Dem HIV-Infizierten droht die Sicherungsverwahrung. Der Mann muss sich wegen hundertfachen Missbrauchs von Mädchen verantworten.

Lüneburg. Ein HIV-infizierter Sextourist aus Celle muss nach Vorlage eines psychiatrischen Gutachtens eventuell mit einer deutlich härteren Strafe rechnen als bislang absehbar. Der 66-Jährige muss sich vor dem Landgericht Lüneburg wegen hundertfachen Missbrauchs von jungen Mädchen in Thailand verantworten.

Eventuell werde Sicherungsverwahrung beantragt, hieß es am Donnerstag. Das würde bedeuten, dass der Rentner solange eingesperrt bleiben muss, bis von ihm keine Gefahr mehr ausgeht. Psychiater Reiner Friedrich hatte dem dreifachen Vater einen Hang zu weiteren ähnlichen Taten attestiert.

Die Verteidigung machte danach überraschend geltend, der Angeklagte sei selber zwischen dem 14. und 21 Lebensjahr von einem Nachbarn missbraucht worden. Dies habe er erst vor rund zwei Wochen seinen Anwälten offenbart. Sie beantragten am Nachmittag zunächst ein weiteres Gutachten, das die verminderte Schuldfähigkeit des Angeklagten belegen soll. Ein Experte des Instituts für Sexualforschung in Hamburg solle zeigen, dass der gelernte Schriftsetzer sexsüchtig und daher nur vermindert schuldfähig sei.

Bisher hatte das Gericht dem 66-Jährigen eine Höchststrafe von neun Jahren zugesagt, wenn er gesteht. Den Opfern wäre damit eine Aussage in Lüneburg erspart geblieben. Bei drohender Sicherungsverwahrung könnte der Angeklagte nun sein Geständnis widerrufen, dann würde der Deal platzen. Das könnte das Verfahren jedoch erheblich in die Länge ziehen.

Gutachter Friedrich hatte ihm die volle Verantwortlichkeit attestiert. Damit wäre eine Unterbringung in der Psychiatrie vom Tisch – anders als von der Verteidigung angestrebt. „Für mich ist der Angeklagte erheblich gestört“, sagte einer der beiden Verteidiger.

Friedrich hatte von einem Doppelleben gesprochen, das der Angeklagte geführt habe. Er hätte jahrelange mit Mädchen und erwachsenen Frauen Sex gehabt. Der Psychiater diagnostizierte daher eine sogenannte Nebenströmungs-Pädophilie. „Die Mischung macht's“ habe der Angeklagte dazu gesagt und sich als „tollen Hecht“ betrachtet. „Du alter Knacker hast eine 13-, 14-Jährige ins Bett bekommen“, habe er dazu gesagt. „Carpe diem – nimm alles mit. Wer weiß, wie lange Du es noch kannst.“

Der Angeklagte sehe die Schuld bei anderen, die Opfer seien ihm in Thailand zugeführt worden. „Tja, ich wollte nicht nein dazu sagen. Es hat sich halt so ergeben“, begründete er laut Gutachter sein Verhalten. Das ein Ansteckungsrisiko bestand, sei ihm klar gewesen. Aber: „Wenn die sich für 500 Baht anbieten, soll ich der Depp sein, der das nicht annimmt?“

Die Staatsanwaltschaft lehnte einen weiteren Sachverständigen ab. Der Angeklagte habe bislang bestritten, selbst missbraucht worden zu sein. Er sei explizit danach gefragt worden. „Ich habe mich geschämt“, begründete der Rentner sein monatelanges Schweigen. (abendblatt.de/dpa)