Mitglieder der Hells Angels bauen das ehemalige Restaurant Mediterran in Norderstedt um. Das Landeskriminalamt beobachtet die Aktivitäten.

Norderstedt. Auf dem Parkplatz stehen schwere Motorräder und dunkle Limousinen. Die Männer, die in dem Haus aus- und eingehen, tragen Muskelshirts. Sie haben sämtliche Fenster des Gebäudes mit Packpapier verklebt. Nach zahlreichen Wechseln bei den Pächtern zieht jetzt eine Organisation in das ehemalige Restaurant Mediterran in Norderstedt ein, die von der Polizei aufmerksam beobachtet wird: die gefürchtete Rockergruppe Hells Angels. Die Höllenengel wollen nach einem umfangreichen Umbau in dem Lokal die "Angels Bar" eröffnen.

"Wir beobachten aufmerksam, was dort geschieht", sagt der Sprecher des Landeskriminalamtes Kiel (LKA), Stefan Jung. Die Polizei geht davon aus, dass die Hells Angels aus Alveslohe das Lokal an der Ecke Ulzburger Straße/Quickborner Straße übernehmen werden. Ob die Alvesloher Rocker vom sogenannten Charter North End sich lediglich eine Zweigstelle einrichten wollen oder ihre Zentrale komplett nach Norderstedt verlegt werden soll, ist noch offen. Fest steht, dass in Alveslohe seit Monaten eine ungewöhnliche Ruhe eingekehrt ist. Die regelmäßigen Partys in dem Gebäude an der Fischwehrstraße mit Gogo-Girls und "Vodka Special" stehen seit April nicht mehr auf dem Programm. "Hier herrscht seit langer Zeit Ruhe", berichtet ein Anwohner.

Das Charter North End ist bislang nicht durch offensichtliche Kriminalität aufgefallen - im Unterschied zu anderen Gruppen der Hells Angels in Schleswig-Holstein. Die Auseinandersetzungen mit der rivalisierenden Rockerbande Bandidos führten im vergangenen Jahr zum sogenannten Küstenkrieg mit zahlreichen brutalen Übergriffen. Das LKA richtete eine Sonderkommission zur Rockerkriminalität ein, die bis heute besteht. Innenminister Klaus Schlie verbot im April 2010 die Flensburger Hells Angels und die Bandidos in Neumünster und verkündete eine Null-Toleranz-Strategie im Kampf gegen die Rockerkriminalität.

LKA-Sprecher Jung warnt davor, die Aktivitäten der Hells Angels aus Alveslohe zu unterschätzen. "Nur weil sie nicht in der Öffentlichkeit auftauchen, bedeutet das nicht, dass sie keine Straftaten begehen oder friedlich sind", sagte er. Die weltweit vernetzten Höllenengel werden mit Drogen- und Waffenhandel, Förderung der Prostitution, Geldwäsche und anderen schweren Delikten in Zusammenhang gebracht.

Welche Bedeutung der Süden Schleswig-Holsteins im Beziehungsgeflecht der einzelnen Charter zukommt, belegte ein spektakulärer Polizeieinsatz in Kiel im März 2010, der eine Machtdemonstration der Rockergruppe abrupt beendete. Die Angels hatten mit elf schwarzen Oberklasse-Limousinen einen langen Konvoi gebildet, um ein Mitglied der Gruppe aus Norderstedt zum Haftantritt nach Kiel zu begleiten. Der Angehörige des Charters North End hatte in einem Prozess in Hamburg die Aussage verweigert und war deswegen zur Beugehaft verurteilt worden.

Der Konvoi rollte über die Autobahnen 7 und 215 auf die Kieler Innenstadt zu, doch an der Stadtgrenze der Landeshauptstadt standen 100 Polizisten, unterstützt von Spezialeinsatzkräften, bereit und stoppten die Fahrzeuge. Bei der Durchsuchung stellten die Polizisten eine Machete, drei Einhandmesser und zwei Teleskopschlagstöcke sicher. Der Norderstedter Angel musste ohne Begleitung ins Gefängnis gehen.

Die Alvesloher Hells Angels pflegen enge Beziehungen zu vielen Chartern in Deutschland und im Ausland. Dass bei den Treffen in Alveslohe Höllenengel sogar aus Übersee anreisen, bewerten die Ermittler als Beleg für die große Bedeutung des Charters im internationalen Netzwerk der Gruppierung.

Zum Imperium der Angels gehören in Norderstedt auch zwei Tattoo-Studios, die sich an der Ohechaussee und der Segeberger Chaussee befinden. Das rot-weiße Firmenlogo und die Gestaltung entsprechen dem typischen "Design" der Hells Angels. Nach Erkenntnissen der Polizei betreiben die Rocker bundesweit Tätowierstuben, die in erster Linie zur Geldwäsche genutzt werden. Ein Mitarbeiter der Norderstedter Stadtverwaltung bestätigte, dass ein Antrag für den Betrieb einer Gaststätte im ehemaligen Mediterran vorliege. Vielen Norderstedter ist das Lokal noch als Wenzels Gasthof bekannt. Wenn die rechtlichen Voraussetzungen für den Betrieb vorliegen, habe die Stadt keine Möglichkeit, eine Erlaubnis zu versagen, hieß es. Insider gehen allerdings davon aus, dass es sich bei dem Antragsteller lediglich um einen Strohmann der Hells Angels handelt, der das Gebäude gemietet hat.

Offenbar sind die neuen Mieter an einer guten Nachbarschaft interessiert. Die Betreiber haben sich bereits bei Anwohnern vorgestellt. Nach Medienberichten soll die Angels Bar vier Tage in der Woche geöffnet werden.

Dass die mit den Hells Angels befreundeten Red Devils ebenfalls nach Norderstedt kommen werden, halten Fachleute derzeit für unwahrscheinlich. Die Mitglieder dieser Gruppe werden von der Polizei als sogenannte Supporter (Unterstützer) der Höllenengel eingestuft und residieren in Alveslohe in demselben Gebäude wie die Angels.

"Die Supporter übernehmen die Drecksarbeit", sagt LKA-Sprecher Jung. Sie sind beispielsweise als Wirtschafter oder Türsteher im Rotlichtmilieu aktiv, schüchtern konkurrierende Gruppen ein und sichern die Monopolstellung der Angels. Die Red Devils liefern den Nachwuchs für die Hells Angels: Wer sich bewährt, darf zu den Höllenengeln aufsteigen.