Norderstedt. Bis Sonnabend findet in Norderstedt die schwul-lesbische Fußball-Europameisterschaft statt. Auch Ex-Profi Thomas Hitzlsperger ist zu Gast.

Sie treten für eine wichtige Sache ein, werben um Toleranz, kämpfen gegen Homophobie im Sport. Aber ein bisschen Spaß muss dann doch sein, wie sich beim selbstironisch inszenierten Foto der Ballboys Hamburg zeigt. Sie gehören zu den teilnehmenden Teams bei der schwul-lesbischen Fußball-Europameisterschaft, die von Donnerstag bis Sonnabend in Norderstedt – hier wird auf dem HSV-Gelände an der Ulzburger Straße gespielt – und Hamburg – dort wird gefeiert und übernachtet – stattfindet.

Als internationaler Dachverband ist die IGLFA (International Gay & Lesbian Football Association) Veranstalter, Ausrichter ist der Hamburger Sportverein Startschuss, für den Alexander von Beyme die Organisation leitet. „Wir werden 400 homosexuelle Sportler auf den Plätzen haben, stellen so eine Sichtbarkeit her“, sagt er.

Auch Teams aus Russland und Serbien nehmen an der EM teil

Aufmerksamkeit garantiert auch der Besuch von Ex-Nationalspieler Thomas Hitzlsperger am Sonnabend. Der 33-Jährige war Anfang 2014 mit seinem Outing der bis dahin prominenteste Sportler in Deutschland, der sich zu seiner Homosexualität bekannte.

Seitdem bekannt wurde, dass das Turnier für Vereinsmannschaften aus ganz Europa – separate Nationalteams gibt es (noch) nicht – im Großraum Hamburg ausgetragen wird, hat es einen Run gegeben auf die Startplätze. „Viele der Teilnehmer sind alte Bekannte, die schon seit Jahrzehnten Freundschaftsturniere organisieren“, so von Beyme. „Gerade in England ist der schwule Fußball sehr gut vernetzt mit einem eigenen Ligabetrieb.“

Deutsche Truppen haben Namen wie Ballboys Hamburg – sie gehören zu Startschuss –, Cream Team Cologne, Vorspiel Berlin oder Leinebagger Hannover, auch der bekannte SC Sternschanze ist dabei. Stolz ist man auf die internationale Resonanz. Die Dublin Devils aus Irland, Titelverteidiger Village Manchester, die Panamboyz aus Paris, die London Titans und die GFC Friends aus Prag kommen nach Norderstedt. Bei den Herren wird je nach Leistungsniveau in drei Divisionen gekickt, dazu gibt es einen eigenen Frauenwettbewerb.

Weitaus komplizierter, aber letztlich erfolgreich waren die Bemühungen, Sportler aus Nationen einzuladen, in denen Homosexualität gesellschaftlich nicht akzeptiert ist. So wie in Russland oder Serbien – lesbische oder schwule Sportler müssen dort im Falle eines Outings um ihre Sicherheit fürchten, das hat Alexander von Beyme oft erzählt bekommen. Deswegen ist es eben nicht so einfach, einen Kontakt zum FC Krylya oder zu den Moscow Minders herzustellen. „Es gibt ein Out­reach-Programm. Wir haben vier Mannschaften aus Russland und Serbien eingeladen, sie bekommen Flüge und Unterkünfte von der Werder-Bremen-Stiftung bezahlt und von unserem Hauptsponsor Google“, so von Beyme. „Gerade Russland ist schwierig, da Homosexuelle dort um ihr Leben fürchten müssen. Dort öffentlich Vereine zu organisieren, ist gefährlich.“ Was in Deutschland Normalität ist, also Internetauftritte und aktive Facebookseiten, kann in Russland Repressalien nach sich ziehen.

Die Europameisterschaft soll auch deswegen vor allem Weltoffenheit demonstrieren. Um das Turnier aufzuwerten, hat Hamburgs Bürgermeister Olaf Scholz die Schirmherrschaft übernommen, der Deutsche Fußball-Bund ist mit im Boot, der HSV stellt sein Gelände zur Verfügung, Werder Bremen hilft über seine Stiftung, und der FC St. Pauli ist im Ballsaal der Haupttribüne im Millerntorstadion am Sonnabend ab 22 Uhr Gastgeber der Siegerehrung.

Organisatoren kalkulieren mit einem Etat von rund 50.000 Euro

Damit sich der kleine Verein Startschuss (675 Mitglieder) finanziell nicht überhebt, wird vorsichtig kalkuliert. „Der Hamburger SV stellt uns seine Paul-Hauenschild-Anlage zu günstigen Konditionen zur Verfügung. Man kann das reine Turnier auch allein von den Teilnehmerbeiträgen veranstalten“, so Alexander von Beyme. Einschließlich der Einnahmen durch Werbepartner beläuft sich der Etat auf rund 50.000 Euro – der Eintritt bei der EM ist frei.

Innerhalb der Community gibt es übrigens nicht nur Befürworter derartiger Großveranstaltungen. „Es gibt Stimmen, die sagen, dass man das Gegenteil erreicht, wenn wir uns separieren“, sagt Björn Augsten, Vorsitzender von Startschuss. „Andere sagen, es ist eine Überbetonung. Aber wir freuen uns, dass das Turnier zum Anlass genommen wird, über Homosexualität im Fußball zu reden.“

Spielpläne und Infos zu den Teams sowie der EM.

Termine zur EM

Der Fall Halil Dincdaggilt als beispielhaft für die Probleme, die ein Outing nach sich ziehen kann. Der türkische Schiedsrichter bekannte sich 2008 zu seiner Homosexualität, wurde vom Militär aufgrund psychosexueller Störungen ausgemustert und wegen vermeintlich mangelnder Fitness suspendiert – ein Profispiel hat er seitdem nicht mehr gepfiffen. Dincdag ist an diesem Mittwoch, 19 Uhr, Gast eines Vortragsabends in den Fanräumen des Millerntorstadions (Eintritt frei).
Die Europameisterschaft beginnt am Freitag, 9.30 Uhr, auf der Paul-Hauenschild-Anlage in Norderstedt (Ulzburger Straße 94). Tags darauf geht es am Sonnabend ebenso um 9.30 Uhr los, die Finalmatches werden ab 14 Uhr angepfiffen. Auch hier ist der Eintritt frei.
Die Siegerehrung mit Thomas Hitzlsperger und anschließender Party findet am Sonnabend ab 22 Uhr im Ballsaal des Millerntorstadions statt.