Norderstedter Integrationsbeauftragte fordert hauptamtlichen Sozialpädagogen für die Flüchtlingsbetreuung
Norderstedt/Kaltenkirchen. Neben der Suche nach geeigneten Unterkünften wird die Betreuung für die Flüchtlinge in Norderstedt zunehmend zum Problem. Zwar sind die ehreamtlichen Willkommen-Teams der Stadt unermüdlich im Einsatz, um Flüchtlinge bei den ersten Schritten in der Stadt zu unterstützen. Doch das reicht bei Weitem nicht aus, um die vielen offenen Fragen der Menschen zu beantworten. „Wir brauchen ganz dringend einen hauptamtlichen Sozialpädagogen, der sich in Norderstedt darum kümmert“, sagt die Integrationsbeaufragte der Stadt, Heide Kröger.
Die zuständige Sozialdezernentin Anette Reinders sieht das genauso. Die beim Kreis Segeberg angesiedelte Migrationsberatung, die anteilig den Flüchtlingen in allen Städten und Kommunen gewährt wird, sei bei der Menge an Menschen in den Unterkünften nicht ausreichend. Nur drei Beratungsstunden im Monat sind etwa für Norderstedt vorgesehen. Reinders will eine feste Stelle für einen sozialpädagogischen Berater in Norderstedt schaffen und versuchte, die Hälfte der Kosten in Höhe von jährlich 75.000 Euro beim Kreis abzuziehen – ohne Erfolg. Fazit: Wenn die Städte die Beratung vor Ort ausweiten wollen, dann müssen sie das selbst bezahlen.
Im Norderstedter Sozialausschuss wurde nun beschlossen, dass die Diakonie kurzfristig einen Mitarbeiter benennen soll, der in die Beratung der Flüchtlinge einsteigt. „Ob dies auf einer halben oder ganzen Stelle passieren kann, ist noch unklar“, sagt Oliver Weber, sozialpolitischer Sprecher des FDP. Parallel soll die Verwaltung mit dem Kreis die Möglichkeit diskutieren, für Norderstedt, Kaltenkirchen und Henstedt-Ulzburg einen gemeinsamen hauptamtlichen Berater zur Verfügung zu stellen.
Eine Möglichkeit, die Betreuungsprobleme kurzfristig in den Griff zu bekommen, ist es, Personal aus anderen Bereichen der Verwaltung für die Flüchtlingsbetreuung abzuziehen. Die Stadtverwaltung in Kaltenkirchen hat genau das gemacht. Stadtsozialarbeiter Hans-Peter Gier, der sich bislang hauptsächlich um Obdachlose gekümmert hat, wird jetzt für die Betreuung der Asylbewerber eingesetzt und hat reichlich zu tun. „Wir haben insgesamt 81 offene Fälle“, sagt die Sprecherin der Stadtverwaltung, Meike Wölfel.
Sie hält den Einsatz eines Sozialarbeiters für unverzichtbar. „Man muss den Menschen jemanden zur Seite stellen, der ihnen hilft, sich zurecht zu finden.“ Gier nimmt die Menschen in Empfang, wenn sie ankommen. Er hilft bei Behördengängen und den Einzug in Wohnungen, kümmert sich um die medizinische Versorgung und die Betreuung der Kinder in Kitas und Schulen.
15 ehrenamtliche Flüchtlingslotsen unterstützen Gier bei seiner Arbeit. Viele von ihnen haben selbst einen Migrationshintergrund und sprechen die Sprache der Flüchtlinge. Die Lotsen begleiten sie beim Einkaufen, Arztbesuchen oder helfen bei Hausaufgaben.
Heide Kröger hält die Lösung in Kaltenkirchen, einen Sozialarbeiter einzusetzen, für eine gute Idee. „Es darf nicht sein, dass die ehrenamtlichen Helfer die Beratungsleistung komplett übernehmen. Das können sie gar nicht leisten. Die öffentliche Hand ist in der Pflicht.“ Es sind etwa 20 Norderstedter, die sich in Norderstedt um die Willkommenskultur in den Flüchtlingsunterkünften verdient machen. Sie kümmern sich gemeinsam mit Migranten aus Norderstedt um die Menschen, die dem Bürgerkrieg in Syrien entkommen sind oder dem Terror der IS-Fanatiker im Irak.
„Die Zuweisungen von der zentralen Aufnahmestation in Neumünster erfolgen immer am Dienstag“, sagt Heide Kröger. Wenn die Menschen, teilweise nach monatelanger Odyssee in Norderstedt ankommen, dann erwarten sie die Willkommen-Teams mit einem „Willkommensbeutel“, darin ist das Nötigste für den ersten Tag, also einige Lebensmittel, Teller, Becher, Besteck, einen Topf zum Teekochen sowie Hygieneartikel. Kröger sagt, die Menschen hätten oft über Monate aus dem Rucksack oder Koffer gelebt und seien dankbar für die Hilfe. „Schon am Mittwoch gehen die Ehrenamtlichen mit den Flüchtlingen ins Rathaus, wo die Migranten ihre Anträge für das Asylverfahren stellen müssen“, sagt Kröger.
Am 16. September haben die Willkommen-Teams den 100. „Willkommensbeutel“ einem Syrer übergeben. Seit März und dem Beginn der Willkommensaktion wurden also 100 Asylbewerber umsorgt. Bis zum Jahresende wird aber mehr als das Doppelte an Menschen in Norderstedt erwartet. Kröger sucht deswegen dringend weitere ehrenamtliche Helfer. Der Zeitaufwand für die Ehrenamtler ist unterschiedlich, je nach persönlicher Lebenslage. In Norderstedt engagieren sich ebenso Rentner mit viel Zeit wie auch Menschen, die voll im Job stehen und selbst Familie haben. Kröger: „Wir sind auch schon dankbar, wenn jemand nur die Beutel packen kann und nicht die Zeit hat, sich umfassend um die Menschen zu kümmern.“
Das Team kommt wöchentlich immer montags um 18 Uhr in der Volkshochschule zum Austausch und zur Organisation in Norderstedt-Mitte zusammen. Am Dienstag, 23. September, gibt es von 18 Uhr an im Raum V-103 bei der VHS eine Informationsveranstaltung für alle, die mitmachen wollen. Die Arbeitsweise des Teams wird vorgestellt und die Ehrenamtlichen berichten von persönlichen Erfahrungen.
„Es wird in den kommenden Monaten entscheidend für die Integration der Asylbewerber sein, welche Angebote wir ihnen machen können“, sagt Heide Kröger. Denn auf die Flüchtlinge warte nichts als lähmende Langeweile, wenn sie in Norderstedt die übliche Tour durch die Kleiderkammer, die Toys Company oder Hempels Gebrauchtwarenkaufhaus gemacht haben, um einen bescheidenen Hausstand aufzubauen. Kröger begrüßt, dass die Bundespolitik die Senkung der Beschäftigungssperre bei Asylbewerbern von neun auf drei Monate prüft. „Unter den Asylbewerbern sind viele arbeitswillige und gut qualifizierte Menschen“, sagt Kröger.