Beim Rockfestival kümmern sich zwölf Seelsorger um die Besucher. Denn manche Heavy-Metal-Fans fühlen sich einsam in der Masse.

Wacken. Alter schützt vor Metal nicht, das ist spätestens seit dem Auftritt von Alice Cooper klar. Zwar hat der Schockrocker und frühere Elternschreck schon 62 Jahre auf dem Buckel, doch Berentung ist für ihn kein Thema. Lieber haut Cooper zum vermutlich 5000. Mal seinen 70er-Jahre-Hit "Schools Out" raus - unter dem Jubel des Wacken-Publikums, das sich zwei Stunden später die nächsten Oldies reinzieht: Iron Maiden. Vor zwei Jahren hat die britische Metallegende erstmals in Wacken gespielt und mit einem Best-of-Programm für hysterische Begeisterungsstürme gesorgt. Dieses Mal sind Bruce Dickinson, Steve Harris und Co. auch hier, um ihre neue CD "The Final Frontier" zu promoten, die am kommenden Freitag erscheint. Also spielt die Band einige neue Songs und lässt dafür beispielsweise das eigentlich unverzichtbare "Run To The Hills" weg. Dafür gibt's einen echten Gänsehautmoment, als Dickinson "Blood Brothers" anstimmt und die Nummer dem vor knapp drei Monaten verstorbenen Ronnie James Dio (Rainbow, Black Sabbath) widmet. "Er sollte jetzt eigentlich bei uns sein", ruft Dickinson, und der Jubel des Publikums zeigt, dass hier viele so denken.

Einer, der das Geschehen vom Backstage-Bereich aus beobachtet, ist Oliver Könitz. Der 38-Jährige arbeitet hier mit elf Kollegen als Seelsorger. Ja, tatsächlich, auf dem Wacken Open Air gibt es erstmals eine Seelsorge-Station, die von insgesamt zwölf ehrenamtlichen Helfern, darunter Psychologen und Theologen, bis spät in die Nacht hinein besetzt wird. "Man darf natürlich keine Berührungsängste haben", sagt Könitz, der als Jugenddiakon in Dithmarschen arbeitet, "und sich nicht an T-Shirts mit Aufdrucken wie 'Odin statt Jesus' stören."

Er selbst ist seit Jugendtagen Hardrock-Fan, und noch heute schlägt sein Herz höher, wenn beispielsweise Iron Maiden auf die Bühne geht. Nicht um Bekehrung gehe es ihm, sondern darum, Hilfe anzubieten, wenn sie benötigt wird, und zu zeigen, wie offen und tolerant die Kirche sein kann. Dass konservative Kreise in den Gemeinden sein Engagement eher kritisch sehen, ficht ihn nicht an, hat doch schon der erste Wacken-Tag gezeigt, wie sinnvoll und notwendig die Seelesorge-Einheit ist. 30-mal sind Könitz und seine Kollegen um Hilfe gebeten worden, und von der Suiziddrohung bis zur akuten Psychose, die eine Psychiatrie-Einweisung erforderte, war so ziemlich alles dabei.

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"Manche fühlen sich auch einfach einsam in der Masse", erzählt Könitz, der weiß, dass es häufig schon hilft, dem anderen geduldig zuzuhören und zum Abschied sanft die Hand auf die Schulter zu legen.

Was übrigens nicht nur für die Besucher des Wacken Open Air gilt, sondern auch für all die Sanitäter und Security-Mitarbeiter, die hier im Einsatz sind. Wenn jemand seit Stunden erschöpfte Fans betreut, hilft es ihm enorm, einfach mal zu hören: "Du machst einen tollen Job." Seinen eigenen Wacken-Job möchte Könitz auch im nächsten Jahr machen, am liebsten mit noch mehr ehrenamtlichen Helfern, denn eines ist klar: Auch die härtesten Metalheads brauchen manchmal ein Quentchen Trost.

Die Masse der 75 000 hat allerdings keine psychischen Probleme, sondern verdammt viel Spaß. An einer Band wie Dew-Scented zum Beispiel, die - eigentlich sehr undankbar - bereits um elf Uhr auf der riesigen Black Stage stehen muss, ihre Chance aber nutzt und hochkonzentriert eine Trash-Metal-Granate nach der anderen raushaut. Denkwürdig auch der Auftritt von Orphaned Land. Die Israelis spielen feinsten Progressive Metal mit orientalischen Anklängen und heben sich auch textlich vom Metal-Mainstream ab. Statt Satananbetung, Drachenkämpfe oder Partyspaß hat Orphaned Land vor allem das friedliche Zusammenleben von Israelis und Arabern im Fokus.

Überhaupt ist das Programm in Wacken mal wieder so vielfältig, dass die größte Schwierigkeit darin besteht, sich zu entscheiden, was man unbedingt sehen muss und auf was notfalls verzichtet werden kann. Aber das ist natürlich Jammern auf hohem Niveau.