Deutschland liege bei der Versteuerung von Alkoholika unter dem europäischen Durchschnitt. Das führe auch zu Missbrauch unter Jugendlichen.

Schwerin. Im Kampf gegen den Alkoholmissbrauch hält die Landeskoordinierungsstelle für Suchtvorbeugung (Lakost) in Schwerin auch die Erhöhung der Alkoholsteuer für ein wirksames Mittel. „Dass eine Verteuerung von Produkten den Konsum erheblich beeinflusst, hat sich bei den Alkopops gezeigt. Die Drinks waren vor allem bei jungen Leuten beliebt und sind heute fast vom Markt verschwunden“, sagt Lakost-Geschäftsführer Rainer Siedelberg. Dass sich Alkoholindustrie, Brauereien und Winzer gegen eine Erhöhung der Alkoholsteuer wehrten, sei nachvollziehbar, nicht aber, dass sich auch Gewerkschaften „an solcher Lobbyarbeit“ beteiligten, erklärt Siedelberg.

Er reagiert damit auf eine Mitteilung der Gewerkschaft Nahrung-Genuss-Gaststätten (NGG) vom Dienstag. In der aktuellen Steuerdebatte hatte sich der NGG-Bundesvorsitzende Franz-Josef Möllenberg gegen eine Anhebung der Steuer auf alkoholische Getränke ausgesprochen. „Gesundheitspolitisch begründete Steuererhöhungen für Alkohol sind ungeeignet, um Alkoholmissbrauch einzudämmen. Betroffen wäre eine Mehrheit der Bevölkerung, die Alkohol verantwortungsbewusst genießt“, argumentierte Möllenberg. Zudem gebe es keinen wissenschaftlichen Beleg, dass sich das Trinkverhalten durch zusätzliche Abgaben steuern lasse.

Dem widerspricht Siedelberg. Alle Experten seien sich einig, dass eine wirkungsvolle Drogen- und Alkoholprävention eines Bündels an Maßnahmen bedürfe. „Neben der individuellen Kompetenzstärkung müssen sowohl Information und Aufklärung als auch strukturelle Maßnahmen, wie Verfügbarkeit, Image (Werbung) und der Preis berücksichtigt werden“, schreibt der Suchtexperte in einem offenen Brief an den Gewerkschaftschef. Deutschland sei bei der Erhebung der Alkoholsteuer vom europäischen Durchschnitt weit entfernt. Die durch eine Erhöhung erzielten Mehreinnahmen sollten zur Stärkung von Alkohol- und Drogenprävention genutzt werden, fordert Siedelberg.

Er verweist auf eine unvermindert hohe Zahl von Kindern und Jugendlichen, die mit Alkoholvergiftungen in Kliniken behandelt werden müssten. „Dieser Trend ist auch ein Ergebnis der derzeitigen Preisgestaltung“, betont der Suchtexperte. Für vier Euro könne man sich derzeit fünf Flaschen eines weinhaltigen Mixgetränks mit jeweils 13 Gramm reinen Alkohols oder eine Flasche Klaren mit 168 Gramm Alkohol kaufen. Eine Senkung des Alkoholkonsums in Deutschland sei zudem allgemein zwingend geboten. Der Pro-Kopf-Verbrauch von rund zehn Litern reinem Alkohol in Deutschland liege fast doppelt so hoch wie der Wert, den die Gesundheitsorganisation WHO als gesundheitlich unbedenklich einstufe.