Jan O., 26, soll Nina und Tobias aus Bodenfelde umgebracht haben. Er hätte weiter getötet, glaubt die Polizei. Haftbefehl erlassen.

Bodenfelde/Northeim. Der 26-jährige Jan O. hat nach Überzeugung der Polizei in Bodenfelde binnen einer Woche erst die 14-jährige Nina und dann den 13-jährigen Tobias umgebracht. Als die Polizei den Mann, der Alkohol- und Drogenprobleme hat, am Montagabend als Tatverdächtigen identifiziert hatte, wusste der Northeimer Kripo-Chef Andreas Borchert, dass keine Zeit zu verlieren war bei der Fahndung: "Wir wollten weitere Tötungsdelikte verhindern, alle Kräfte sind sofort raus." Der Eindruck von Borchert war: "Der Mann hat Potenzial zum Serienmörder."

Nur zweieinhalb Stunden später wurde der Verdächtige in einem Zug auf dem Bahnhof von Bodenfelde festgenommen, tags darauf der Haftbefehl gegen ihn erlassen. Er wohnte bis dahin im benachbarten Uslar. Von dort aus ist er, so der aktuelle Ermittlungsstand, auch am Montagabend der vergangenen Woche nach Bodenfelde gefahren, hat hier noch am Abend Nina getötet. Das Mädchen war am gleichen Tag wieder einmal von zu Hause weggelaufen.

Am Sonnabendabend, ebenfalls weniger als zwei Stunden nach seinem Verschwinden, war auch Tobias tot. Beide Kinder hat der Täter zu Tode gewürgt und mit einem Messer auf sie eingestochen. Weil sie beide in einer Fichtenschonung binnen weniger Minuten am Sonntag gefunden wurden - ausgerechnet von der Mutter des toten Jungen -, war in der Öffentlichkeit der Eindruck entstanden, sie seien zeitgleich getötet worden. Die Polizei tat aus fahndungstaktischen Gründen nichts, um diesen Eindruck zu korrigieren.

Am Montag dann, nach der Identifizierung, gab es einen realen Hintergrund für die Angst der Polizei, bei einem weiteren Kapitalverbrechen zu spät zu kommen. Die Beamten hatten soeben im Internet herausgefunden, dass Jan O. dort schon vor Monaten in diversen Networks gechattet hat mit dem erklärten Ziel, Kontakt zu Kindern aufzunehmen. Textprobe: "Hatt ein girly zwischen 10 und 16 intresse hat zu chaten und vielleicht mehr bitte melden". Oder auch: "Welches girly will mehr als nur quwatschen". Zumindest in der Region Northeim, so versicherten es gestern die erfolgreichen Fahnder vor Journalisten in der Kreisstadt, hat es in den vergangenen Monaten glücklicherweise keine schweren Sexualstraftaten gegen Kinder gegeben.

Der rasche Fahndungserfolg lässt die kleine Gemeinde Bodenfelde aufatmen. Die meisten Kinder und Jugendlichen durften in den vergangenen Tagen nicht mehr allein nach draußen, zu groß war die Angst der Eltern. Und die Trauer sitzt tief.

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Dass der Täter so schnell gefasst wurde, ist einem jungen Mädchen aus Bodenfelde zu verdanken. Keine zwei Stunden bevor er Tobias tötete, hatte Jan O. das Mädchen in alkoholisiertem Zustand mitten im Ort angesprochen: "Willst du ein Bier, wo ist denn hier was los?" Das Mädchen aber ging auf ihn nicht ein, verweigerte auch die Herausgabe ihrer Handynummer, notierte aber seine Telefonnummer und gab sie an die Polizei weiter. "Richtig clever" nannte das gestern der Chef der Mordkommission, Hartmut Reinecke.

Es folgte die klassische Polizeiarbeit. Der Inhaber der Nummer wurde ermittelt - und er hatte eine Strafakte. Am Montag um 17.35 Uhr wurde die Fahndung eingeleitet, und die läuft heutzutage auch im Internet.

Jan O. stammt aus dem Raum Uelzen, war Sonderschüler und hatte ab 2003 schwere Alkohol- und Drogenprobleme. Für zwei Jahre und neun Monate musste er wegen diverser Diebstähle ins Gefängnis - Beschaffungskriminalität. Bei einer freikirchlichen Einrichtung in Amelith, einem Nachbarort von Bodenfelde, machte er eine Entziehungskur, danach wurde die Reststrafe zur Bewährung ausgesetzt.

Als Gewalttäter aber war er zuvor nicht aufgefallen. Die Polizei will jetzt ein psychiatrisches Gutachten in Auftrag geben, sie geht von einer schweren Störung aus. Ob der Mann zu den Tatzeiten unter Alkohol- oder Drogeneinfluss stand, ist noch nicht klar.

Der Richter hat den Haftbefehl begründet mit dem konkreten Verdacht, der Mann habe aus purer Mordlust die Kinder umgebracht. Bislang hat der Verdächtige geschwiegen - aber sein Anwalt kündigte gestern ein Geständnis seines Mandanten an. Bei einer Verurteilung wegen Mordes droht Jan O. eine lebenslange Haftstrafe. Kommt das Gericht zu der Erkenntnis, dass von dem Täter auch künftig eine Gefahr für die Allgemeinheit ausgeht, könnte es im Urteil eine anschließende Sicherungsverwahrung anordnen.