“Bremer Taliban“: Nach mehr als viereinhalb Jahren kam Murat Kurnaz nach Hause. In seiner Zelle im Lager Guantánamo wurde nie das Licht ausgeschaltet, klagt der Rechtsanwalt.

Bremen. Als Murat Kurnaz am Freitag morgen zu Bett ging, graute bereits der Morgen. Viel zu früh für ihn - denn es war gerade die Dunkelheit, die der 24 Jahre alte Deutsch-Türke im berüchtigten Strafgefangenenlager Guantanamo so schmerzlich vermisst hat.

"Viereinhalb Jahre kannte mein Mandant nur gleißendes Neonlicht", sagte Rechtsanwalt Bernhard Docke am Tag nach Kurnaz' Freilassung mit Tränen in den Augen. Nachts sei das grelle Licht in den Käfigzellen auf Kuba niemals ausgeschaltet worden. Die gesamte Zeit sei der einstmals als Terrorist verdächtige Bremer an Händen und Füßen sowie am Boden gefesselt gewesen.

Gleichfalls gefesselt, zudem mit verbundenen Augen, wurde Kurnaz am Donnerstagabend auf dem US-Luftwaffenstützpunkt Ramstein in der Pfalz an je zwei Mitarbeiter des Bundesgrenzschutzes und des Auswärtigen Amtes übergeben. Bewacht von 15 US-Soldaten war er in einem Transportflugzeug in seine Heimat geflogen worden.

Dennoch, so Rechtsanwalt Docke, sei Kurnaz bei der nächtlichen Rückfahrt im Mercedes seiner Eltern "gefasst, wach, ja humorvoll" gewesen. Bei einer Rast an der A 1 habe er den Sternenhimmel wie ein außerirdisches Wunder betrachtet. In der Seitenstraße mit den bescheidenen Reihenhäuschen daheim in Bremen-Hemelingen wartete ein Blitzlichtgewitter der Fotografen auf den Rückkehrer - als Signal für bevorstehendes Tohuwabohu.

"Herr Kurnaz hat sich in sein Elternhaus zurückgezogen. Er wird einige Tage brauchen, um den abrupten Wechsel von Foltergefängnis zu Freiheit zu begreifen", meinte Docke. Psychologische Betreuung steht bereit. Angeblich sollen hoch dotierte Angebote für exklusive Reportagen aus Guantanamo vorliegen.

Entgegen ersten Ankündigungen hielten sich auch die Eltern Rabiye und Metin Kurnaz zunächst zurück. Nachmittags saß die Familie im Wohnzimmer zusammen. In seinem Zimmer im Souterrain soll Murat nun zu sich kommen.

"Murat ist frei, der Fall aber liegt noch nicht ad acta", sagte der amerikanische Rechtsprofessor Baher Azmy. Er warf den USA "brutale körperliche" und "systematische seelische" Folter vor. Sein Bremer Kollege Docke will klären, warum die angeblich bereits 2002 von den USA angebotene Freilassung scheiterte.

In Bremen werden nach Angaben von Staatsanwalt Uwe Picard die Ermittlungen wegen Verdachts auf Bildung einer kriminellen Vereinigung gegen Kurnaz wiederaufgenommen.