Über 80 freiwillige Helfer engagieren sich im Norderstedter Willkkommenteam. Zwei Kirchengemeinden bieten inzwischen einmal pro Woche Aufenthaltsmöglichkeiten, eine dritte folgt im Januar.
Norderstedt. Seit vier Monaten lebt der 26-jährige Mustafa in der Lawaetzstraße Norderstedt. Der aus Syrien stammende Mann verfügt jetzt über ein Fahrrad, mit dem er in Norderstedt Ziele anfahren kann, die für ihn bisher nur schwer erreichbar waren. Das gelb-rote Rad wurde ihm von den Grünen als eines von fünf Rädern überreicht, die Orts-, Kreis- und Landesverband im Kirchencafé der Freien evangelischen Gemeinde (FEG) am Adlerkamp ablieferten. Das Café ist für viele der 300 in Norderstedt lebenden Flüchtlinge zu einer Anlaufstelle geworden. Hier treffen sie sich, tauschen Erfahrungen aus, bekommen Kaffee und Kuchen.
Susanne Martin, die ehemalige Leiterin der Norderstedter Stadtbücherei, und Regina Baltrusch organisieren das Norderstedter Willkommensteam, in dem sich inzwischen über 80 Frauen und Männer engagieren, um den hier lebenden Flüchtlingen das Leben zu erleichtern. So wie zum Beispiel Elisabeth Hausmann aus Henstedt-Ulzburg. Sie ist eine der freiwilligen Helferinnen, die jeden Montag in das Café der FEG kommen, um mit den Menschen aus Syrien, aus Eritrea, aus dem Irak oder aus Serbien zu reden und mit ihnen deutsche Vokabeln zu üben. Die Verständigung klappt immer besser: Yacob und Birhan aus Eritrea sitzen neben ihr und können schon nach wenigen Wochen passabel deutsch sprechen. Elisabeth Hausmann fragt die Vokabeln ab, die die jungen Männer während ihres Deutschkurses gelernt haben, und ist erstaunt, wie gut es klappt. „Wir haben es hier mit sehr intelligenten jungen Männern zu tun, die wirklich eifrig bemüht sind, unsere Sprache zu lernen.“
Im Kirchencafé geht es quirlig zu. Café-Leiterin Doris Rusch und ihre Helferinnen und Helfer bemühen sich, die Besucher bei Laune zu halten, bewirten sie mit Kaffee, Tee und selbst gebackenen Waffeln. 90 Prozent der zurzeit in Norderstedt lebenden Flüchtlinge kommen aus Syrien, zehn Prozent aus Eritrea und Somalia, der Rest aus dem Irak oder Serbien.
Nicht nur im Café herrscht an diesem Nachmittag leben, auch in anderen Räumen ist Betrieb: Dorothee Franz sitzt mit einigen Kindern in einem Gruppenraum, spielt mit ihnen, singt und greift selbst zur Gitarre. Im Keller hat Mirghani Kahri mit einer Reihe von jungen Männern Platz genommen, um ihnen die deutsche Sprache näher zu bringen. Der 76 Jahre alte Ägypter, der schon seit 50 Jahren in Norderstedt lebt, weiß, wie viel leichter es sich hier leben lässt, wenn die Sprache beherrscht wird. Auf dem Weg zur Treppe scharren sich ein paar junge Mädchen um einen Pool-Billardtisch und lassen sich von einem versierten FEG-Mitglied die Grundregeln dieses Spiels beibringen. Hero Hewa Taher aus dem Irak, seit 14 Jahren ehrenamtliche Betreuerin in der Migrationsarbeit und in Norderstedt durch verschiedene Projekte bestens bekannt, ist auch im Café. Sie übersetzt die Ansprache von Doris Rusch und hilft, kleine Präsente an die Besucher zu verteilen.
„So sieht es hier jeden Montag aus“, sagt Doris Rusch. „Die Flüchtlinge sind froh über diese Anlaufstellen.“ Susanne Martin und Regina Baltrusch können das nur bestätigen. Sie sind froh, dass sich neben der FEG noch weitere Kirchengemeinden in Norderstedt bereiterklärt haben, den Flüchtlingen das Leben so angenehm wie möglich zu machen. Neu ist das Kirchencafé für Flüchtlinge in den Gemeinderäumen der Kirchengemeinde Harksheide, Kirchenplatz 1, im Januar folgt die Paul-Gerhardt-Gemeinde, Altes Buckhörner Moor 16. „Es ist unser Ziel, die Menschen aus den Notunterkünften herauszuholen“, sagt Susanne Martin. „Diese Angebote sind bei den Flüchtlingen sehr beliebt. Es kommen immer viele, egal, wie das Wetter ist.“
Einige haben inzwischen die Möglichkeit, mit dem Fahrrad zu den Treffpunkten zu kommen – so wie jetzt Mustafa Abdalwahad, „Uns wurden schon über 60 Räder gespendet“, sagt Doris Rusch. Weitere sind natürlich willkommen – auch solche, die nicht tip-top sind: Unter den Asylbewerbern gibt es etliche, die handwerklich so geschickt sind, dass ihnen das Reparieren von Fahrrädern keine Probleme bereitet. Gesucht wird allerdings noch ein Raum, der kostenlos als Fahrradwerkstatt umfunktioniert werden kann.
Benötigt werden auch noch Frauen und Männer aus Norderstedt und Umgebung, die im Willkommensteam mitarbeiten wollen. Wer sich entschließt, muss bei der Norderstedter VHS einen Einführungskursus über drei Abende besuchen. Der nächste beginnt am 17. Februar. Interessenten können sich bei Susanne Martin, Telefon 0162/746 14 80, melden. Informationen gibt es unter www.willkommen-team@norderstedt.de im Internet.
Das im März von Heide Kröger, der Integrationsbeauftragten Norderstedts, und Sozialdezernentin Anette Reinders angeschobene Projekt hat den Integrationspreis des Landes Schleswig-Holstein 2014 erhalten.