Kommentar

Des Kanzlers Wort vom "Wegsperren" liegt wieder in der Luft. Vor gut einem Jahr, als wieder einmal ein kleines Mädchen einem Sexualmord zum Opfer gefallen war, sprach Kanzler Gerhard Schröder aus, was die meisten wohl dachten. Jetzt ist es wieder soweit. Übergriffe auf Frauen und Kinder scheinen Deutschland erneut wie eine Welle erfasst zu haben. Beschäftigt ein Fall die Öffentlichkeit, werden meist auch andere wieder stärker wahrgenommen. Allen Statistiken zum Trotz, die keinen auffälligen Anstieg von sexuell motivierten Überfällen registrieren, geht Angst um. Jeder einzelne Fall ist einer zu viel. Diesmal aber äußert sich der Kanzler nicht. Und eine wirksame Lösung für den Umgang mit Männern, die Frauen und Kinder nötigen, missbrauchen, vergewaltigen und umbringen, ist ihm als Regierungschef auch nicht eingefallen. Die ist eben leider nicht so einfach. Es erfordert das Abwägen zwischen dem Recht der Gesellschaft, vor diesen Verbrechern geschützt zu werden, und dem Anspruch von Verurteilten, irgendwann in diese Gesellschaft zurückkehren zu können. Wenn aber ein Vergewaltiger nach Absitzen seiner Strafe - wie in Neumünster - als "tickende Zeitbombe" gleichwohl in die Freiheit entlassen wird, ist an irgendeiner Stelle ein grundlegender Fehler gemacht worden. Solche Lücken gilt es zu suchen und zu schließen. Deshalb ist es gut und unbedingt nötig, alles immer wieder neu zu diskutieren, was als Strafe und Therapie einzusetzen ist. Nichts darf dabei als abwegig erscheinen - weder die Ausweitung von Hilfsmöglichkeiten für die Täter noch die Möglichkeit, sie tatsächlich lebenslang hinter verschlossenen Türen zu lassen. Der Schutz der Menschen muss dabei ohne Zweifel immer im Vordergrund stehen. Therapeuten, Psychologen und Richter sollten das immer wieder vor Augen haben, wenn ihnen ein Schuldiger gegenübersitzt.