Der Kriminologe Christian Pfeiffer über Mörder, Mordlust und den Doppelmord von Bodenfelde

Hamburg. Der in Bodenfelde verhaftete Jan O. soll aus "purer Mordlust" getötet haben. Der Kriminologe Christian Pfeiffer erklärt den Tatbestand.

Hamburger Abendblatt:

Warum wird ein Mensch zum Mörder oder Totschläger?

Christian Pfeiffer:

Niemand hat die Anlagen, ein Gewalttäter zu werden. Natürlich sind einige mehr als andere veranlagt, Gewalt auszuüben. Aber ob aus ihnen später Boxweltmeister oder Straftäter werden, hängt vom sozialen Umfeld ab. Niemand ist prädestiniert, etwa aus Mordlust zu töten.

Mordlust kann eine vorsätzliche Tötung als Mord und nicht nur als Totschlag definieren. Was ist Mordlust?

Pfeiffer:

Sie lässt sich in zwei Kategorien unterteilen: Jemand tötet, weil er dabei sexuelle Lust empfindet. Das scheint in Bodenfelde nicht der Fall gewesen zu sein. Oder er tötet, um seiner Ohnmacht Ausdruck zu verleihen. Der Täter hat kein Selbstwertgefühl. Da ihm Erfolg im Leben oder Beruf verwehrt bleibt, verspürt er Verlangen, anders Macht auszuüben. Während er im realen Leben ohnmächtig ist, rächt er sich an Menschen, die er für seine Situation verantwortlich hält.

Aber Kinder sind kaum in die Verantwortung zu nehmen.

Pfeiffer:

Sie vergreifen sich oft an Kindern, da ihnen Erwachsene zu gefährlich werden könnten. Deren Gegenwehr ist unberechenbarer. Möglich ist auch, dass der Täter impotent ist. Seine fehlende Potenz, über die sich viele Männer definieren, steigert den Wunsch nach Macht. Es könnte im Fall Bodenfelde sein, dass er das Mädchen als Kompensation dafür tötete, dass er selbst keinen Sex haben kann. Angesichts seiner Vergangenheit, in der der Missbrauch von Alkohol und anderen Drogen eine Rolle gespielt haben soll, wäre das kein Wunder. Hinzu käme, dass der Tatverdächtige bereits wegen Brandstiftung bekannt sein soll. Dies ist auch eine Form, Macht auszuüben.

Welche Gründe könnte es geben, dass auch der 13-Jährige sterben musste?

Pfeiffer:

Möglicherweise haben die erste Tat und das empfundene Machtgefühl den Drang verstärkt, weiter zu töten. Wahrscheinlicher aber ist, dass der Junge etwas mitbekommen hat, Augenzeuge wurde und deshalb getötet wurde. Er scheint ein Zufallsopfer zu sein.