Kindermörder Marc Hoffmann zur Höchststrafe verurteilt. Der Richter verspricht den Eltern: Wir werden Levke und Felix nicht vergessen!

Stade. Am letzten Verhandlungstag haben sie sich wieder vor dem Ge-richtsgebäude in Stade aufgebaut. Männer und Frauen mit der Aufschrift "Kinder sind tabu" auf den weißen T-Shirts. An der Seite bewegt ein Transparent sich sacht im Wind. Darauf Namen von Kindern, ihr Alter und ihr Todesjahr. Die Liste ist lang, und am Ende ist Raum für weitere Eintragungen. Levke und Felix stehen unter der Jahreszahl 2004. Beide wurden acht Jahre alt. "Er soll nicht mit nur lebenslang davonkommen", sagt Kerstin Lorentsen (41), die sich in Northeim bei Göttingen in einem Opferschutzverein engagiert und deshalb nach Stade gekommen ist.

Nein, Marc Hoffmann (31) kommt nicht davon. Um 11.45 Uhr spricht der Vorsitzende Richter Berend Appelkamp (47) im Schwurgerichtssaal das Urteil: "Der Angeklagte wird zu einer lebenslangen Freiheitsstrafe verurteilt", sagt er mit seiner ruhi-gen, sachlichen Stimme. Eine be-sondere Schwere der Schuld werde festgestellt und anschließende Sicherungsverwahrung angeordnet. Der Spruch dauert keine fünf Minuten, und einen Augenblick scheint es, als wolle das Publi-kum klatschen. Der Angeklagte zeigt keine Regung. Bewegungslos wie schon an allen anderen Prozeßtagen sitzt er zwischen zwei kräftigen Justizvollzugsbeamten. Auch Levkes Eltern lassen keine Gefühlsregung erkennen. "Es war ein notwendiges, ein richtiges Urteil", wird Ulrike Straßheim (39), die dem Mörder ihrer Tochter an neun Verhandlungstagen direkt gegenübersaß, später sagen.

Appelkamp, der im Prozeß manchmal unentschlossen gewirkt und mit seinen offenen Fragen den Zeugen viel Raum gelassen hat, geht in seiner Urteilsbegründung noch einmal bis ins oft schmerzhafte Detail der grausamen Verbrechen an den beiden unschuldigen Kindern. Hoffmann habe sie unter einem Vorwand in sein Auto gelockt und sexuell mißbraucht. "Er wollte Levke töten, um zu verhindern, daß sie etwas über den sexuellen Mißbrauch erzählen kann." Aus dem gleichen Grund habe er Felix mit bloßen Händen erwürgt. "Die Fähigkeit des Angeklagten, das Unrecht der Taten einzusehen, war bei der Ausübung der Taten voll vorhanden", sagt der Richter und erklärt Hoffmann damit für voll schuldfähig.

Die Richter folgen mit der Verhängung der Höchststrafe dem Antrag der Staatsanwaltschaft. Sie stützen sich dabei auf das Gutachten des psychiatrischen Sachverständigen Professor Norbert Leygraf. Dieser hatte keine Anhaltspunkte für eine hirnorganische Erkrankung oder eine tiefgreifende Bewußtseinsstörung festgestellt, die eine Schuldunfähigkeit begründen könnten. Hoffmanns Anwalt Jost Ferlings hatte das in Frage gestellt und für eine Unterbringung seines Mandanten in der Psychiatrie plädiert. Er will nun in Revision gehen.

Zum Ende der knapp einstündigen Urteilsbegründung wendet sich der Vorsitzende Richter direkt an Hoffmann, der während des gesamten Prozesses kein Wort gesagt hatte: "Herr Hoffmann, wenn das Urteil rechtskräftig wird, werden Sie sehr, sehr lange in Unfreiheit leben müssen. Aber unser Rechtssystem sieht vor, daß Sie menschenwürdig behandelt werden." Auch die Eltern der Opfer spricht er direkt an: "Ich möchte Ihnen zum Schluß sagen, daß wir Levke und Felix nicht aus den Augen verlieren werden." In diesem Augenblick liegt so etwas wie Dankbarkeit im Blick von Ulrike Straßheim, die immer wieder mit den Tränen gekämpft hat. "Für uns ist erst mal ein Abschluß da", sagt sie später vor dem Gerichtsportal. "Nichtsdestotrotz gibt es keine gerechte Strafe." Noch einmal wächst die zierliche Frau über sich hinaus. "Wir müssen Augen und Ohren offenhalten. Täterprävention heißt Opferschutz."

Auch die Demonstranten rollen zufrieden ihre Transparente wieder ein. "Wir sind froh, daß das volle Straßmaß ausgeschöpft wurde", sagt Kerstin Lorentsen. "Es ist ein gerechtes Urteil."