Boostedt. Von einst etwa 2000 Soldaten sind in Boostedt noch 13 übrig. Der letzte Soldat wird am Jahresende das Tor für immer abschließen.
Seit wenigen Tagen gilt auf dem Gelände der Kaserne der „Status Charlie“. Die Bundeswehr hat die Sicherheitsstandards heruntergefahren, seitdem Waffen und Munition aus der Rantzau-Kaserne in Boostedt verschwunden sind. Die meisten Blöcke und Hallen sind leer, nur noch wenige Autos fahren über das Areal. Auch die meisten Soldaten haben inzwischen Jobs in anderen Standorten gefunden. Sie verwalten bis 31. Dezember dieses Jahres das Ende des Abzugs der Soldaten aus Boostedt. Mit diesem „Nachkommando“ geht die Geschichte der Bundeswehr in Boostedt nach knapp 60 Jahren zu Ende. Der letzte Soldat wird am Jahresende das Tor abschließen, nachdem zum letzten Mal die Fahne eingeholt wurde.
Dirk Bulla hat seine Sachen gepackt. Der letzte Kommandeur der Boostedter Kaserne wechselt in den Bonner Ableger des Verteidigungsministeriums. Monatelang hat er sich um den Abtransport von Werkzeug und Fahrzeugen, Waffen und Büromöbeln, Tarnnetzen und Funkgeräten gekümmert und bei seinen Kameraden herumgefragt, wer noch Pokale und Wappen haben möchte. „Was keiner haben wollte, landet auf dem Schrott“, sagt der Oberstleutnant, der Chef des Boostedter Logistikbataillons und damit Chef der Kaserne war. Die feierliche Auflösung des Bataillons mit Ehrengästen, Marschmusik und Erbsensuppe liegt bereits Monate zurück.
Nicht jeder ist über Versetzung glücklich
280 Tonnen Material hat die Bundeswehr seit 2014 aus der Kaserne geschafft – schwere Fahrzeuge nicht mitgezählt. Damals begann auch die Phase, in der Personal abgebaut wurde. Bulla ist froh, dass fast jeder Soldat frühzeitig wusste, wo künftig sein Arbeitsplatz liegt. „Das Personal hatte sehr schnell seine Ziele“, sagt Bulla. Doch nicht jeder war glücklich damit: Wer sein Haus für die Familie in Boostedt gebaut hatte, dürfte sich kaum über eine Versetzung freuen.
Für Bulla war das gesamte Prozedere eine Premiere. „Das ist der erste Verband, den ich auflöse“, sagt der Logistikexperte und sitzt dabei in einem kahlen Büro. „Mir tut es besonders leid um die Auflösung funktionierender Teams“, fügt er hinzu. Sie hätten sich unter anderem bei den Auslandseinsätzen in Afghanistan und im Kosovo bewährt. „Ich wusste, auf wen ich mich verlassen kann“, sagt der Kommandeur, der als letzten logistischen Kraftakt seines Bataillons den Abzug des Afghanistan-Materials nach Deutschland über die Türkei organisiert hat. Bulla: „Diese Teams aufzulösen, das hat wehgetan.“
Enge Bindung an Standort
Der Kommandeur räumt ein, dass die Beziehungen seiner Soldaten zum Standort Boostedt weniger eng waren als beispielsweise die der Panzerbrigade, die in den Zeiten des Kalten Krieges in Boostedt stationiert war und Zehntausende Wehrpflichtige ausgebildet hat. Warum das Verteidigungsministerium Boostedt schließe, könne er sich nicht erklären, sagt Bulla. „Das war eine rein politische Entscheidung.“
Die Nachhut wird bis zum Jahresende die Gebäude für die Übergabe an die Bundesimmobilienanstalt (Bima) vorbereiten, die nach einem neuen Nutzer suchen wird. Einige Blöcke hat die Bima schon jetzt übernommen. Dort sind seit Anfang des Jahres 400 Flüchtlinge untergebracht. Weitere Blöcke der Kaserne werden demnächst ebenfalls für das Erstaufnahmelager hergerichtet.
Boostedt ist schon fast Geschichte
Stabsfeldwebel Claus Lass hat seine persönlichen Sachen bereits gepackt. Er gehört zu den Soldaten, die sich darauf freuen, Boostedt zu verlassen. Lass tritt demnächst seinen Dienst bei einer Aufklärungseinheit im nordfriesischen Stadum an. „Ich fahre künftig 20 Kilometer und nicht 100 Kilometer zum Dienst“, sagt Lass. Im Gepäck hat er dann die Bataillonschronik aus Boostedt und einige persönliche Bilder, die in seinem Boostedter Büro hingen und jetzt ins Stadumer Dienstzimmer wechseln. „Und natürlich die Kaffeemaschine.“
Vor seinem Block ist der Lastwagen einer privaten Spedition vorgefahren. Die Soldaten Perez Pablo Franco und Klaus-Dieter Paulsen verladen die letzten Tische und Kartons. Ein Behälter ist randvoll mit Schulterstücken. Was noch zu gebrauchen ist, wird an andere Verbände verteilt. Damit ist die Geschichte der Bundeswehr in Boostedt fast zu Ende.
Wenn die Nachhut am Jahresende ihre letzten Computer und Möbel verlädt, kommt nur ein kleiner Transporter. „Das ist höchstens eine Pritsche voll“, sagt Bulla.