Der Prozess um den Mord an der Schülerin Sonja A. vor 21 Jahren in Bremervörde gestaltet sich als schwierig: Die Zeugen können sich kaum erinnern oder sind nicht auffindbar, das Verbrechen ist möglicherweise schon verjährt und plötzlich taucht auch noch ein zweiter Verdächtiger auf.

Wegen des Todes der Schülerin steht seit Montag ein 41-Jähriger aus Himmelspforten vor dem Landgericht Stade. Er soll die 16-Jährige im August 1987 nach einem Disco-Besuch im Landkreis Rotenburg mit mehr als 67 Messerstichen getötet haben. Ein Bauer fand ihre nackte, gefesselte Leiche am nächsten Tag auf einem Feldweg.

Den Ermittlern gelang es damals nicht, den Täter zu überführen. Erst mit Hilfe neuer DNA-Untersuchungsmethoden kamen sie auf die Spur des Angeklagten. Die Polizei nahm ihn im Juli dieses Jahres fest. Der damals 19-Jährige gibt zu, dass er Sonja in der Disco getroffen und mit ihr geschlafen hat und demnach auch die DNA-Spuren von ihm stammen. Den Mord bestreitet er aber. Die Verteidigung bezweifelt, dass die Indizien als Beweis ausreichen. "Unser Mandant ist unschuldig", sagte Verteidigerin Katrin Bartels.

Besonders rätselhaft ist, dass in Cuxhaven zurzeit ein Mann wegen eines ähnlichen Verbrechens in Untersuchungshaft sitzt. Er soll eine junge Frau erstochen haben, ebenfalls mit mehr als 60 Messerstichen.

"Es gibt viele Parallelen zu unserem Fall", betonte die Verteidigerin. Wie Sonja war sie nackt und an Händen und Füßen gefesselt. Außerdem wurde auch sie an einem 23. August getötet, allerdings sechs Jahre vor Sonja. Zu diesem Zeitpunkt war der in Stade Angeklagte zwölf Jahre alt. Die Verteidigung beantragte, das Verfahren auszusetzen, bis mehr Details vorliegen. Das Gericht lehnte dies ab.

Der gelernte Messtechniker schweigt im Prozess zu den Mord-Vorwürfen. Das Gericht verlas jedoch ein Verhör der Polizei, bei der sich der junge Mann damals als Zeuge gemeldet hatte. Danach lernte er Sonja bereits im Januar 1987 kennen und schlief ein erstes Mal mit ihr. Eine Beziehung wollte er jedoch nicht. Sonja ließ ihm zufolge aber nicht locker: "Sie war regelrecht hinter mir her." In der Tatnacht saß sie weinend in seinem Auto. Er tröstete sie, und sie hatten in seinem Auto auf dem Parkplatz hinter der Disco Sex. Danach ging Sonja angeblich wieder in die Disco zurück.

Die Staatsanwaltschaft bezeichnete das Verfahren schon vor Beginn als "kniffelig". Nach Angaben von Oberstaatsanwalt Frank Reh muss dem Angeklagten Mord nachgewiesen werden. Bei Totschlag wäre der Fall nämlich schon verjährt. Außerdem sei noch nicht klar, ob der damals 19-Jährige unter das Jugend- oder das Erwachsenenstrafrecht falle. Das Gericht will nach der Beweisaufnahme darüber entscheiden. Sollte das Jugendstrafrecht greifen, drohen dem Verdächtigen bei Mord höchstens zehn Jahre Haft.

Die Verhandlung soll an diesem Mittwoch (3. Dezember) fortgesetzt werden.