Norderstedt. Doris Isenbürger sorgt in Norderstedt bei Neugeborenen für den sanften Start ins Leben und gibt jungen Müttern wertvolle Tipps mit auf den Weg.

Pauline macht große Augen. Das vier Wochen alte Baby ist müde, aber wenn Doris Isenbürger kommt, dann schaut es genau hin. Pauline kennt ihre Hebamme. Seit die Kleine mit ihrer Mutter Chantal Castelli zu Hause ist, kommt die Hebamme aus der Hebammenpraxis Norderstedt regelmäßig vorbei. Direkt nach der Geburt ist sie zunächst jeden Tag da, hilft der Mutter beim Stillen und den weiteren ersten Schritten mit dem Kind. Heute wird wieder gewogen. Dafür geht es in den ersten Stock. Castelli legt ihre kleine Tochter aufs Bett, in dem derzeit ihr Mann und die fünf Jahre alte Tochter schlafen. Hier kann Hebamme Isenbürger die kleine Pauline ausziehen und wickeln.

Die geübten Augen der 46-Jährigen erkennen dabei gleich, dass mit dem Baby alles in Ordnung ist, später testet sie noch die Bewegungen und ob Pauline auch richtig gucken kann. „So kann das weitergehen“, befindet die Hebamme. Pauline bekommt ihre neue Windel, und dann geht es in die Trage, an der die Waage befestigt wird. Gar nicht mehr so leicht, die Kleine. Isenbürger notiert das Gewicht, auch die Mutter schreibt das Gewicht auf. „Sie hat 400 Gramm zugenommen in 14 Tagen“, rechnet sie schnell nach. Ganz schön viel. „Stillkinder dürfen dick werden“, sagt Isenbürger. „Sobald sie anfangen, sich zu bewegen, wird das Ganze in Muskeln oder Energie umgesetzt.“

Kurz darauf ist die Untersuchung zu Ende, jetzt ist noch Zeit für ein paar Fragen. Wie soll sie mit ihrer Großen umgehen, die am Abend gern noch einmal beim Baby herumturnt? Isenbürger gibt ein paar Tipps, schlägt eine Kinderzeit ab fünf vor. Babymassage, kuscheln oder baden wären denkbar, bevor Paulines Schlafenszeit beginnt. Apropos baden. „Wann kann ich denn endlich wieder baden?“, fragt Castelli. „Das kannst du sofort machen. In England werden die Frauen direkt nach der Geburt in die Wanne gesteckt“, antwortet die Hebamme. Sie schlägt vor, die Kleine mit ins Wasser zu nehmen, wenn der Vater sie rein- und wieder raushebt. Ob es klappt, wird Isenbürger vielleicht beim nächsten Besuch erfahren. „Einen machen wir noch“, sagt sie zum Abschied. Danach ist die Zeit des Wochenbetts vorbei, nicht aber die der Betreuung. „Du hast dann noch Anspruch auf acht weitere Hebammenkontakte bis zum Ende der Stillzeit“, sagt sie.

Kurze Wege ermöglichen mehr Einsätze

Zurück im Wagen bedient sie erst einmal das Abrechnungsprogramm auf dem Smartphone. „Das erleichtert mir die Arbeit“, sagt sie. Da sie nicht mehr alles per Hand machen muss, könne sie im Monat ein bis zwei Frauen mehr zur Betreuung vor und nach der Geburt annehmen. Sie hält die Wege kurz, und so ist sie auch schnell beim nächsten Baby.

Neben der Tür des frisch bezogenen Neubaus steht der Briefkasten noch an die Wand gelehnt, das Nachbarhaus ist noch nicht fertig. Christin Fiedel und ihr Mann sind schon gut eingerichtet. Alles wirkt hell und freundlich, nur im Flur ist wenig Platz. Hier steht jetzt der Kinderwagen. Gemeinsam mit Sohn Leevi und den Großeltern warten die jungen Eltern auf die Hebamme. Der Kleine ist gerade eine Woche aus dem Krankenhaus zurück und schläft tief und fest. Aber jetzt muss er erst einmal untersucht werden. Als Isenbürger ihn wickelt, um ihn später zu wiegen, schreit er herzzerreißend. „Das ist echt gemein, direkt aus dem Tiefschlaf“, sagt die Hebamme, als sie den Kleinen auszieht. „Kannst du dir die Stelle am Po mal anschauen?“, fragt Fiedel. „Das ist nicht schlimm, mach einfach ein wenig schwarzen Tee drauf, lass ihn trocknen und dann Muttermilch drauf“, antwortet Isenbürger. Muttermilch, das ist in den Augen der Hebamme ein gutes Heilmittel, und Christin Fiedel hat es auch schon des Öfteren probiert. Etwa wenn sich Leevi mit seinen Fingernägeln gekratzt hat. „Es ist toll, dass ich die Hebamme immer ansprechen kann“, sagt sie.

