ein Marketing-Tool, Geburten sind gut für das Prestige.“
Für die Schließung von Geburtsabteilungen gibt es nach den Erhebungen der Krankenhausbetreiber und des Verbandes der Ersatzkassen zwei Gründe: Vorrangig ist dabei die Wirtschaftlichkeit, zweitrangig die medizinische Qualität, die angeblich abnimmt, je niedriger die Geburtenzahl ist. In Schleswig-Holsein bekommen Krankenhäuser pro Geburt 1723 Euro, für einen Kaiserschnitt 2626 Euro, für jeden Verweiltag pro Säugling 778 Euro.