Es geht um einen Geheimnisverrat, und es kommen Dutzende Verdächtige in Betracht. Die Behörden in Hannover geben das Verfahren ab.
Hannover/Lüneburg. Weil sie durch ihre Trunkenheitsfahrt die eigene Glaubwürdigkeit erschüttert sah, ist die hannoversche Landesbischöfin Margot Käßmann vor knapp 14 Tagen von allen kirchlichen Ämtern zurückgetreten. Jetzt geht es um die Glaubwürdigkeit von Polizei und Justiz. Die Staatsanwaltschaft Lüneburg ermittelt gegen unbekannt wegen Geheimnisverrats. Geklärt werden soll die Frage, wie die Trunkenheitsfahrt und der Rotlichtverstoß in der Nacht zum Sonntag, 21. Februar, binnen zwei Tagen an die Öffentlichkeit gelangen konnten - inklusive der Tatsache, dass die Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche (EKD) in Begleitung eines Mannes war.
Wie heikel die Angelegenheit auch aus Sicht der Justiz selbst ist, zeigt schon die Tatsache, dass nicht etwa die eigentlich zuständige Staatsanwaltschaft Hannover ermittelt. Als hier die ersten Anzeigen wegen des Verdachts des Geheimnisverrats eingingen, hatte die Behörde das Verfahren sofort an die Kollegen in Lüneburg abgegeben, um jeden Verdacht der Kungelei zu vermeiden. Schließlich arbeiten die Staatsanwälte in Hannover tagtäglich eng zusammen mit den Beamten der Polizeidirektion. Man wolle vermeiden, so Staatsanwältin Irene Silinger, "dass auch nur der Hauch des Eindrucks entsteht, wir würden bei der Sachbearbeitung die gebotene Objektivität vermissen lassen".
Tatsächlich rücken zunächst Polizisten ins Visier der Lüneburger Ermittlungen, schließlich stand in den Medien nicht nur etwas über den Rotlichtverstoß samt der genauen Benennung der Kreuzung in der Innenstadt. Auch Zeitpunkt und das Ergebnis des ersten Alkoholtests von 1,1 Promille waren schnell bekannt.
Der Versuch, die Quelle für möglichen Geheimnisverrat ausfindig zu machen, wird nicht einfach. Zum einen muss man davon ausgehen, dass der oft zitierte "Flurfunk" auch bei der Polizei funktioniert und also Polizisten von Kollegen erfuhren, welch prominente Alkoholsünderin da aufgefallen war. Aber es waren nicht nur Polizisten im Bilde, schließlich wurde die Bischöfin vor ihrem Haus auf der Straße angehalten, dort hat sie auch gepustet. Dann war sie auf der Polizeiwache und in der Medizinischen Hochschule Hannover (MHH), wo es ebenfalls einen Flurfunk geben dürfte.
Damit nicht genug: Es gibt bei der Polizei in Hannover genaue Regeln dafür, welche Vorkommnisse umgehend der Hausspitze gemeldet werden müssen. In diesem Fall erfuhr der Präsident der Polizeidirektion Uwe Binias noch in der Nacht von dem Vorfall, am nächsten Morgen dann wurde Landespolizeipräsident Andreas Bruns informiert und der wiederum setzte Innenminister Uwe Schünemann (CDU) ins Bild. Auch im Innenministerium dürfte sich die Geschichte verbreitet haben. Pikant zudem: Der Minister war erst wenige Wochen zuvor mit der Bischöfin massiv aneinandergeraten, weil die für einen sofortigen Abzug aller Soldaten aus Afghanistan eingetreten war. Schünemann konterte, man dürfe den religiösen Fanatikern dort nicht kampflos das Feld überlassen. Ministerpräsident Christian Wulff (CDU) aber, der derzeit ohnehin mit Schünemann über Kreuz liegt, stellte sich schützend vor die Bischöfin.
Letztlich war es auch das Innenministerium, dessen Sprecher einen Tag nach Bekanntwerden der Trunkenheitsfahrt bestätigte, dass die Bischöfin einen Begleiter hatte. Dessen Personalien, so der Sprecher, seien nicht notiert worden. Ein solcher Beifahrer spiele nur eine Rolle, "wenn der Fahrer völlig kontrollunfähig ist". Die Bischöfin aber, so war auch aus Polizeikreisen zu erfahren, wirkte nach Kinobesuch, Alkoholkonsum und dem Rotlichtverstoß gefasst, zeigte keine Ausfallerscheinungen. Damit hatten Spekulationen begonnen, wie sehr Käßmann an Alkohol gewöhnt ist.