Die Mutter verlor Sonja vor 21 Jahren – doch ihr grausamer Tod lässt die 57-Jährige bis heute nicht los, berichtete sie dem Landgericht in Stade. Für den Mord an der 16-jährigen Sonja Ady steht seit Montag der 41-jährige Michael B. vor Gericht. Die Schülerin war am 23. August 1987 tot aufgefunden worden.

Stade. "Ich habe mir immer gewünscht zu wissen, wer das war", sagte Sonjas Mutter am heutigen Mittwoch vor Gericht. Sie denke noch oft an ihre Tochter, berichtete sie weinend.

Bei der heutigen Befragung machte die Mutter andere Angaben zu ihrer Tochter als vor 21 Jahren gegenüber der Polizei. Sie schilderte unter anderem die Bekleidung ihrer Tochter anders als am Tattag. Entgegen ihrer damaligen Aussage, die 16-Jährige habe schon mehrere Freunde gehabt und bereits sexuelle Erfahrungen gesammelt, sagte sie dem Gericht: "Das kann ich mir gar nicht vorstellen." Sie räumte aber auch ein, alles, was mit ihrer Tochter zusammenhänge, verdrängt zu haben.

Michael B. aus Himmelpforten soll die Schülerin nach einem Disco-Besuch in Bremervörde mit mehr als 67 Messerstichen getötet haben. Den geschiedenen Arbeitslosen haben die Fahnder mit Hilfe von DNA-Spuren ermittelt, die am Tatort sichergestellt wurden. Zum Zeitpunkt des Mordes war die moderne Analyse-Technik noch nicht entwickelt. Der 41-Jährige, der den Mord bestreitet, galt lange als einziger Beschuldigter. Doch die Staatsanwaltschaft hat auf Antrag der Verteidigung einen weiteren Tatverdächtigen in das Verfahren aufgenommen: einen 48- jährigen Mann, der bereits 1981 die 21-jährige Swantje S. aus Neuenkirchen ermordet haben soll.

Was die Anwälte von Michael B. hellhörig machte, waren die "unglaublichen Parallelen" zwischen den Mordfällen. Wie bei Michael B. kam die Polizei auch Swantjes mutmaßlichem Mörder aus Hadeln (Kreis Cuxhaven) gerade erst durch den Einsatz neuer DNA-Untersuchungstechniken auf die Spur. Seit drei Monaten wartet er 27 Jahre nach der Tat in der Justizvollzugsanstalt Oldenburg auf die Anklage.

Wie im Fall Sonja Ady soll auch der Mörder von Swantje S. mehr als 60 Mal auf sein Opfer eingestochen haben. Auch sie war gefesselt, auch neben ihrer Leiche lag ein Kälberstrick. Beide Frauen starben am gleichen Tag, an einem 23. August, Swantje S. jedoch sechs Jahre vor Sonja Ady da war der in Stade angeklagte Michael B. erst zwölf Jahre alt.

Am Strick, mit dem Sonja Ady gefesselt worden war, hatten die Fahnder neben der DNA von Michael B. auch eine Fremdspur sichergestellt. Handelt es sich dabei um genetisches Material von Swantjes Mörder? Um diese Eventualität auszuschließen, gab der 48-Jährige bereits eine Speichelprobe ab, die vom Landeskriminalamt untersucht wird. Für seinen Anwalt Wolfgang Rentzel-Rothe ist klar: "Da hat die Verteidigung in Stade offenbar einen Verdächtigen aus dem Hut gezaubert , um ihren eigenen Mandanten zu entlasten."