Wie wichtig der Kontakt ist, zeigt sich auch beim nächsten Besuch. „Ich habe in der Nacht eine verzweifelte E-Mail bekommen“, erzählt Isenbürger zuvor. Die kleine Emma schreit viel, schläft tagsüber nicht gut, und die Mutter sieht übermüdet aus. Sie weiß nicht mehr weiter, aber Doris Isenbürger kann sie beruhigen. „Das ist ein Wachstumsschub, der ist bald wieder vorbei“, sagt sie. Und auch über die kurze Zeit an der Brust solle sich die Mutter keine Sorgen machen, denn: „Innerhalb von drei bis fünf Minuten kann sie sich satt essen.“ Die Milch werde jetzt, wo Emma dreieinhalb Monate alt ist, meist während des Stillens selbst produziert, erklärt die Hebamme. Wenn die Kleine unregelmäßig trinkt oder gar die Brust verweigert, sei das kein Problem. „Sie wird sich holen, was sie braucht“, sagt Isenbürger, gibt Emma noch ein homöopathisches Mittel und geht dann wieder zum Auto.

Geburtshilfe wird von den jungen Kolleginnen übernommen

„Manchmal muss man vor allem zuhören“, sagt sie. Da sie ohnehin in der Ecke unterwegs war, bedeutete der Abstecher im Rahmen ihrer normalen Hausbesuche auch kaum mehr Aufwand. „Früher habe ich auch Geburten betreut“, erzählt Isenbürger, als sie ihren Wagen ausparkt. „Das ist das Salz in der Suppe, das den Hebammenberuf ausmacht.“ Für sie indes ist damit seit mehr als zwölf Jahren Schluss. „Mit eigenen Kindern ist es schwierig, 24 Stunden abrufbereit zu sein“, sagt sie. Sie hat vor der ersten eigenen Geburt vor zwölf Jahren als Beleghebamme im Heidberg-Krankenhaus gearbeitet und musste, wenn es bei „ihren“ Frauen losging, direkt zum Kreißsaal fahren. Arbeitszeiten ausschließlich am Vormittag wie heute waren nicht denkbar.

„Die Geburtshilfe machen bei uns die jungen Kolleginnen“, erklärt Isenbürger, die gemeinsam mit acht weiteren Hebammen Teilhaberin der Hebammenpraxis in Glashütte ist. Das Thema Bezahlung, das derzeit immer in Verbindung mit dem Hebammenberuf genannt wird, beschäftigt auch sie. „Wenn man gut organisiert ist, kann man von dem Beruf leben“, sagt Isenbürger. Allerdings muss sie selbst auch nicht die immer weiter ins fast Unermessliche steigenden Haftpflichtprämien zahlen, die nur für Geburtshelferinnen anfallen. Bei 31 Euro brutto pro Hausbesuch sind gleichwohl keine großen Sprünge möglich. „Ich habe auch einen Notnagel, wenn die Heb­ammerei nicht mehr geht“, sagt sie. Unter dem Label „Porzellanwunder“ bietet sie Eltern an, auf Keramik Fußabdrücke ihrer Kinder zu brennen. Dass es wirklich mit dem Beruf der Hebamme ein Ende haben kann, weil ab 2016 kein Haftpflichtversicherer weltweit mehr die Hebammen versichern will, mag sie noch nicht recht glauben. Aber sie wäre vorbereitet.

Für junge Eltern wie Sandra Sittek und Thorsten Larsen wäre das Ende des Berufsstands dramatisch. „Ich bin super-glücklich, dass wir Doris haben“, sagt Sittek. „Zwar war ich auch beim Geburtsvorbereitungskursus, aber das ersetzt nicht den Besuch der Hebamme.“ Die beispielsweise vorführen kann, wie der kleine Louis am besten gebadet wird. Doris Isenbürger mit ihrer ruhigen, sachlichen Art hilft den jungen Eltern und zeigt ein paar Tricks. „Ich habe nicht gedacht, dass der so ruhig ist“, sagt Sittek. Louis genießt das Bad, und auch das Abtrocknen gefällt ihm. Damit er gut schlafen kann, zeigt Isenbürger, wie die Eltern ihn einpacken können, sodass er sich mit seinen Armen nicht immer wieder selbst weckt. Doris Isenbürger sorgt für den sanften Start ins Leben und hofft, das auch noch bei vielen weiteren Kindern tun zu können. Das aber hat sie nicht allein in der Hand, dafür muss Politik, müssen Hebammenverbände und auch die Versicherer eine Lösung finden.