Der Widerstand gegen die Atomkraft ist wieder auffallend jung. Viele Familien sind mit drei Generationen vertreten.

Gorleben. "Ich wollte ein Zeichen setzen", sagt Sylvia (19). "Klarmachen, dass ich mich eher mit meinem Körper dagegenstemme, als dass ich auf einem radioaktiv verseuchten Planeten lebe." Mehr als vier Stunden lag die Abiturientin aus Münster unter einem Trecker vor dem Zwischenlager in Gorleben. Sie hatte sich mit einem Bügelschloss festgekettet. Eine spontane Aktion, sagt Sylvia, und man fühlt noch Stunden später ihre Anspannung. Und den Stolz. Spezialisten der Polizei haben es mit einer hydraulischen Presse nicht geschafft, das Schloss zu knacken. Sie mussten den Trecker aufschneiden. "Ich hatte mir schon auf dem Weg nach Gorleben überlegt, wie weit ich gehen würde", sagt Sylvia und erzählt, dass sie aus einer ökologisch denkenden Familie kommt.

Sie steht für eine neue Generation. Kreativ, selbstbewusst und zielorientiert kämpfen sie für eine bessere Welt. So wie die junge Frau, die trotz massiven Polizeiaufgebots auf einen Lichtmast klettert und ein Transparent enthüllt. "Gegen unsere Lebendigkeit seid ihr machtlos" steht darauf. Die schrille Clownin, die sich frech neben die Polizisten stellt. Es sind die Jungen, die in diesem Jahr das Bild des Widerstands bestimmen. In den Camps, bei den Schienenbesetzungen oder in den Blockadenächten in Gorleben - kaum jemand, der älter als 30 Jahre ist. Ob das, was sie tun, legal ist, ist ihnen egal. "Wir wollen etwas ändern und können das auch", sagt Josefine von Manteuffel (18) aus Lüneburg. Das sei legitim.

Wenke sitzt seit zwei Tagen vor dem Zwischenlager in Gorleben. "Die Nächte waren kalt. Aber das Gruppengefühl ist wahnsinnig." Wenke ist 18 Jahre alt, kommt aus Schwerin und ist zum ersten Mal bei den Anti-Atom-Protesten im Wendland. Wenige Meter vor ihr tragen Polizisten die Menschen von der Straße. Angst habe sie nicht, sagt Wenke, die gerade ein freiwilliges ökologisches Jahr macht. Die Räumung ist in vollem Gang, die elf Atommüllbehälter stehen seit Stunden abfahrbereit in Dannenberg. "Wir können den Transport nicht verhindern, aber verzögern", sagt sie. Auch Madeleine Schmidt ist das ganze Wochenende auf den Beinen: "Ich habe das Bedürfnis, das weiterzumachen, was meine Eltern angefangen haben." Die 21-Jährige aus Bülitz ist schon als Kind bei den Anti-Atomkraft-Demos dabei gewesen. Melanie Jordan (21) neben ihr nickt: "Wir haben die Zukunft vor uns, deshalb sind wir hier." Viele Familien kommen inzwischen mit drei Generationen zu den Protesten. Leon Otto Ottmüller (15) aus Barendorf bei Lüneburg sitzt neben seinen Eltern. "Der Widerstand gegen das Atommülllager ist für mich selbstverständlich", sagt er. Friedericke Massel (20) ist spontan mit ihrer Mutter aus Schwerin gekommen. "Der Atommüll geht uns alle an. Der direkte Protest ist ein starkes Mittel, besser als Internet."

Einen Erfolg konnten die Atomkraftgegner gestern Abend für sich verbuchen. Für mehr als 48 Stunden war es ihnen gelungen, die Zufahrt zum Zwischenlager zu blockieren.