Roman Polanski dreht Szenen seines Thrillers “The Ghost“ auf der Insel. List wird amerikanisch.

List/Sylt. "So, jetzt ist er gerade", sagt Peter Brodersen und hält die Wasserwaage an den hölzernen Strommast. Der 64 Jahre alte Brunnenbaumeister hat seinen Ehrgeiz, auch wenn dieser Mast und die 19 anderen auf der Mautstraße zum Lister Ellenbogen nur Kulisse sind. Der Handwerker aus Bredstedt (Nordfriesland) sorgt mit anderen Firmen dafür, dass Sylt die mondäne amerikanische Urlaubsinsel Martha's Vineyard doubeln kann.

In dieser Woche werden hier der Regisseur Roman Polanski mit den Schauspielstars Ewan McGregor ("Star Wars", "Moulin Rouge") und Olivia Williams ("The Sixth Sense") anfangen, jene Szenen seines neuen Kinofilms "The Ghost" zu drehen, in denen unberührte Dünenlandschaft und ein Fährhafen zu sehen sein werden. Auch auf Usedom, in Berlin und Peenemünde wird gefilmt.

"Links erstreckte sich der graue Ozean. Vor uns lagen ein paar Meilen weißer Sand. Ich drehte mich um und sah hinter uns das gleiche Bild ...",* heißt es im Roman "Ghost" des britischen Autors Robert Harris, der die Vorlage für den Kino-Thriller ist. Es geht um den fiktiven britischen Ex-Premier Adam Lang, der mitten im Winter auf Martha's Vineyard seine Memoiren schreibt. Als ein langjähriger Mitarbeiter auf dem Weg zur Insel ertrinkt, wird er durch einen professionellen Ghostwriter (gespielt von Ewan McGregor) ersetzt. Doch dann werden üble Vorwürfe zu Langs Amtszeit laut.

"Wenn wir das Double von Martha's Vineyard sein können, finden wir das einfach gut", sagt Michael Siebert, der Lister Tourismusdirektor. "Polanski liegt ja mit den amerikanischen Behörden über Kreuz." In den USA kann der Oscar-Preisträger nicht drehen. Ihm würde bei der Einreise die sofortige Verhaftung drohen. Polanski hatte in den 1970er-Jahren ein 13 Jahre altes Mädchen unter Drogeneinfluss missbraucht und war nach einem Schuldeingeständnis vor Gericht nach Frankreich geflohen. "Des einen Leid ist des anderen Freud", sagt Siebert und lächelt.

Nun wird also die Sylter Inselspitze zum Schauplatz im Hollywoodstreifen. Das unscheinbare Rotklinkergebäude, in dem die Lister Kurverwaltung untergebracht ist, fungiert seit Tagen als Schaltzentrale für den Kontakt mit Hollywood. Siebert, seit zwei Jahren im Amt, hetzt von Termin zu Termin, um alles für den Filmtross vorzubereiten. Wie groß der ist, verrät er nur indirekt: "Das Sylt Marketing hat 120 Willkommenspäckchen gepackt."

Brian Baker gehört zur Vorhut der Produktion. Der Möbeltischler hat an der Straße, die zum Ellenbogen führt, eine Hütte aufgebaut. Verwitterte Holzschindeln und Sprossenfenster sorgen für die amerikanische Optik. "Wir haben das meiste in der Werkstatt in Berlin vorproduziert", erklärt der 42-Jährige. Wer um das Haus herumgeht, bemerkt, dass es sich tatsächlich nur um eine Kulisse handelt - die linke Hausseite ist nackt wie ein Bauzaun.

"Sieht wirklich schön aus", sagt Willi Bergforth, der mit seiner Tochter Kerstin einen Fußmarsch durch das Listland macht. Aber die Strommasten, die würden die Landschaft doch ziemlich verschandeln, meint der Urlauber aus Recklinghausen und hat die wahre Sensation des Tages doch woanders ausgemacht: "Ich habe gerade einen Schweinswal gesehen", erzählt der Karnevalsflüchtling. Am Lister Hafen laufen, kaum bemerkt von den Inselurlaubern, ebenfalls die Vorbereitungen. Hier sollen mehrere Szenen rund um Ankunft und Abfahrt der Fähre gedreht werden.

"Die Fähre legt um acht Uhr fünfzehn ab. Das Wetter wird schlechter, gut möglich, dass dann erst mal keine mehr rausgeht. (...) Ich ließ den Motor laufen und betrat das kleine Hafengebäude. Durch das Fenster konnte ich sehen, wie die letzten Wagen an Bord fuhren."*

Im Film wird man von List vermutlich wenig wiedererkennen, denn auch die Syltfähre zur dänischen Insel Rømø bekommt einen amerikanischen Namen. Während der Dreharbeiten wird der offizielle Fährverkehr für mehrere Tage eingestellt. Außerdem werden eine Reihe von Schildern am Hafen entfernt, die ins Bild der Filmkameras geraten könnten. So wird im Film der hellblau gestrichene Sportswear-Laden von Ronald Benck zu sehen sein. Deshalb muss vom Namen "Paradise-sylt.de" der zweite Namensteil weichen. "Wir machen das aus Solidarität mit", sagt der Ladeninhaber, schließlich kämen die Dreharbeiten dem Ort sehr zugute. "Ich denke, dass ich mir den Film auch mal ansehe."

Ansonsten wird das Leben im Hafen auch während der Filmaufnahmen normal weitergehen: "Wir haben viele Gäste hier auf der Insel, die wollen wir ja nicht verärgern", sagt Siebert, "die können weiterhin an den Hafen gehen und zu Gosch."

Der Sylter Promi-Gastronom Jürgen Gosch sieht dem Hollywood-Auftrieb gelassen entgegen. Und mit etwas Skepsis gegenüber Polanski: "Der muss doch ins Gefängnis", sagt er, "oder nicht?" Bewirten würde er die Crew aber selbstverständlich. Bislang habe jedoch niemand bei ihm angefragt. "Aber diese Filmfirmen kommen ja immer erst in den letzten fünf Minuten daher." Peter Brodersen wird bald wiederkommen und mit schwerem Gerät die falschen Strommasten wieder aus der Erde ziehen. "Spielerei", sagt er zu dem Aufwand, der für den Film betrieben wird, und lächelt. 25 Jahre sei er nicht mehr im Kino gewesen, sagt er , "aber diesen Film werde ich mir vielleicht doch angucken".


Zitate aus Robert Harris' "Ghost", Heyne Verlag, München, Taschenbuch, 400 Seiten, 8,95 Euro