Ein Bauer bei Rostock will aufhören, den Genmais MON 810 anzubauen. Industriepartner wie Nawaro würden zu wenig kontrolliert, sagt er.

Güstrow. Er würde niemals wieder Genmais anbauen, sagt Landwirt Gerd Wirtz aus Prebberede südlich von Rostock. Vor vier Jahren sei er blauäugig gewesen. Er kaufte den neu zugelassenen Mais MON 810 und säte ihn 2007 aus. „Es war ein Fehler“, schätzt der Landwirt heute ein. Er hält das Gentechnik-Gesetz für unzureichend: „Es ist nicht zu Ende gedacht.“ Die Bauern müssten zwar vom Kauf des Saatgutes bis zum Verkauf der Ernte alles dokumentieren und würden kontrolliert. Die Industrie aber habe freies Spiel. „Und alle schauen weg“, schimpft Wirtz.

So wirft der Landwirt dem Biogashersteller Nawaro in Güstrow vor, Genmais und konventionellen Mais zusammen vergärt zu haben. Er hegt auch einen konkreten Verdacht, wohin „seine“ Gärreste als Dünger gelangten – auf den Acker eines Bauern, der 2003 Mitbegründer der ersten gentechnikfreien Region Deutschlands im Warbel-Recknitz-Tal war.

Nawaro erzeugt aus Biomasse und Gülle durch Gärung Biogas. Die dabei entstehenden Reste, in denen noch viele Mineralien stecken, gibt Nawaro an die Lieferanten zurück, sagt Betriebsleiter Norbert Hoogen. Wirtz kündigte den Liefervertrag mit Nawaro, dem nach eigenen Angaben weltgrößten Biogashersteller mit 46 Millionen Kubikmetern Gas jährlich und Sitz in Leipzig. „Als Landwirt hat man Verantwortung auch gegenüber den Menschen in der Region, den Kindern, Enkeln und allen, die nach uns kommen“, sagt der Familienvater.

2006 aber stand der 400-Hektar-Familienbetrieb auf der Kippe. Die Hälfte der Maisernte war dem Schädling Maiszünsler zum Opfer gefallen, wie Wirtz berichtet. Da sah er in dem schädlingsresistenten Genmais des US-Agrarkonzerns Monsanto seine Perspektive. Wirtz ließ sich schulen, studierte das Gentechnik-Gesetz und fühlte sich gut gerüstet für Informations- und Dokumentationspflicht, Abstandsregelungen, das Trennen von Gen- und herkömmlichem Mais, das Ausbringen der Gärreste, die er zurückerhalten würde. Nur: Er bekam sie nicht zurück.

2007, 2008 und 2009 lieferte Wirtz an Nawaro nach seinen Unterlagen 21.000 Tonnen Genmais, den Nawaro einlagerte, um ihn später zu vergären. 2009 war es zwar konventioneller Mais, weil Genmais wieder verboten war. Er war aber wie Genmais zu behandeln, weil er nur mit einer Ausnahmegenehmigung des Schweriner Agrarministeriums auf den Genmais-Flächen angebaut werden durfte.

Nawaro ging im Juni 2009 in Betrieb. Im März 2010 holte die Firma Wirtz zufolge den ersten Genmais aus dem Silo. Nach 60 bis 80 Tagen - solange dauert der Gärprozess im Fermenter – hätte er die Rückstände wieder auf dem Hof haben müssen. Er habe Nawaro auf das Versäumnis aufmerksam gemacht, berichtet Wirtz, so wie er auch Dutzende Male auf Mängel an den Feldsilos von Nawaro hingewiesen habe. Wildschweine und Krähen hätten sich an der Folie zu schaffen gemacht und den Mais verstreut. Der Energieriese ließ die Vorwürfe den Landwirt finanziell spüren. Er bezahlte ihm nicht mehr wie vereinbart den Grünmais, sondern den nach langer Lagerung durch Wasserverlust viel leichteren Silomais. Doch der Streit um das Geld ist für Wirtz eine extra Sache.

Nawaro hat nach Unterlagen des Agrarministeriums bisher 5000 Tonnen Genmais von Wirtz verarbeitet. Dieser sei mit konventionellem Mais in den Fermenter gegangen, sagt Hoogen. „Die Menge lag weit unter einem Prozent der absolut durchgesetzten Menge von 430.000 Tonnen jährlich und damit unter der Bagatellgrenze“, rechnet er vor.

Laut Wirtz stimmt diese Rechnung nicht: Der Genmais sei nur 2010 verarbeitet worden, in nur zwei Monaten. Damit wären in dieser Charge sieben Prozent Genmaterial enthalten gewesen, auch im Gärrest. 0,9 Prozent sind erlaubt. Wirtz prüft eine Strafanzeige gegen Nawaro wegen Verstoßes gegen das Gentechnikgesetz zum Schaden der Umwelt.

Nawaro habe die Pflicht zu beobachten, was mit den Resten geschieht, sagt Hoogen weiter. Dass keimfähiges Saatgut den Verarbeitungsprozess übersteht, sei nach wissenschaftlichen Erkenntnissen, unter anderem der TU München, ausgeschlossen. Dem schließt sich Agrarminister Till Backhaus (SPD) an. Dennoch kündigt er an, bei einem Institut Versuche inAuftrag zu geben, was mit Maiskolben in der Biogasanlage tatsächlich geschieht.

Experten, auf die Wirtz sich beruft, zufolge überstehen bis zu fünf Prozent der Maiskörner den Fermentationsprozess unbeschädigt und können wieder keimen. Zum anderen bleibt nach Wirtz' Ansicht die gentechnische Information im Gärrest erhalten. Was die Resistenz gegen den Maiszünsler, einen Schmetterling, bei anderen Insekten anrichten kann, wisse keiner sicher zu sagen.

Backhaus will deshalb die Gärreste auf eine möglicherweise noch vorhandene gentechnische Information prüfen lassen. Und er mahnt bei der Bundesregierung erneut die Kennzeichnungspflicht für alle genveränderten Produkte an, vom Saatgut über Futtermittel bis zu allen Lebens- und Arzneimitteln. Sein Fazit: Eine „friedliche Koexistenz“ von Genpflanzen und konventionellen Pflanzen scheint nicht möglich zu sein.