Die Sexualstraftaten ihres mutmaßlichen Mörders

Neumünster. Der mutmaßliche Mörder von Jennifer (16) hat in den 90er-Jahren zwei Frauen brutal vergewaltigt. Das wurde gestern in Neumünster trotz einer Nachrichtensperre der Staatsanwaltschaft Kiel bekannt. Der heute 37 Jahre alte Stefan Z., der im Sommer aus dem Gefängnis kam, soll Jennifer "aus sexuellen Motiven" überfallen und das Mädchen aus Angst vor einer neuen Haftstrafe getötet haben. Der Mechaniker, der seit Dienstag in U-Haft sitzt, schweigt dazu. Das erste Opfer des gelernten Kraftfahrers war seine Ex-Freundin. Im Februar 1994 soll Stefan Z. die damals 23-Jährige in ihrer Wohnung aufgefordert haben, sich auszuziehen, weil er sie "noch einmal nackt sehen" wolle. Als die Frau sich weigerte, soll Z. ein Butterfly-Messer gezogen und sie vergewaltigt haben. Urteil des Landgerichts Kiel im Oktober 1994: zwei Jahre und sechs Monate Gefängnis. Nach 20 Monaten (die übliche Zweidrittelregelung) kam Z. frei. Noch in seiner Bewährungszeit, in der Nacht zum 7. August 1996, überfiel er in Neumünster die nächste Frau. Nach einem Disco-Besuch soll er eine damals 33 Jahre alte Bekannte mit einem Messer bedroht und vergewaltigt haben. Die Frau floh später nackt. Vor dem Landgericht Kiel bestritt Z. die Gewalttat. Im Januar 1997 der Schuldspruch: vier Jahre und neun Monate wegen Vergewaltigung und sexueller Nötigung. Obendrauf kam die Reststrafe aus dem ersten Urteil. Die Gesamtstrafe saß Stefan Z. bis Sommer 2002 ab. Danach musste er entlassen werden, obwohl offenbar Wiederholungsgefahr befürchtet wurde. Schuld ist eine Sicherheitslücke: Gerichte haben erst seit Juni 2002 die Chance, in ihrem Urteil anzuordnen, dass während der Haftzeit eines Sexualstraftäters über eine anschließende Sicherungsverwahrung entschieden wird. Die CDU in Schleswig-Holstein möchte diese Lücke schließen und mit einem Landesgesetz wie in Bayern oder Baden-Württemberg dafür sorgen, dass auch Alt-Straftäter wie Stefan Z. nicht einfach entlassen werden, sondern eine Sicherungsverwahrung geprüft wird. In der kommenden Woche soll der Landtag über den Gesetzentwurf abstimmen. SPD und Grüne hatten den Vorstoß vor dem Mordfall Jennifer im Innen- und Rechtsausschuss abgelehnt. Justizministerin Anne Lütkes (Grüne) hat verfassungsrechtliche Bedenken. Ein Grund: Strafrecht ist eigentlich Sache des Bundes und nicht der Länder. Der CDU-Innenexperte Klaus Schlie hofft nun auf eine rot-grüne Kehrtwende. Das CDU-Gesetz garantiere zwar keine 100-prozentige Sicherheit, und es sei offen, ob die Regelung den mutmaßlichen Mörder getroffen hätte. "Aber die Wahrscheinlichkeit, dass Jennifer heute noch leben würde, wäre größer gewesen."