Archäologen untersuchten 600 Fundstücke vom antiken Schlachtfeld im Kreis Northeim mit modernen Methoden.

Kalefeld/Hannover. Ein bisschen rotes Absperrband flattert im leichten Wind, dazwischen Markierungsstangen, daran einige Pappdeckel mit Nummern - ein trister Dezembertag in einem kleinen unscheinbaren Waldstück in Wiershausen, Gemeinde Kalefeld, Landkreis Northeim im Vorharz. Aber was Archäologen hier ausgegraben und im Triumphzug weggebracht haben, elektrisiert die Historiker: Das Waldstück war ein großes antikes Schlachtfeld mit römischer Beteiligung, datiert auf das dritte Jahrhundert nach Christus.

Ins Wanken gerät damit die deutsche Legende über Hermann den Cherusker, der im Jahre neun nach Christi Geburt mit der einen Schlacht gegen den römischen Feldherrn Varus das Weltreich zum blamablen Rückzug hinter den Limes zwang.

Während in Kalkriese im Osnabrücker Land die Vorbereitungen für das 2000-Jahre-Jubiläum der Varusschlacht auf vollen Touren laufen, atmen die Fachleute in Northeim tief durch, denn Teil eins ihres ungewöhnlichen Projekts hat geklappt: Gegraben wurde in Wiershausen über Monate möglichst diskret, um private Schatzjäger fernzuhalten. Nun gilt es, dem nachzugehen, was die Northeimer Kreisarchäologin Petra Lönne eine Sensation nennt, die Geschichtsbilder ins Wanken bringe: " 200 Jahre nach der Varusschlacht konnten römische Kaiser groß angelegte militärische Operationen im Inneren Germaniens durchführen."

Die Fachleute sind sich sicher, den Zeitpunkt der Schlacht so genau eingrenzen zu können. Rund 600 Fundstücke, vor allem Waffen und Waffenteile, haben sie mit modernen Methoden untersucht. Unter anderem seien Speerspitzen mit DNA-Anhaftungen und Pfeile aus Hölzern entdeckt worden, die aus Afrika stammen. Die hatten die Römer gern.

Die Frage nach den Beweisen für den Zeitpunkt ist deshalb so wichtig, weil die Archäologen über viele Jahre auch erbittert darüber gestritten haben, ob nun die Varusschlacht im Osnabrücker Land oder doch in der Nähe von Detmold im Teutoburger Wald geschlagen worden ist. Nun sollen also mindestens 200 Jahre später wieder Römer mit Einheimischen in eine fürchterliche Keilerei geraten sein.

Die Archäologin Susanne Wilbers-Rost, die am Ort der Varusschlacht die Fachabteilung des Museums leitet, nennt den neuen Fund einen Glücksfall: "Antike Schlachtfelder gibt es praktisch nie." Jetzt dagegen habe man die Möglichkeit, Funde aus dem Osnabrücker Land mit denen aus Wiershausen zu vergleichen, mit der Chance, Rückschlüsse auf die Planung und den Verlauf der Schlacht ziehen zu können, aber auch auf spätere Plünderungen.

Einfacher ist es für die Experten, die Überreste befestigter römischer Lager zu erkunden. Dass die Legionen des Weltreichs bereits kurz vor Christi Geburt ganz in der Nähe des neuen Fundes im benachbarten heutigen Landkreis Göttingen eine große Wehranlage errichtet hatten, ist bekannt. Damals regierte in Rom Kaiser Augustus, der dann im Jahre neun nach Christus in die im deutschen Volkslied verewigte Klage ausbrach, sein Feldherr Varus soll ihm die in der Schlacht verlorenen Legionen wiedergeben. Jetzt wird sich alles um die Frage drehen, ob seine Nachfolger doch noch 200 Jahre später versuchten, im wilden und als barbarisch beschriebenen Germanien Fuß zu fassen.

Vor ganz anderen Herausforderungen steht der Kalefelder Bürgermeister Edgar Martin. "Aber selbstverständlich" will er jetzt versuchen, Kapital aus der Antike zu schlagen: "Es ist der totale Wahnsinn." Ein touristischer Aufschwung schwebt ihm vor.