Norderstedt. In einigen Norderstedter Kindertagesstätten betreuen die Eltern jetzt ihre Kinder selbst. Das Verständnis für den Kita-Streik sinkt.

Die Probleme überlagern inzwischen das Verständnis: „Natürlich halten wir es für richtig, dass das Personal in den Kitas vernünftig bezahlt wird. Aber in der vierten Streikwoche sind viele Eltern am Ende und wissen kaum noch, wie sie ihre Kinder betreuen lassen sollen“, sagen Swantje Hannemann, 36, und Kerstin Kappel, 38. Beide sind Mütter, beide arbeiten, beide haben die ersten drei Wochen, in denen ihre Kita in Fried­richsgabe geschlossen war, irgendwie überbrückt. Nun haben sie mit anderen Eltern eine Notbetreuung organisiert. Seit Montag können Kinder in den Räumen an der Glockenheide spielen, lernen, essen und entspannen, betreut von vier Müttern.

Doch nicht nur die Eltern in Fried­richsgabe kümmern sich seit dieser Woche selbst um ihre Kinder. Auch in den Kitas Forstweg, Pellworminsel, Storchengang und Wichtelhöhle haben Väter und Mütter die Betreuung in die Hand genommen. Vorbild war die Einrichtung an der Tannenhofstraße, in der die Eltern schon wenige Tage nach Streikbeginn aktiv geworden waren.

„Wir haben mit der Notbetreuung auch einen Wunsch der Kinder erfüllt“, sagt Kerstin Kappel. Nach drei Wochen habe sich so etwas wie Kita-Entzug eingestellt. Die Jungen und Mädchen vermissten die anderen Kinder aus ihrer Kita-Gruppe. Sie fragten, wann sie denn endlich ihre Freunde wiedersehen können.

„Ich habe Überstunden abgebaut und Urlaub genommen, der mir eigentlich gar nicht zusteht“, sagt Swantje Hannemann, die als kaufmännische Angestellte in Hamburg arbeitet und einen sehr verständnisvollen Chef hat. Kerstin Kappel, als Buchhalterin in Hamburg beschäftigt, konnte von zu Hause aus arbeiten. Doch Kinder betreuen und abends noch arbeiten, das sei auf Dauer sehr anstrengend.

Andere hätten unbezahlten Urlaub genommen, die Kinder umschichtig betreut oder die Großeltern eingespannt. „Doch nicht jeder kann auf Oma und Opa zurückgreifen. Entweder sie arbeiten oder wohnen 500 Kilometer entfernt“, sagt Kerstin Kappel.

Es gebe Familien, deren Arbeitgeber nicht so entspannt seien. Das sei verständlich, wenn es sich um einen kleinen Betrieb mit wenig Mitarbeitern handele. Um die größte Not zu lindern, sind die Eltern aktiv geworden. Das Modell funktioniert nach dem Motto „Wer abgibt, muss auch betreuen“. Immer vier Mütter kümmern sich um zwölf bis 15 Kinder.

Die Kinder, die nach den Sommerferien in die Schule wechseln, sei die Situation besonders schwierig. Sie verpassen traditionelle Veranstaltungen wie den Storchenlauf, das Frühstück auf dem Wochenmarkt oder die Klasse im Grünen im Stadtpark.

Dass die Solidarität der Eltern mit den Kita-Beschäftigten aufgebraucht ist, zeigt der offene Brief des Norderstedters Clemens Hopfer, Vater zweier Kinder: „Zu Beginn war ich auf eurer Seite“, schreibt Hopfer an die Erzieher und fragt: „Warum wird bei einem durchschnittlichen Einstiegsgehalt von etwa 2580 Euro brutto je Monat so gejammert? Ihr verdient besser als viele, deren Kinder ihr täglich betreut!“

Dass Eltern aufgefordert werden, mit den Erziehern zu streiken, ist für Hopfer ausgeschlossen „Kämpft euren Kampf alleine aus! Ich tue es nicht mehr! Setzt euch an den Verhandlungstisch zurück, stellt realistische Forderungen, und macht euch wieder an eure Arbeit! Für die Eltern, die kurz davor sind, ihren Job zu verlieren! Für die Kinder, deren Vertrauen in eure Beständigkeit mehr als angebrochen ist! Für das letzte bisschen Verständnis, das ich mit Mühe noch zusammenbekomme!“

Auch in der Kita Pellworminsel haben die Eltern eine Initiative gebildet, um ihren Kindern wieder eine Normalität zu ermöglichen und sich gegenseitig beruflich zu entlasten. Es werden nur die Kinder betreut, deren Eltern in der Initiative sind.

„Unsere Initiative ist seit Montag aktiv und betreut 13 Kinder“, sagt Nicole Brummund, 41, deren Tochter Miella bislang von den Großeltern betreut wurde. Die aber haben ein Uhrenfachgeschäft und sind nicht immer einsatzbereit. „Aber wenn wir um 15.30 Uhr die Kita schließen, springen sie ein“, sagt Nicole Brummund. „Am Montag habe ich die Kinder acht Stunden betreut, das ist harte Arbeit“, sagt sie. Die Initiative hat die Räume der Kita von der Stadt Norderstedt übernehmen dürfen und dafür extra einen Mietvertrag mit der Stadt geschlossen.

Alle Familien, deren Kinder von anderen Eltern betreut werden, müssen eine Haftpflichtversicherung abgeschlossen haben. Das gelte auch für die betreuenden Eltern.

Die Eltern haben mittlerweile Schwierigkeiten am Arbeitsplatz, doch überwiegend hätten Vorgesetzte und Kollegen Verständnis. „Ich wollte im Juni einen neuen Job anfangen und konnte das nur mit Mühe verschieben“, sagt Bau-Ingenieurin Stephanie Wetegrove, die ihre dreijährige Tochter Enie und den einjährigen Sohn Thorge in der Kita hat. „Ich verstehe den Streik, doch so gering sind die Gehälter der Erzieher auch nicht, und das Gehalt einer Grundschullehrerin zu verlangen, halte ich für nicht gerechtfertigt“, sagt Wetegrove. „In der nächsten Woche muss ich wieder voll an meinem Arbeitsplatz sein, sonst bekomme ich Probleme“, sagt Anja Stromeyer.

Die Eltern hoffen, dass die laufenden Verhandlungen schnell zu Ergebnissen führen und der Streik endet. „Wir werden auf jeden Fall bis Freitag weiterstreiken“, sagt Sabine-Almut Auerbach, Bezirksgeschäftsführerin im Ver.di-Bezirk Südholstein.